Sie wird das „Venedig des Nordens“ genannt oder die „Perle der Ostsee“. Sankt Petersburg liegt an der Mündung der Newa und war unser erster Kontakt mit russischem Boden. Die Stadt hat vermutlich im Rahmen der hier mit ausgetragenen Fußball WM und ihres Gründungsjubiläums eine gründliche Überarbeitung erhalten. So wurde ein neues System von Stadtautobahnen angelegt und viele Gebäude im Stadtzentrum wurden generalüberholt und frisch saniert.

Eremitage, gesehen von der Klappbrücke aus. Man sieht den ein oder anderen Reisebus davor aber mir wurde versichert, aktuell sei quasi niemand da. Für einen Besuch darin war leider dennoch keine Zeit.
Man sieht der Stadt an, dass sie den Spagat zwischen alt und neu versucht. Das Leben soll auf die Straßen kommen, die Kanäle rufen nach Leben und doch wirkt die Stadt wie eine Puppe. Nichts hier scheint wirklich alt oder echt zu sein. Wenig verwunderlich, immerhin entstand die Planstadt erst 1703 auf Geheiß von Peter dem Großen. Sie ist übrigens nicht nach ihm selbst benannt, sondern nach seinem Namenspatron. Das muss man schon wissen, denn ansonsten ist es angesichts vieler Denkmäler sehr leicht zu verwechseln.

Festung Peter-und-Paul von der Newa aus gesehen. Es braucht schon sehr schlechtes Wetter, damit das goldene Dach nicht kräftig glitzert.
Besonders in der Altstadt konzentrieren sich mit beispielsweise der Admiralität, dem Winterpalast, der Eremitage und der Peter-und-Paul-Festung prunkvolle Gebäude, welche erst in den letzten Jahren aufwendig saniert wurden, teilweise auch noch saniert werden und absolut poliert aussehen. Wikipedia führt übrigens etwa 2.300 Paläste, Prunkbauten und Schlösser für die Stadt. Aber so sehr sich die Stadt auch bemühen mag, sie hat das Problem, was so viel Planstädte haben. Es wirkt einfach alles ziemlich konstruiert (was es ja eigentlich auch ist). Man geht an Gebäuden von Hunderten Metern Länge entlang, und ihre Fassaden verändern sich kaum. Es fehlt einfach das Organische, was einer Stadt den Eindruck verleiht, dass Menschen in ihr leben. Die überdimensionierten Zentralgebäude im Bereich der Sowjetstadt helfen hier nicht besonders.

Der Platz vor dem Winterpalast, eigentlich immer voller Leute. Abends sammelt sich regelmäßig eine Traube von jungen Menschen unter der Säule links und irgendeine Band macht Musik. Am Parkplatz am Rande ist derweil das Schaulaufen der Prolls mit ihren getunten Autos.
An den großen Alleen wie dem Nevsky Prospekt oder auch entlang vieler Kanäle wird das zugegebenermaßen etwas besser. Städtisch wirkt es hier auch dank des Verkehrschaos. Dabei herrscht nicht einmal viel Stillstand. Der Verkehr fließt durchaus, ob auf dem Bürgersteig oder davor. Eines gilt aber so oder so: Jeder will gesehen werden und das erreicht man am besten darüber, der Lauteste zu sein. Vielleicht verstehe ich das aber einfach falsch und es geht eigentlich darum, der Schnellste zu sein. Offiziell gilt die Höchstgeschwindigkeit 60 km/h. Umgesetzt wird etwas anderes.

Einer von zwei alten Leuchttürmen am ehemaligen Kai der Stadt. Heute werden sie nur noch zu Feiertagen entzündet… aber dies dann nachwievor mit Ölfeuern.
Ich würde übrigens grundsätzlich empfehlen, Strecken wenn möglich zu Fuß zurückzulegen. Das Metro Netz ist gut geeignet, um die einzelnen Stadtteile zu erreichen, aber für die Fläche dann vielleicht doch etwas dünn gesät. Außerdem muss man schon einiges an Geduld mitbringen, um überhaupt bis zum Zug zu kommen. Einige Stationen sind über 100 m tief, da verbringt man schon etliche Minuten nur auf der Rolltreppe hinunter. Dafür sind die Stationen aufwendig dekoriert und verziert. Barrierefreiheit ist hier übrigens kein Fokus. Rollstühle habe ich kaum gesehen und angesichts der vielen hohen Stufen und Treppen ist das kein Stück verwunderlich. Offenbar gibt es in Russland keine körperlich eingeschränkten Personen 😉

Ich habe vergessen welche Metrostation das hier ist, möglicherweise die Admiralität. An anderer Stelle sind eher Mosaike oder pompöse Kronleuchter vertreten.
Gegen Abend zeigt die Stadt dann eine andere Seite. Ob Wochenende oder nicht, an jeder Ecke steht jemand und macht Musik, wahlweise gibt es auch Tanzschulen, die ihr Angebot einfach auf einen der öffentlichen Plätze verlagert haben oder die Möglichkeit, in der Märchenkutsche durch die Stadt zu fahren. Als ihr Wahrzeichen versteht die Stadt aber wohl ihre Brücken.

Wem es gefällt, für den stehen verschiedenste Modelle an Kutschen für Stadtrundfahrten bereit. Ein Angebot, was offensichtlich sehr gut angenommen wird.
Jede Nacht werden die Klappbrücken geöffnet um die Schiffe hindurch zu lassen, die ansonsten nicht durch passen würden. Hell erleuchtet und zu pompöser Musik aus dem Lautsprecher klappen die Straßen hoch, Reisebus um Reisebus quetscht sich an die Uferpromenade und tausende Menschen sehen dabei zu, wie die Boote, welche auch tagsüber fleißig Touristenfahrten anbieten, durch die Lücken fahren. Diesmal halt nur nicht einzeln, sondern alle auf einmal.

Samstagabend am alten Hafenkai. Am Fuß der alten Leuchttürme finden öffentliche Veranstaltungen lokaler Tanzschulen statt. Falls jemand mitmachen möchte…
Sankt Petersburg ist eine Stadt mit Gesicht, aber man muss sich schon an den Anblick gewöhnen. Man hat den Eindruck, eine Puppe vor sich sitzen zu haben. Alt, lange Jahre schwer vernachlässigt worden, und jetzt in mühseliger Kleinarbeit wieder gewaschen, geflickt und überarbeitet. Dabei ist man vielleicht an der ein oder anderen Stelle über das Ziel hinaus geschossen, denn ihr Gesicht ist vielleicht etwas zu sauber. Klar, Augen, Nase und Mund sind vorhanden, aber es fehlen die Akzente, die sie wirklich lebendig machen. Die Sehenswürdigkeiten und „Traditionen“ wirken etwas infantil und unreif. Man hat eher den Eindruck durch einen Freizeitpark zu schlendern, als durch eine Stadt. Dennoch lassen sich die Menschen nicht davon abhalten, sie in ihre ganz eigenen Spiele einzubinden und sticken ihre eigenen kleinen Muster in das Puppenkleid. Es ist ein merkwürdiger Kontrast, der dabei entsteht, aber wenn man sich auf das Bild einlässt, kann es durchaus gefallen.