Wieder geht es in die Vergangenheit, diesmal im doppelten Sinn des Wortes. Den folgenden Text habe ich bereits vor etlichen Jahren geschrieben, aber irgendwie wollte ich ihn dennoch gerne einmal teilen. Und wo ich mit Selaya bereits bei einer älteren Geschichte war, erschien mir der Zeitpunkt passend.
Eigentlich sollte man sie wohl besser am Stück lesen, aber dann wird sie zu lang. Darum zerstückel ich sie Euch dennoch in handlichere Häppchen und hoffe, dass nicht alle aufgeben. Viel Spaß!
„Also, weswegen genau hast du mich hier hinunter gebeten?“
Die Direktorin stand in einem fast leeren Kellerraum. Ihr Blick lastete auf einem Objekt in der Raummitte. Frank warf ihr einen verständnislosen Blick zu und deutete vage auf das Objekt. Wortlos drehte er sich wieder der Wand zu und kontrollierte die dort aufgereihten Monitore. Sein zottiges Haar wirkte noch fettiger als sonst und sein unrasiertes Kinn wurde von extra tiefen Augenringen begleitet. Er machte keine Anstalten, ihre Frage zu beantworten. Angestrengt holte sie tief Luft, rieb sich die Augen und zwang sich zur Geduld.
„Frank! Wieso soll ich für eine Tür ohne Wand hier herunter kommen? Das Museum für moderne Kunst ist in der Innenstadt.“
„Vergiss die Tür, die ist unwichtig!“, unterbrach er sie unwirsch und sie musste ihm insgeheim zustimmen.
„Der Rahmen ist das Interessante.“
Sie revidierte ihre Zustimmung. Zugegeben, er war besonders klobig, aber interessant war ihrer Meinung nach nicht das richtige Adjektiv. Sie wollte gerade etwas erwidern, da wirbelte Frank herum und sah sie direkt an. In seiner Hemdtasche steckten drei Kugelschreiber, einer davon war ausgelaufen und hatte einen klebrigen, blauen Fleck hinterlassen. Frank schien es nicht einmal zu bemerken. Er schien generell nicht viel zu bemerken und die Direktorin war versucht, ihn vor einen Spiegel zu zerren. Da sie ihn aber dafür hätte anfassen müssen, unterdrückte sie den Impuls. Endlich setzte er zu einer Erklärung an, entblößte dabei gelbe Zähne und wirkte einfach in jeder Hinsicht ungepflegt, verwahrlost und schmutzig.
„Die Tür ist nur da um den Rahmen zu stützen. Und damit niemand aus Versehen hindurch stolpert. Die ganze Maschine ist im Rahmen untergebracht, mit Ausnahme der Steuerung.“ Er tätschelte ein Computergehäuse zu seiner Linken. „Der Rahmen erzeugt das Feld dann aber eigenständig, sobald er den Befehl bekommt. Und die Energie. Besonders viel davon leider. Du hast vielleicht die höhere Stromrechnung bemerkt.“
„Ehrlich gesagt, nein. Um die Gebäudetechnik kümmert sich der Hausmeister. Was für ein Feld soll denn erzeugt werden?“ Wieder musste sie sich zur Ruhe zwingen. Frank erschien ihr in letzter Zeit immer mehr wie ein bockiges, kleines Kind. Für ihn war alles ganz selbstverständlich, alle anderen hatten keine Ahnung, wovon er redete. Seinem Blick nach zu urteilen war es diesmal nicht anders. Er schien ernsthaft an ihrem Geisteszustand zweifeln zu wollen.
„Hast du meinen Bericht überhaupt gelesen?“
„Welchen Bericht? Du sollst mir seit fast drei Monaten einen abliefern und es kommt nichts.“ Langsam aber sicher verlor sie sowohl Geduld als auch Ruhe.
„Na den Projektbericht von vor … ach ist ja auch egal jetzt. Jedenfalls erzeugt das Feld einen chronospherischen Ereignishorizont. Er füllt den ganzen Rahmen aus und ist auch für Lebewesen gefahrlos überschreitbar.“
„Einen was?“
„Chronospherischen Ereignishorizont. Klingt das nicht toll? Ich hab mir den Begriff selbst ausgedacht. Hat wahrscheinlich rein gar nichts mit der Sache an sich zu tun. Ich hab doch keine Ahnung, was da genau vor sich geht, aber es klingt so toll und im Groben beschreibt es doch die Sache.“ Diesmal war es die Direktorin, die ihn wie einen Irren betrachtete. Er legte nach. „Wie gesagt, das Feld füllt den kompletten Rahmen aus und ist bioverträglich. Wir könnten es jetzt aktivieren und durch gehen. Völlig gefahrlos.“
Er strahlte sie mit einer Begeisterung an, als hätte er ihr gerade keine Tür im Keller sondern das komplette Bernsteinzimmer präsentiert. Auf ihrer Seite war weniger Begeisterung. Sie sah nur eine saftige Rechnung für ‚Forschungsmittel‘ und die besagte Tür mit der unaussprechlichen Funktion. Beides stimmte sie alles andere als gut gelaunt. Besonders, da sie immer noch keine Ahnung hatte, was das Gerät nun eigentlich konnte, außer Strom fressen. Am Ende wollte er ihr hier noch eine Zeitmaschine verkaufen. Na schönen Dank auch, dafür wollte sie ihre Zeit nicht verschwenden. Ihre fehlende Begeisterung schien ihn zu irritieren. Er sah sie herausfordernd an.
„Komm schon. Es muss doch etwas geben, was du sehen möchtest. Der Ort lässt sich leider nicht gut beeinflussen, aber auf der Zeitachse sind wir völlig ungebunden.“
Na bitte, eine Zeitmaschine. Massenhaft Forschungsgelder für die Hirngespinste eines Wahnsinnigen. Sie drehte sich um und wollte gehen aber er hastete vor die Türe, versperrte ihr den Weg und sah sie nur weiter herausfordernd an. Er wirkte recht jämmerlich, wie er da so stand, dachte sie. Und er brauchte wirklich dringend eine Dusche und frische Kleider. Leider kannte sie ihn gut genug, als dass sie wusste, wenn er sie so ansah, würde er nicht aufgeben. Er würde sie nicht einmal aus dem Keller lassen, solange sie ihm nicht wenigstens eine Chance gab. Mit einem tiefen Seufzen resignierte sie. Schön, aber wenn, dann wenigstens zu ihren Bedingungen. Er machte große Kulleraugen und sah sie flehend an.
„Bitte! Ich frage nur nach einer Chance es dir zu zeigen, zu beweisen, dass sie funktioniert. Nur eine einzige Chance. Komm mit mir da durch.“ (Genau das hatte sie gemeint.)
„Also gut. Aber vorher gehst du nach hause, duschst dich und ziehst dich vernünftig an. Vorher gehe ich mit dir nirgendwohin. “
Offensichtlich war ihm das Versprechen genug, denn er willigte ein und gab nach kurzem Zögern sogar die Türe wieder frei. Die Direktorin fand, es war besser gelaufen als erwartet. Er verschwand zwar unter Protest, aber er verschwand. Die Pause allerdings hielt er möglichst kurz. Wie um seinem Unternehmen mehr Nachdruck zu verleihen, stand er kaum zwei Stunden später wieder bei ihr in der Tür. Gewaschen und noch mit nassen Haaren, unsauber rasiert aber rasiert und in knittrigen, aber sauberen Klamotten, die alt genug waren, um wieder modern zu sein.
Die Direktorin seufzte resignierend, als sie seinen auffordernden Blick erwiderte. Manchmal hatte sie den Eindruck, er würde ihr das Leben mit voller Absicht schwer machen. Dabei war er im Grunde genommen so ein herzensguter Mensch, der immer zuerst an andere dachte, bevor er sich um sich selbst kümmerte. Jedenfalls, solange es nicht seine Forschungen betraf. Da war er eiskalt und kein Gesetz stand höher als sein Name. Allein um diesen Namen groß aufblasen zu können, würde er ihr keine Ruhe lassen, bis er ihr sein Experiment vorgeführt hatte. Sie hatte fast etwas Mitleid mit ihm. Sein Experiment würde schief gehen, und wenn die Dokumentation in die falschen Hände fiel, dann wäre sein Name für immer verloren.
Bei Zeitreisen verstanden die Akademien keinen Spaß, niemand wollte sich damit seine Reputation zerstören. Auf der ganzen Welt gab es gerade mal zwei Teams, die offen zugaben, sich mit der Thematik zu beschäftigen. Beide wurden offiziell von ihren Akademien nicht unterstützt, wenn sie überhaupt an ihnen gelistet waren. Das eine Team bestand aus Frank und seinem Kellerraum. Das andere Team gruppierte sich um Michael Drop und George Wolf, bestand aus acht Personen und erzielte offiziell weder im praktischen noch im theoretischen Bereich irgendeinen Fortschritt. Trotzdem existierte die Forschungsgruppe bereits seit über zwölf Jahren und es war nicht abzusehen, dass sie sich auflösen würde. Dabei war es allgemein anerkannter Fakt, dass Zeitreisen physikalisch nicht möglich waren.
Doch, bitte lass es möglich sein! 😉
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Na sonst ist die Geschichte doch halbwegs witzlos. Und wofür gibt es schon das Fiction in ScienceFiction? 😉
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Oh Zeitreisen…schön….Dein Frank erinnert mich, vom Erscheinungsbild, an einen Kollegen. Der Kerl sieht mittlerweile aus wie ein Obdachloser, der unter einer Brücke haust und so riecht er auch…Bin gespannt, ob es nur Hirngespinste sind…:-)
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Ohje, das ist aber nicht nett von ihm, sich so gehen zu lassen. Wenigstens aus Rücksicht auf seine Umwelt sollte man sich schon waschen. Ich empfinde so etwas als extrem unhöflich.
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Ja schon…Eine Kollegin von mir leidet gerade stark unter seinem Geruch. Er ist gerade bei ihr in der Abteilung und da ist es auch noch super warm…*würg* die Arme…Aber keiner sagt was. Bzw. Man hat einfach aufgegeben. Früher mal haben die Chefs ihn mal beiseite genommen. Aber jetzt meckert man nur noch….Ich kenne ihn nur so….Er hatte mal eine reinliche Phase – da hatte er eine Frau…- nun ….nicht lange….Komischer Kauz….er könnte Serienmörder sein….nein – man würde ihn riechen…also doch nicht…
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Schöner Gedankengang 😀 Vielleicht ist er depressiv? Angeblich ist das ein Symptom davon, also diese Selbstverwarlosung
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Hm…..er schlurft schon immer sehr seltsam rum….vielleicht. Ich kenne ihn schon – ja seit ich dort arbeite. 19 Jahre….aber sein Verfall hat mich schon etwas erschreckt. Früher hat er oft den Frauen bisschen Angst gemacht, weil er so lüsternd geguckt hat…aber jetzt – ein Hutzelmännchen…
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