Hörsalgetuschel – Ausgabe 109.

Die Badezimmerchroniken Teil 3

„Nein, nein, nein! Das darf doch jetzt nicht wahr sein.“

Mias Frustration hallte vokal verstärkt durch die halbe Etage. Erik schaltete den Staubsauger ab und sah sie verwundert fragend an.

„Da kommt ja schon kaum Wasser im Bad und jetzt? Jetzt fließt das nicht einmal mehr ab! Kann denn nicht auch mal etwas gut laufen?“

Es war schwer zu übersehen, worüber Mia sich beklagte. Eine unappetitliche Brühe schwamm im Waschbecken und zeigte keinerlei Ambitionen, durch den Ablauf zu verschwinden. Die idealen Voraussetzungen für den Gummipömpel, der schon immer unbeachtet hinter dem Klo gestanden hatte. Erik holte ihn hervor, setzte ihn an, dichtete den Überlauf ab und ließ etwas frisches Wasser nachlaufen, einfach nur, weil er es konnte. Sein eifriges Pumpen wurde von dunklem Grollen in den Untiefen der Zwischenwand begleitet. Und von Plätschern aus der Toilette. Mia lehnte sich durch die Türe hinüber, sah kurz hinein und rief „Stopp!“, ehe sie los lief, um einen Eimer zu finden.

Erik lies den Pömpel stehen und sah selbst hinüber. Die braune Brühe hatte sich in das Waschbecken hier verlagert. Sein engagiertes Gepumpe hatte zur Folge gehabt, dass hier nun alles munter spritzte. Zudem hing das Waschbecken im Klo etwas tiefer als im Bad, sodass schon die Physik das Wasser hier heraustrieb. Das Waschbecken war voll, der Boden überflutet und die Wand dreckig. Die Verstopfung aber saß fest und unnachgiebig an einer Stelle, hinter dem Zusammenfluss der beiden Abflüsse.

Mit reichlich Klopapier und Handtüchern versuchten sie, irgendwie alles abzudichten, was sie abdichten konnten. Irgendwie musste es möglich sein, ein geschlossenes System zu erzeugen, in dem ein Druck aufgebaut werden konnte. Mia drückte im Klo das Waschbecken zu und Erik versuchte es erneut mit dem Pömpel. Er brauchte keinen Hinweis, es plätscherte laut genug, um unüberhörbar zu sein.

„Das kommt aus den Anschlüssen vom Abwasserrohr selbst. Das Wasser kommt nicht einmal mehr bis ins Waschbecken, es sprudelt schon darunter raus. Lass es uns lieber mit dem Rohrreiniger versuchen, ehe wir hier noch zu viel kaputt machen.“

Die Dosierung schrieb vor, etwa 200 ml Rohrreiniger in das verstopfte Rohr zu geben und bei hartnäckigen Verstopfungen eine halbe Stunde Zeit zu lassen. Sie entschieden sich für die sichere Seite mit 300 ml, und nachdem sich eine halbe Stunde später immer noch nichts rührte, für weitere 300 ml. Wenigstens musste die korrosive Flüssigkeit ihren Weg bis zur Verstopfung finden, denn sie quoll ebenso im Klo wieder aus dem Waschbecken. Erik ließ die Brühe eine Stunde wirken und versuchte es noch einmal vorsichtig mit dem Pömpel. Das Ergebnis war sehr überschaubar.

Am Ende war ein voller Liter Rohrfrei in den Abfluss gewandert und brodelte dort unheilvoll vor sich hin. Die giftig lila farbige Flüssigkeit stank scharf, aber nicht so sehr nach Chlor. Mia konnte nicht sagen, was es war. So oder so bereitete es ihr Übelkeit und sie musste sich beherrschen, den Cocktail in der Keramik nicht mit Salzsäure zu ergänzen.

„Wir machen die Türen wohl besser mal zu. So blass, wie du gerade bist, legst du dich am besten mal etwas auf das Sofa und ich versuche in einer Stunde noch einmal, ob ich es doch noch frei bekomme.“

Erik hatte sein besorgtes Gesicht aufgesetzt und teilte seine Kommandos aus. Er kümmerte sich liebevoll um seine Freundin und sie ließ ihn dankbar gewähren. Was er gut zu verbergen wusste, war, wie sehr er das genoss. Er liebte sie und er liebte es, sich um sie zu kümmern. Wenn er ihr helfen konnte, dann wollte er das auch tun, und wenn er dafür die Hausarbeit ein klein wenig aufschieben konnte, dann kam ihm das regelrecht willkommen. Nur sollte sie das nie erfahren. Wer konnte ahnen, was sie ihm sonst noch vorhalten würde? Ihm fiel zwar nichts ein, aber er wollte es nicht riskieren. Der Pfropfen im Rohr wollte ebenfalls nichts riskieren und blieb, wo er war.

„Jetzt ist es schon spät, aber ich glaube, ich rufe morgen einmal den Vermieter an. Der Klempner wollte sich doch bei ihm melden, dann soll er den Abfluss bitte gleich mit freimachen. Wenigstens lohnt es sich dann so richtig.“

Bad3

4 Gedanken zu „Hörsalgetuschel – Ausgabe 109.

  1. leandergeorgweiss

    Kommt mir bekannt vor. Endete bei uns mit einem Schlitz in der Wand des Altbau aus dem wir mehrere Meter eingefallenes Bleirohr holten. Gegen den Sand, der sich aus der Mauer in das Rohr verlagert hatte, half leider kein Pömpel, keine Spirale und keine Chemie.

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    1. dergrafvonborg Autor

      Der legendäre Dinosaurier, der an dem Haar in der Suppe hängt. Ein Schlitz in der Wand wäre durchaus eine Möglichkeit, aber das Mauerwerk muss das auch aushalten können. Alles in allem ist es ein klein wenig eskaliert.

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