Archiv für den Monat September 2017

Mystery Award

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„Ich habe Dich und deinen wunderbaren Blog für den Mystery Award nominiert“ schrieb mir Thomas von teekaysite in die Kommentare, und erweist mir damit eine große Ehre, obwohl ich ihn erst seit kurzem zu meinen geschätzten Lesern zählen darf. Vielen Dank dafür! Ich habe nur mal wieder überhaupt keine Ahnung, was dieser Award überhaupt ist, zumal so etwas gerne einmal völlig an mir vorbei geht. Den letzten Liebster Award habe ich sogar an meine Protagonisten im Hörsaalgetuschel abgegeben (Ausgabe 96). Aber vielleicht traue ich mich ja doch etwas aus der Versenkung, mal ansehen schadet schließlich noch nicht.

Also, der Mystery Award stammt diesmal von Okoto Enigma, die damit „amazing bloggers with ingenious posts“ mit der Anerkennung bedenken will, die sie verdienen. Und generell, mehr Liebe für alle!

The Rules of the Award

  • Put the award logo/image on your blog.
    Stelle das Logo in dein Blog.
  • (Sieht man ja, offenbar)
  • List the rules.
    Liste die Regeln auf.
  • (Hiermit erledigt… okay, ich habe eigentlich den ganzen Rahmen einfach nur kopiert und den Text ausgetauscht)
  • Thank whoever nominated you and provide a link to their blog.
    Danke der Person, die dich nominiert hat, und füge einen Link zu ihrem Blog bei.
  • (Siehe oben 😉 Aber gerne auch noch einmal vielen Dank)
  • Mention the creator of the award and provide a link as well.
    Nenne die Urheberin des Awards und füge ebenfalls einen Link bei.
  • (Siehe ebenfalls oben)
  • Tell your readers 3 things about yourself.
    Erzähle den Lesern drei Dinge über dich.
  • (Siehe diesmal nicht oben, sondern unten)
  • You have to nominate 10 – 20 people.
    Nominiere 10 bis 20 Personen.
  • (ui, davon bin ich überhaupt kein großer Freund, aber ich schätze mal, das sind einfach die Regeln. Ich mag keine Regeln. Und abgesehen davon, kennen sich die meisten Blogs in meinem Umkreis eh gegenseitig. Ich sehe doch Eure Likes und Kommentare überall 😉 Da verzichte ich vielleicht auf diesen Punkt.)
  • Notify your nominees by commenting on their blog.
    Informiere die Nominierten, indem du in ihrem Blog kommentierst.
  • (Denk dir hier einen gelben Klecks Senf, den ich abzugeben hatte… Kontinuität und so)
  • Ask your nominees any 5 questions of your choice; with one weird or funny question (specify)
  • Stelle den Nominierten fünf Fragen deiner Wahl; eine davon sollte seltsam oder lustig sein.
  • (Ich nehme mal an, diese Fragen sollen auch beantwortet werden? Ich jedenfalls tu das einfach mal.)
  • Share a link to your best post(s).
    Teile einen Link zu deinen besten Posts.
  • (Aber uff erstmal…)

 

Drei Dinge über mich. Zählt es, wenn ich sage ich bin Blogger, ich atme und bin männlich? Oder ist das zu witzlos?

  1. Wenn mir jemand einen Hinflug zum Mars anbieten würde, ohne Rückflugmöglichkeit, ich weiß nicht, was ich machen würde. Vermutlich aber ablehnen, da es mir dort einfach zu kalt wäre.
  2. Es gibt nur sehr wenige Dinge in meinem Leben, für die ich mich länger begeistern konnte. Hauptsächlich gibt es Strohfeuer.
  3. Ich bin langsam. Ich lese langsam, ich schreibe langsam, ich studiere (zu) langsam und oft genug glaube ich, ich denke auch zu langsam.

Die fünf Fragen an die Nominierten – Nummer 1 ist die „funny or weird“ Frage 😉

  1. warum ist schwarz keine Farbe?Weil schwarz keine Farbe ist, sondern ein Gefühl.
  1. was war Dein letztes „Ich_brauch_sofort_ein_Loch_in_dem_ich_sofort_verschwinden_kann“-Erlebnis?Kommt drauf an. Wartet in dem schwarzen Loch mein Bett und ein Zeitstopper? Dann habe ich einen kleinen Blumenstrauß an Momenten zur Auswahl. Aber wenn es einfach nur ein ganz klassisches Loch zum Verschwinden nach peinlichen Situationen sein soll… puh, ich kann es echt nicht beantworten.
  1. Fremdschämen – für wen oder was?Privatfernsehen und Bildzeitung? Für das, was als Comedy beschimpft so gerne und völlig zu Unrecht im Fernsehen läuft. Ich bin da generell recht schnell dabei.
  1. was war heute Dein absoluter Glücksmoment?Heute hatte ich noch keinen, aber gestern. Der Anblick des opulenten Abendessens und später der Sprung ins Bett.
  1. wann hast Du das letzte Mal auf Dein Handy geschaut?Ich hatte mein Telefon heute recht häufig in der Hand, allerdings fast ausschließlich zum fotografieren. Dort im Wald hätte ich eh keinen Empfang von irgendwas gehabt.

 

Und nun: Die Nominierten!

Och nö, eigentlich lieber nicht. Ich folge so vielen guten Blogs, einige aktiver, einige eher selten aber mit trotzdem sehr sehr guten Beiträgen. Da fühlt es sich irgendwie unfair an, nicht alle zu nominieren. Also gebe ich nun einfach Fragen, und wem sie gefallen, der darf sich aufgefordert fühlen, mitzumachen und sie als Nominierter zu beantworten.

  1. Wo kämen wir hin, wenn jeder bloß sagte „wo kämen wir hin“ und niemand ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir denn gingen? (Die Quatschfrage, offensichtlich)
  2. Welche Musik bringt für Dich den Sommer gleich zurück?
  3. Auto, Bus, Fahrrad, Bahn… Was würdest Du für den Alltag bevorzugen und wieso?
  4. Was hat dich in letzter Zeit fast (oder auch mit Erfolg) in den Wahnsinn getrieben?
  5. Welche Gewürze dürfen in keiner Küche fehlen?

 

Zum Abschluss wird nach meinem besten Blogbeitrag gefragt. Aber nach welchen Kriterien? Und in welchem Zeitraum?

Nach Aufrufen war es dieses Jahr meine Startseite, gefolgt von dem Versatile Blogger Award. Für den gesamten Zeitraum kommt noch Über die Lesestunde hinzu. Fast schon ernüchternd, dass keine schöne Geschichte die Liste anführt, sondern nur ein gelifteter Kettenbrief. An wirklichen Blogtexten gibt es hier zwei Gleichplatzierte mit Blick von Außen und Kunst um sich selber willen.

Aber da die Frage nur ist, was mein bester Beitrag ist… also wenn es um Lieblingstexte geht (im Sinne von in meinen Augen am besten gelungen), dann ist es echt schwer zu entscheiden. Aber Neptuns Tribut, Hunger oder Den Kopf in den Wolken fand ich irgendwie immer einige meiner besseren Werke. Die Momente sind auch immer wieder lohnenswert, oder widerspricht da jemand?

 

Dankesehr fürs dabei sein und wie erwähnt, wem die Fragen gefallen, der ist herzlich eingeladen, sich als nominiert zu betrachten. Liebe Grüße, euer Graf

Beltane – Teil 7.

Beltane Titelbild

„[…] Aber irgendwann wird trotzdem auch über den rauen Felsen ein weicher Boden wachsen. Weiter im Norden hat es bereits angefangen. Dort an der Flussmündung soll doch eine weitere Stadt entstehen. Wie es aussieht, werden sie dann nicht mehr zwingend Gewächshäuser brauchen. Vielleicht kann man das Delta dann dafür nutzen.“

Mara ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, eine persönliche Führung für sich und die Kamera wahrzunehmen. Wenn überhaupt, dann würde sie wohl kaum in nächster Zeit wieder hier hinunterkommen. Mira Gruber führte sie durch die Stollen, zeigte ihr die Abbauroboter, Förderbänder, Steuerzentralen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen. Rumpelnde Erzbrocken und Abraum auf dem Weg zu neuen Ufern. Menschen und Maschinen auf dem Weg zu ihren Arbeitsstätten. Ganz nebenbei erfuhr Mara auch noch etwas über die Bergbaugeschichte der Erde.

Sie verfolgten die Förderbänder durch lange Tunnel. Mara wünschte sich bald ein Fahrrad oder selbst ein Förderband, aber sie waren zum Laufen verdammt, und dennoch bereute sie keinen einzigen Schritt. Eine gefühlte Ewigkeit später tauchte Tageslicht vor ihnen auf. In riesigen Hallen war die weitere Verarbeitung des Erzes untergebracht. Enorme Hitze strahlte von den elektrischen Hochöfen und Schmelzen durch den gesamten Komplex und machte das Atmen schwer.

Die Führung war auch hier ausgezeichnet. Es war ein Transportwagen aufgetaucht, der die beiden Frauen durch die Fabriken chauffierte. Mira Gruber erklärte Mara Naravova die Produktionsketten mit viel Geduld. Sie beantwortete die Fragen, stellte ihr die Mitarbeiter vor und erläuterte die Maschinen. Mara nutzte die Gelegenheit um Interviews zu führen und Mira war geduldig genug, um ihr die Zeit zu gönnen. In der Zwischenzeit musste Mara sogar eine neue Speicherkarte einlegen. Jemand hatte vergessen, die Alte zu leeren.

So erfuhr sie von zahlreichen Familiengeschichten und Einzelschicksalen. Menschen die mal ein besseres, mal ein schlechteres Leben zurück gelassen hatten, um komplett neu zu starten. Die Motive waren dabei vielseitig. Und sie erhielt einen guten Einblick in die Köpfe der Kolonie und deren Alltag. Sie ertappte sich dabei, wie sie die ausgefeilte Produktion der besten Roboter und Maschinen nur beiläufig bemerkte. Viel Interessanter fand sie die Menschen dahinter und ihre Geschichten.

Tony Fords Großmutter hatte die Erde damals nach einem Mord fluchtartig verlassen müssen. Über einen Freund war sie auf die Passagierliste geschmuggelt worden und hatte erst auf der Reise ihren Mann, Tonys Großvater, kennengelernt. Sie war nach der Landung beim Bau des Aquädukts verunglückt und gestorben. Sein Großvater hatte ihren Verlust bis zuletzt nicht verarbeiten können. Er war es gewesen, der dem jungen Tony beigebracht hatte, Roboter zu bauen. So war er in den Werkstätten von Belenos gelandet, wo er die neuen Modelle perfektionierte. War ein Entwurf einmal fertig, konnte er von den Robotern selbst ausgeführt werden. So sehr er seine Roboter auch umwarb, auf die Frage, ob seine Roboter nicht auch selbstständig Modelle entwickeln könnten, reagierte er unterkühlt.

Anna Abboth hatte von ihrer Familie nicht so viel gelernt. Sämtliche ihrer Vorfahren der letzten fünf Generationen waren Ärzte gewesen. Sie war die Erste und bislang Einzige gewesen, die mit der Tradition gebrochen hatte und stattdessen Schweißer geworden war. Auf den Baustellen und in den Minen war sie als solche mehr als willkommen. Ihre beiden Brüder lehrten inzwischen Medizin an der Universität. Sie hielt dafür Unterricht für die Handwerker und lehrte sie alles, was es über Metallbearbeitung zu wissen gab.

Venera Wisnewski wollte über sich nicht mehr preisgeben, als dass sie Buchhaltung gelernt hatte. Dafür erzählte sie von ihrem Vater, Mikail. Er hatte als junger Mann die erste Fähre gebaut, die Belenos mit Beltane verband. Damals hatte die Kolonie noch keinen eigenen Hochofen besessen und sämtliches Metall des Raumschiffs wurde sehr sorgfältig verplant. Für die Fähre hatte er keines bekommen können. Allerdings war der erste Steinbruch eröffnet und das Zementwerk in Betrieb. Aus entsorgten Drähten, einem aussortierten Servomotor aber hauptsächlich Beton hatte er dann die Fähre gebaut. Sie war durch Unachtsamkeit mehrfach auf Grund gesetzt worden und leckgeschlagen, konnte aber jedes Mal repariert werden und ihren Dienst bis heute fortsetzen.

Thomas Extras Familie war schon immer in Bewegung gewesen. Seine Vorfahren waren aus allen Teilen der Welt gekommen und ebenso in alle Himmelsrichtungen wieder entschwunden. Als es an die Besiedlung des Sonnensystems ging, hatten sie sich zunächst zurück gehalten, aber am Ende hatten sie doch den Griff zu den Sternen gewagt. Auf jeder Kolonie der Menschheit fand sich inzwischen mindestens ein Mitglied der Familie Extra, natürlich also auch auf Beltane. Thomas hatte als junger Mann große Schwierigkeiten gehabt, seinen Platz in der Kolonie zu finden. Er hatte etliches ausprobiert aber wollte nirgendwo wirklich hineinpassen. Irgendwann hatte er angefangen, nach alten Plänen Modelle von historischen Flugzeugen zu bauen. Damit war seine Aufgabe gefunden. Er entwarf, baute und wartete die Flugzeuge von Beltane. Das es bisher nur einen Flugplatz gab, störte niemanden. Man suchte seine Aufgabe einfach in der Aufklärung und der Übung im Umgang mit der Produktion.

Chi Chin und Han Bey Fong waren beide Elektriker gewesen. Sie hatten auf dem Kolonieschiff angeheuert, um gemeinsam ihrer Heimat zu entfliehen. Eine Koreanerin und ein Japaner, das war eine völlig undenkbare Kombination. Das Kolonieschiff war die einzige Möglichkeit, welche die beiden sahen, zusammen sein zu können, ohne von den Nachbarn als Verräter behandelt zu werden. Ihre Tochter Shao war noch auf dem Schiff geboren worden und war bei der Landung, mit zwölf Jahren, fertig ausgebildet im Beruf ihrer Eltern. Heute war diese Beltanes dienstälteste Elektrikerin und betreute das Kraftwerk von Belenos.

So lernte Mara Stück für Stück alle Elemente der Welt kennen, in der sie lebte. Sie war sehr erstaunt, wie viele Gesichter der kleinen Gemeinde sie noch nie gesehen hatte. Eine junge Kolonie mit zwei Städten und keiner halben Million Einwohner. Sie hatte erwartet, jeden Bewohner bereits mindestens einmal getroffen zu haben. Besonders, da schon ihre übliche Arbeit in der Koloniezentrale viel Kontakt zu den Siedlern forderte.

Was sie neben der Herkunft der Siedler besonders fasziniert hatte, waren die Geschichten über die Eltern und Großeltern. Die Gründungstage der Kolonie mussten sehr bewegt gewesen sein und auch wenn es nur wenig Bildmaterial dazu geben würde, sie musste unbedingt die Archive besuchen. Für sie wurde die Kolonie erst durch eben diese Geschichten lebendig. Die Mauern und Fenster füllten sich mit Leben, genau wie die Straßen und Plätze. Das war für sie der Schatz der Kolonie. Nicht die Museen und Fabriken oder Parks und Alleen. Die Geschichten waren das Geheimnis.

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 149.

Interessenten

„Hallo schöner Mann. Du hast dich so lange nicht gemeldet und ich dachte, wir könnten uns gemeinsam etwas die Zeit verschönern.“

Die Worte, der Absender und der frivol grinsende Smiley in dieser Chatnachricht sprachen eine Sprache, die Erik fast schon eine Spur zu deutlich war. Aber sie trugen auch etwas in sich, was in ihm ein fast schon vergessenes und wohliges Gefühl auslöste. Das Gefühl, begehrt und gewollt zu sein. So sehr er sich auch sträuben mochte und um Rationalität bemüht war, er musste sich eingestehen, dass es ihm gefiel und irgendwie auch gut tat. Außerdem war Marlene viel zu gut darin, ihm dieses Gefühl zu geben und dabei glaubhaft zu bleiben. So sehr er auch nach Anzeichen dafür suchte, dass sie nur ein Spiel spielte, er konnte nichts finden. Zeitweise hatte er sogar den Eindruck, sie könnte überhaupt nicht lügen, selbst wenn sie es versuchte. Stattdessen funkelte sie ihn mit ihren leuchtend grünen Augen an, und er hatte den Eindruck, durch sie direkt bis in ihre Seele blicken zu können. Und alles, was er sehen konnte, war, dass sie ihn wollte. Nicht einfach nur stumpf körperlich, das natürlich auch, aber viel mehr mit Haut, Haaren und Herz. Daran arbeitete sie mit einer Beharrlichkeit, die ihn fast um den Verstand brachte und beängstigte.

Und das alles war auch noch Flos schuld. Er war es gewesen, der vor drei Wochen die Mädels auf ihrem Junggesellinnenabschied angesprochen hatte und mit der Braut geflirtet hatte. Er war es gewesen, der die interessierten Blicke der Trauzeugin wahrgenommen hatte und Eriks Nummer gegen einen Schnaps eingetauscht hatte. Er war es gewesen, der die Gruppen zusammen gewürfelt hatte und ganz zufällig Erik neben Marlene geschoben hatte, wofür sie ihn unendlich dankbar angesehen hatte. Und beinahe hätte er auch seinen letzten Zug fahren lassen, da Erik nicht alleine bei den Mädels geblieben wäre. Am Ende des Abends war es nicht der Alkohol gewesen, der Erik fertiggemacht hatte, sondern nur seine Nerven.

Dennoch, er ließ es nicht einfach im Sande verlaufen, sondern blieb dabei und spielte mit. Er selbst war darüber vielleicht noch am meisten überrascht. Aber er antwortete auf ihre Nachrichten, beantwortete ihre Fragen, stellte seinerseits selbst welche und entdeckte so ein Interesse und eine gewisse Faszination für sie. Und das, obwohl er gerade erst eine Beziehung hinter sich hatte, die er als ernsthaft bezeichnen würde, und auch immer noch gelegentlich an Mia dachte.

Die Gefühle für sie waren aber leider inzwischen eher von Bitterkeit und mit einem Geschmack von Verrat durchzogen. Aber eines war ihm auch deutlich geworden. Die Zeit, die Mia mit Tina ohne ihn verbracht hatte, ohne ihm zu sagen, dass es vorbei war, zählte für ihn dennoch schon als Trennungsphase. Er hatte viel Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten und an den Gedanken zu gewöhnen. Nichts war plötzlich und auf einmal da gewesen, sondern von langer Hand her angekündigt. Der gemeinsame Alltag hatte bereits weit im Vorfeld so viel gefressen, hatte so vieles selbstverständlich werden lassen und so vieles auf dem Weg zurück gelassen. Kleine Worte der Zärtlichkeit, warme Blicke oder nur mal ein unerwarteter Kuss nebenher.

Und auf einmal waren da diese leuchtenden grünen Augen, welche direkt in sein Innerstes zu blicken schienen und nach eben diesen warmen Blicken oder Zärtlichkeiten suchten. Volle, offensichtlich wunderbar weiche Lippen, die um gemeinsame Zeiten baten, und seien es nur Minuten. Erik wusste nicht, wie lange sie alleine gewesen war, aber er merkte, sie würde einiges daran setzen, ihn von seinem Plan abzubringen, jetzt eine Weile alleine zu verbringen. Und wenn er ehrlich war, gefiel ihm der Gedanke auch.

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Das Kartenspiel

Wir haben gespielt, uns gegenseitig die Karten zugeworfen, aber nach verschiedenen und doch so ähnlichen Regeln.

Am Anfang fiel es nicht einmal auf, doch plötzlich passten die Karten nicht mehr. Wir waren frustriert und verärgert. Doch manche Karten sind in jedem Spiel die höchsten und du hast sie meisterhaft ausgespielt. Du hast den Tisch sauber abgeräumt und dich dann bitterlich triumphierend einem anderen Spiel mit neuen Spielern zugewandt. Ich war zurückgelassen, irritiert und verprellt. Das Spiel war gelaufen und vergangen, keine Chance auf Revanche oder weitere Anläufe.

Und auch wenn es nicht schön war, es war okay. Menschen spielen und irgendjemand würde sicherlich auch mir wieder Karten zuschieben. Doch die Karten, die hier so unerwartet wieder vor mir liegen kommen von dir und ich habe dein Spiel noch weniger durchschaut, als ich es zunächst glaubte.

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Beltane – Teil 6.

Beltane Titelbild

Mara meinte, einen ausreichend guten Eindruck vom See und seinem Hüter bekommen zu haben. Die Bilder würden der Erde zeigen können, wie Wasser unter freiem Himmel auszusehen hatte. Vielleicht konnte man selbst dort wieder einiges renaturieren, wenn man sich Mühe gab. Beltane konnte die Richtung aufzeigen und sich so dabei einen Namen machen. Für sie war es Zeit, weiter zu kommen. Die Fähre war angekommen und brachte sie nach Belenos.

Die zweitgrößte Siedlung auf Beltane konnte und wollte ihren Zweck nicht verbergen. Wie ein Denkmal ragte aus den symmetrisch angeordneten Vierteln ein historisch wirkender Förderturm hinaus. Ein filigranes Gitter aus dünnen Stahlträgern wie es vor hunderten Jahren modern war, als die Menschheit Kohle aus der Erde holte, um Eisenbahnen und Dampfmaschinen der frühen Fabriken damit zu befeuern. Zwischen den sauberen Wohnblocks mit ihren flachen Dächern und den hohen Fabrikhallen war er ein überdeutlicher Anachronismus.

Die Straßen von Belenos waren breiter als die der Hauptstadt. Sie waren angelegt worden, um einmal große Mengen schwere Frachter tragen zu können. Man hatte abseits der Verkehrsflächen wenig Planungsraum für Parks und Gärten gelassen. Die Grünflächen waren auf die Dächer gewandert, welche untereinander häufig mit schlanken Fußgängerbrücken verbunden waren. Im Hintergrund der Stadt hob sich der Berg, wie eine natürliche Pyramide in den Himmel. Trotz der sommerlichen Temperaturen hatte sein Gipfel schon immer eine bepuderte Spitze, die oft genug im Nebel lag.

Mara hatte sich hier nie wohlgefühlt. Diese Stadt war ihr zu steril, zu geplant, zu industriell. Sie mochte das Organische, Gewachsene von Beltane und liebte die vielen kleinen versteckten Parks und Gärten, die häufig in den Hinterhöfen und Seitengassen zu finden waren. Sie erfreute sich am Summen der Bienen und Hummeln, wie sie durch die Blüten und Blumen krochen. Hier in Belenos, wo die Gärten auf den Dächern und die Fenster zur Straße meist verschlossen blieben, fehlte ihr dieses Zeichen von Leben. Vielleicht würde es eines Tages genug Brücken geben, als dass man die Stadt als Fußgänger überhaupt nicht mehr auf der Straßenebene betrat. Dann würde man statt durch Häuserschluchten nur noch durch Parks laufen, aber noch war es nicht soweit.

Die Kamera laufend vor sich her haltend betrat sie die Minen. Von hier kam das erste Eisenerz, welches in der Kolonie gefördert und verarbeitet worden war. Sobald sie das Gebäude betrat, fröstelte sie. Kalte Luft strömte aus dem Förderschacht und kühlte den gesamten Komplex ab. Für Mara reichte das völlig aus, um ihre Abneigung gegen Industriekomplexe zu verstärken. Aber sie war hier sowieso nicht zum Freizeitvergnügen, sondern weil sie einen Termin hatte. Sie wollte ihr Interview haben und wieder verschwinden. Leider würde sie dafür den Schacht hinab müssen.

Die Temperatur in Bergwerken ist unter anderem abhängig von ihrer Tiefe und der geologischen Aktivität der Position. Beltane war deutlich weniger aktiv als zum Beispiel die Erde. Während dort selbst auf den Kratonen schon in etwa viertausend Metern Tiefe sechzig Grad Celsius teilweise überschritt, waren noch an den Riftzonen von Beltane in dieser Tiefe keine dreißig Grad erreicht. Die Verwaltung war in den ersten Stollen untergebracht, keine hundert Meter tief. Die trockenen, kühlen Höhlen waren gut als Archiv geeignet aber wieso es hier Büros und Konferenzräume gab, verstand Mara nicht.

Sie hatte ihre Ausrüstung auf einem der viel zu großen Konferenztische aufgebaut und blätterte nervös durch ihr Notizbuch. Der Fels über ihrem Kopf hielt bereits beinahe so lange, wie die Kolonie existierte aber wer garantierte ihr, dass das auch so bleiben würde? Sie vermisste den Himmel, die Pflanzen und den Lärm. Auf dem Flur hatte sie eine Palme in einem Pflanzenkübel gesehen, ansonsten nichts Grünes. In dem mit dickem Teppich ausgelegten Konferenzraum hallten nicht einmal Schritte wider. Es war absolut still. Durch diese Stille schnitt die eigentlich so sanfte Stimme von Mira Gruber wie ein Messer.

„Der Stollen, aus dem dieser Raum hier geschlagen wurde, war der Erste, aus dem damals Erz abgebaut wurde. Noch bevor das Fundament für die Koloniezentrale in Beltane fertig war, hatten die Geologen mit der Suche nach Rohstoffquellen begonnen und waren hier fündig geworden. Die Lage bietet sich an. Es ist noch recht nah an der Landestelle, Energie und Rohstoffe waren ausreichend verfügbar und der See war bis zur Fertigstellung der Bahnlinie ideal für den Transport der Erzeugnisse per Floß. Außerdem befinden sich am Stadtrand die wichtigsten Steinbrüche. Die junge Kolonie brauchte Rohstoffe für ihr Wachstum, also begann man mit dem Abbau. Anfangs noch komplett von Hand, da die Kraftwerke noch nicht ausgeladen waren. Die Bergleute bauten hier ihre Zelte auf, da ihnen keine Container zugestanden wurden. Die Verwaltung wollte zuerst Beltane selbst aufbauen. Die Rohstoffe dafür aber kamen hier her und die Leute waren es schnell leid, täglich über den See zu fahren. Hier eine zweite Stadt zu gründen war die logische Konsequenz.“

Vor den beiden Frauen standen zwei dampfende Tassen mit herrlich duftendem Algentee, ein Teller mit Keksen in der Mitte des Tisches. Auch wenn ihr der Ort nicht behagte, es hatte auch seine Vorteile, Vertreter der Presse zu sein, fand Mara. Sie musterte die Frau ihr gegenüber, deren Vorname fast identisch mit ihrem eigenen war. Sie war nur wenige Jahre älter als sie selbst, das wusste sie. Außerdem einen guten Kopf kleiner, zierlich von Gestalt aber bestimmt in ihren Bewegungen. Sie war unter der Erde zu Hause, das merkte man und das strahlte sie auch aus.

Mara erfuhr, dass der Nachname Gruber, das Ergebnis von über fünfhundert Jahren bergmännischer Tätigkeit von Miras Familie war. Wenn es irgendwo eine Mine oder eine Grube gab, ein Mitglied der Familie Gruber war meist nicht weit. Eine Tradition, die sich über das Zeitalter von Kohle und Öl hinaus in den Weltraum bewahrt hatte. Mara konnte den Stolz der kleinen Frau angesichts ihrer Familiengeschichte gut nachvollziehen. Sie erfuhr, wie ihre Eltern und Großeltern dafür sorgten, dass Beltane mit Stahl und Beton versorgt wurde. Wie sie aus dem Nichts die Industrie der Kolonie begründeten, noch ehe ihnen die Roboter zugeteilt werden konnten. Sie hatten der Stadt ihren Stempel aufgedrückt wie sonst kaum jemand und von ihnen stammte auch der Entwurf, die Gärten ausschließlich auf den Hausdächern anzulegen. Für Jemanden, der sein Leben unter der Erde verbringt, mochte es logisch sein, dass sich ein Garten immer über einem befindet, ging es Mara durch den Kopf.

„Meine Großeltern sind in einem Grubenunfall ums Leben gekommen, als ich noch ein kleines Mädchen war, nur wenige Jahre nach der Landung. Das hat mich gelehrt, den Berg niemals zu unterschätzen. Egal, mit welcher Technik wir ihm zu Leibe rücken, wir bekommen nur das, was er uns geben will. Meine Eltern überwachen die Tunnelbaustellen für die Bahn, und solange habe ich die Leitung der Minen hier übertragen bekommen. Das Meiste unter Tage wird allerdings auch hier inzwischen robotisch erledigt. Wir bauen die Maschinen selbst und passen sie direkt den nötigen Anforderungen an. Auf diese Weise können wir der Kolonie laufend einen Überschuss liefern.

Unser Wachstum ist nicht dadurch begrenzt, dass wir kein Baumaterial liefern könnten. Meistens sind die Leute einfach mit dem zufrieden, was sie haben. Sie haben sich so sehr an ihre Container gewöhnt, dass sie sie als ihr Zuhause betrachten. Es sind die jungen Leute, die bauen wollen. Die Verwaltung, drüben in Beltane, ist aber sehr vorsichtig, was das Ausstellen neuer Baugenehmigungen angeht. Sie möchten möglichst viel von Beltanes uriger und rauer Schönheit bewahren, aber gleichzeitig lebendige, organische Städte bauen.

Ich glaube, sie stehen sich da häufig selbst im Weg. Wenn sie die Landschaft so dringend schützen wollten, dann müssten sie unterirdisch bauen, und das wollen sie nicht. Aber irgendwann wird trotzdem auch über den rauen Felsen ein weicher Boden wachsen. Weiter im Norden hat es bereits angefangen. Dort an der Flussmündung soll doch eine weitere Stadt entstehen. Wie es aussieht, werden sie dann nicht mehr zwingend Gewächshäuser brauchen. Vielleicht kann man das Delta dann dafür nutzen.“

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Weil ich im Moment einfach keine Zeit zum Atmen habe und kaum damit hinterher komme, zu gucken, wo mir der Kopf denn heute wieder steht, muss das Hörsaalgetuschel diese Woche leider ausfallen. Ich hoffe, Ihr vermisst es nicht zu sehr. Es wird auf jeden Fall noch weiter gehen.

Aber eines ist mir dennoch sehr wichtig. Ich möchte mich bei Euch allen bedanken! Letzte Woche informierte mich WordPress in einer hübsch bunten Meldung, dass jetzt ganze 100 Leute meinem Blog folgen und damit regelmäßig über meine Geschichten informiert werden möchten.

Vielen herzlichen Dank für Euer Abo, für Eure Begeisterung und natürlich auch die Treue, mit der Ihr meinen Worten folgt. Ich freue mich über jeden einzelnen Like und über jeden Kommentar. Sie haben nichts von ihrer Besonderheit verloren in all der Zeit, immerhin bald drei Jahre. Ich hoffe, Ihr habt auch in Zukunft wenigstens genau so viel Spaß beim Lesen, wie ich beim Schreiben habe, und es warten noch viele bunte Reisen in die Welten hinter den Buchstaben auf uns. Auf ins Getümmel!

 

Herz voller Geschichten

Es gibt Tage, da quillt das Herz über vor Geschichten. Es will sich frei brüllen, ausschütten, allen Frust von der Seele tanzen und in freudigen, goldenen Erinnerungen baden. Es will von leuchtend roten Sonnenuntergängen träumen, während der leichte Wind der Nacht die Baumwipfel streichelt, will den Sand unter seinen Füßen spüren, der von weichen Wellen durchnässt wurde. Es will in den Augen geliebter Personen versinken können und das Salz auf ihrer Haut schmecken. Wie ein Sturmwind würde es auf dem Rücken von wahren Bestien reiten, oder im Bauch höllischer Maschinen, hinweg fegend über weite Ebenen oder durch enge Schluchten. Scharfe Klippen oder monumentale Prachtbauten würden vorüberschießen, viel zu schnell, als dass man sie wirklich erfassen könnte. Dann wieder würde es am Tisch einer Bauernfamilie im Mittelalter sitzen, während die schwarze Nacht draußen nur von scharfen Blitzen erhellt wird und ein Unwetter an den Fensterläden reißt, als würde es den ganzen Hof von der Erdkarte pusten wollen. Im Ofen prasselt ein warmes Feuer und im schummrigen Schein der Kerzen sitzt das Herz auf einem Holzschemel und erzählt eifrig lauschenden und weit aufgerissenen Augen und Ohren von fernen Ländern voller abenteuerlicher Tiere, fremder Düfte, atemberaubender Naturwunder, feiner Gewürze und Öle und unfassbarer Maschinen.

Das alles würde das Herz gerne machen, aber es ist niemals alleine in einem Körper. Eine Etage weiter wohnt der Geist, und wenn er Amok läuft, dann droht er das arme Herz mit all seinen Geschichten zu ersticken. Dann breitet sich sein grauer Nebel von Stumpfsinn und Müdigkeit bis in jede Finger-, Zehen- und Haarspitze aus. Dann reißt jeder zierliche Faden eines Gedankens und eines Traumes ab, wird durchschlagen von endlosen Zahlenkolonnen, dringlichen Aufgaben, lästigen Pflichten, unangenehmer Fristen oder erschlagender Verantwortung. Gnadenlos, wie ein Feuer, frisst sich der Geist in jede Faser seines Wirtes, denn er duldet keine Götter neben sich, ohne Pause, ohne Luft zu holen. Erst, wenn er sich schlafen legen möchte und zur Ruhe gezwungen wird, wagt sich das verkümmerte Herz hervor, nimmt den Geist vorsichtig an der Hand und sie begeben sich auf eine Reise voller ungeahnter Wunder. Denn auch wenn sich der Geist kaum traut es zuzugeben, ohne das Herz würde er die Nächte allein und unter erstickenden Tränen verbringen.

Beltane – Teil 5.

Beltane Titelbild

„[…] Wie sieht es mit Ihnen aus, junge Dame? Ihre eigene Familie stammt aus den Minen von Deimos, dem Marsmond, wenn ich mich nicht täusche.“

„Von Deimos und Phobos sogar. Die Großeltern meines Vaters haben sich beim Bau der Station über Utopia Planitia kennen gelernt. Meine Urgroßmutter war dort als Schweißerin und mein Großvater steuerte den Frachter, der die Seile für den Orbitallift lieferte. Seine Familie kam von Phobos, wo die Seile damals produziert wurden.“

„Dann hat Ihre Familie ja direkt an den Werften mit gebaut. Die letzten der Kolonieschiffe wurden dort noch gebaut. Nach meinem letzten Stand wurden dort nach uns nur noch Frachter und Drohnen gebaut. Die Beltane war das letzte Kolonieschiff, was gebaut wurde. Verstehen kann ich das nicht. Ich hatte erwartet, dass wir nur die Vorhut von etwas großem sind. Es gibt immerhin eine ganze Galaxie zu erforschen. Haben Sie es schon gehört? Man hat wohl tatsächlich zwei weitere außerirdische Zivilisationen entdeckt! Bisher nur Gerüchte, aber wie aufregend das wäre. Offensichtlich wird es voll im Weltall. Wer weiß, vielleicht wird es in der Galaxie einmal überall so voll sein, wie auf der Erde selbst. Damit wäre es dann für einen einzelnen wieder kaum möglich, einen Unterschied zu machen. Noch viel weniger wahrscheinlich.“

„Ich glaube, es wird immer Menschen geben, die durch ihre Art und durch ihr Handeln aus der Masse heraus stechen werden und sich einen Namen machen. Bei uns wird man sich vielleicht nicht an die Namen erinnern aber wir werden von unseren Nachkommen hoffentlich immer als die Gründer in Erinnerung behalten werden. Wir bauen hier alles auf, machen aus einem Toten Stein eine Heimat. Ohne diese Arbeit, würden sie hier nie leben.“

„Oh dieser Stein, wie Sie ihn nennen, war nie wirklich tot. Er hat schon vor der Ankunft der Kapseln geatmet und gelebt. Wenn sie gut Acht geben, dann werden sie vielleicht einige der Kristalle finden. Irgendwie schaffen es diese kleinen Dinger in der tiefsten Nacht ein klein wenig Licht zu erzeugen. Für mich erscheinen sie lebendig aber davon will man in der Universität nichts hören. Die schlauen Köpfe dort haben wohl zu viel Angst davor, eine unbekannte Art aus zu löschen ohne sie wahrgenommen zu haben. Also nimmt man sie lieber nicht wahr.“

„Soweit ich gehört habe, sind die beiden außerirdischen Völker tatsächlich Zivilisationen. Bei ein paar Kristallen, die lediglich ein Energiemuster zeigen, wird man doch kaum davon reden können, oder? Ich meine, es gibt keine Städte, keine Bauwerke, keine Artefakte. Nichtmal eine simple Form des Stoffwechsels oder der Kommunikation haben wir auf Beltane beobachten können. Andernfalls wäre der Planet niemals für die Besiedlung frei gegeben worden. Von den beiden außerirdischen Kulturen ist die eine der Menschheit angeblich sogar technisch Überlegen. Das glaube ich aber noch nicht so ganz, sonst hätten wir doch sicher früher von ihnen gehört.“

„Seien Sie sich da nicht zu sicher. Wenn diese Wesen tatsächlich so weit entwickelt sind, dann muss die Menschheit ausgesprochen langweilig für sie sein. Was haben wir ihnen denn zu bieten? Von unserer Technologie können sie kaum was lernen, unsere Gesellschaft mag ihnen regelrecht barbarisch vorkommen. Objektiv betrachtet sind wir Menschen wahrlich nicht großartig. Die grünen Technologien feiern zwar mit der jüngsten Expansion der Menschheit eine gewisse Renaissance aber ihr Wirkungsgrad ist durch die Bank bestenfalls mittelmäßig. Besonders unsere Raumfahrer und Führungspersonen können sich vor Überheblichkeit kaum bewegen und feiert sich nur zu gerne als Geschenk an das Universum. Es ist ihnen egal, ob sie nun Segen oder Geißel der Sterne sind. Für diese fremdartige Kultur der Außerirdischen müssen wir wie kleine, verwöhnte Kinder mit zu großen Spielzeugen wirken. Sie werden gute Gründe haben, uns bislang ignoriert zu haben. Natürlich ist das nun nicht mehr möglich, jetzt, wo wir sie gefunden haben. Die hohen Herrschaften in der Regierung der jungen Allianz werden auf eine Botschaft bestehen, falls sie das nicht direkt getan haben. Wie man hört, hat sich unsere werte Allianz sowieso beim Erstkontakt nicht gerade rühmlich verhalten.“

„Dafür habe ich leider nicht genug davon gehört. Die Nachrichten treffen erst mit Verzögerung bei mir ein. Die Verwaltung empfängt als einziger die Nachrichten und gibt sie dann weiter. Aber es ist schon ein großer Fortschritt. Vor dem Tunnelrelais haben wir überhaupt keine Nachrichten empfangen können. Selbst wenn wir etwas aus dem Hintergrundrauschen heraus filtern konnten, war es über vierzig Jahre alt! Kaum aktuell genug, um die Ereignisse nach dem Start der Beltane rekonstruieren zu können.“

„Für Nachrichten mag das eine lange Zeit sein aber dadurch werden sie nicht weniger wichtig. Für uns sind Entwicklungen neu, die im Sol System längst vergessen sind. Für den See hilft es mir leider trotzdem nicht.“ Er warf einen wehmütigen Blick über die glitzernden Wellen. Vor seinem inneren Auge verglich er das aktuelle Bild mit denen von früher. Er hatte früher Fotos von Gewässern der Erde gesehen. Wenn es irgendwie in seiner Macht stand, dann würde er diesem See ein solches Schicksal wie denen dort ersparen. Die Bilder von schmierigen Tümpeln voller Müll und Unrat hatten ihn damals tief getroffen. Gewässer, in denen kaum noch eine Art von Leben möglich war, ganz zu schweigen von empfindlichen Fischarten. Hier stand ihm die Möglichkeit offen, einen neuen Lebensraum zu schaffen um selbst die bedrohtesten Tiere weiter schwimmen zu lassen. Sein Traum war, die Gewässer Beltanes mit Leben zu füllen. Von der kleinsten Mikrobe bis hin zum größten Wal. Er musste sehr vorsichtig dabei vor gehen. Das Wasser hatte schon begonnen trübe zu werden. Er hatte Angst davor, den Effekt zu unterschätzen.

Mara meinte, einen ausreichend guten Eindruck vom See und seinem Hüter bekommen zu haben. Die Bilder würden der Erde zeigen können, wie Wasser unter freiem Himmel auszusehen hatte. Vielleicht konnte man selbst dort wieder einiges renaturieren, wenn man sich Mühe gab. Beltane konnte die Richtung aufzeigen und sich so dabei einen Namen machen. Für sie war es Zeit, weiter zu kommen. Die Fähre war angekommen und brachte sie nach Belenos.

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 148.

Versagt

„Ich habe versagt.“

Diese Erkenntnis sickerte aus Flos Gehirn und troff den Rücken entlang wie kochendes Öl. Er wusste, dass er an seiner letzten Hausarbeit fast eine Woche an Zeit eingebüßt hatte, aber dass es so ernst war, sah er erst jetzt, beim Blick auf den Kalender. Er war bereits mindestens eine Woche weiter im Jahr, als er es in seinem Kopf geplant hatte und diese Woche würde sich bitterlich bemerkbar machen.

„Ich habe versagt. Ich kann das nicht realistisch schaffen.“

Hausarbeiten, Nachklausuren und eine Exkursion. Was konnte er davon streichen, ohne zu großen Schaden anzurichten? Er hatte gewusst, dass seine Planung ambitioniert gewesen war, aber er hatte sich unbedingt beweisen wollen, dass er dazu fähig war. Er wollte seine Defizite aufholen und in der Regelstudienzeit bleiben. Und jetzt das hier. Sein Körper reagierte mit einem kleinen Panikanfall. Herzrasen, Atemnot, kalter Schweiß, gelähmter Geist.

Das durfte nicht sein. Ihm würden Punkte fehlen. Er würde weitere Kurse belegen müssen. Er würde Zeit für seine Abschlussarbeiten verlieren und zurückfallen. Und auf einmal war alles wieder da, was er gehofft hatte, hinter sich zu haben. Die gleichen Gefühle wie vor etwas mehr als vier Jahren, als er in panischer Verzweiflung im Wohnungsflur gesessen hatte, unfähig sich koordiniert zu bewegen oder zu denken. Die Zeit, als er realisiert hatte, dass er sein altes Studium nicht beenden konnte und seine einzige Chance ein kompletter Neuanfang war. Die Momente, als sein gesamter Gedankenpalast ein lichterloh brennendes Holzboot zu sein schien, nachts auf einem Meer ohne sichtbare Küste. Würde er rechtzeitig abspringen können, oder würde es ihn mit in die Tiefe reißen?

Damals hatte er den Absprung geschafft. Er hatte den Neuanfang geschafft, als einer der ältesten bei Mia und Erik im Semester. Er hatte sich von seinem Rückschlag erholt, so hatte er geglaubt, und es war ihm überhaupt nicht schlimm vorgekommen. Er hatte sein Leben genossen und war zuversichtlich und entspannt gewesen. Wie genau hatte er das eigentlich gemacht? War ihm vielleicht einfach nur alles egal gewesen?

Jedenfalls war davon nicht viel übrig. Nicht jetzt und nicht hier. Stattdessen wünschte er sich entweder ein starkes Beruhigungsmittel, was vermutlich nicht legal frei erhältlich war, oder aber wenigstens eine Flasche Rum. Der Rum schied schon allein deswegen aus, weil er dann nicht mehr in der Lage sein würde, den morgigen Tag intensiv für die nächsten längst überfälligen Arbeitsschritte zu nutzen. Einen solchen Ausfall konnte er sich nicht wieder leisten. Aber er kannte sich gut genug. Der Ausfall war da und er würde nicht so einfach gehen. Die Zeiten, wo es ihm egal war, ob er ein oder zwei Semester länger brauchte, waren endgültig vorbei. Er durfte nicht mehr versagen, und doch …

Kristina würde ihn heute Abend auf dem Sofa sitzend vorfinden, die Kuscheldecke über den Kopf gezogen, manisch vor sich hin glotzend, mit blau unterlaufenen Augen ohne Ausdruck, dafür aber einem zusätzlichen Semester vor ihnen. Er traute sich kaum, die weitere Planung anzugehen. Zu groß war die Panik vor einem weiteren Schock oder Schlag ins Gesicht. So würde er vorerst nicht erfahren, dass er eigentlich nicht so weit zurück hing, wie er es befürchtete.

Schwarzes Moor

Momente XI

Ein Sonnenstrahl bricht durch die Blätter des Kirschbaumes, der bereits seit Monaten schon keine Früchte mehr trägt. Er bricht sich in den Staubkörnern, die in der stickigen Sommerluft schweben, und fällt schlussendlich genau in das Zentrum einer strahlenden Sonnenblumenblüte. Stumm und regungslos steht sie dort, wie auf Leinwand gebannt, und die einzige Bewegung rührt von der Hummel her, welche durch ihr Zentrum krabbelt. Ihr Gewicht reicht aus, um die große Blume ganz leicht in Schwingung zu versetzen, ihre Blütenblätter zum Zittern zu bringen. Die ganze Aufführung tanzt im Takt der Lieder, welche die Vögel in den Bäumen trällern. Eben noch schien es alles reglos zu sein, doch nimmt man sich etwas Zeit und Ruhe, regt sich das Stillleben. Die kleine Maus in der Bruchsteinmauer hat bis eben auch tatsächlich stillgehalten. Jetzt aber huscht sie nervös über den Rindenmulch Weg und verschwindet unter dem Schlehenbusch. Der Hase auf der großen Wiese oder die Bienen in ihrem Stock daneben zeigen sich davon unbeeindruckt. Besonders bei den Bienen fällt der Effekt des Stilllebens auf, denn es hat bis jetzt gedauert, um zu bemerken, dass viele der Staubkörner, welche so fidel in der stehenden Luft tanzen, eifrige Bienen sind, die ihre letzten Pollenernten des Jahres nach Hause bringen. Und bald werden die Sonnenstrahlen nicht mehr zwischen Blättern, sondern kahlen Zweigen tanzen. Nur die bauchigen Wolken bleiben bestehen und treiben gemächlich dahin.

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