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Hörsaalgetuschel – Ausgabe 117.

Die Badezimmerchroniken Teil 10

Zwei volle Wochen war es her, dass Erik und Mia ihre sieben Sachen gegriffen hatten, und ihre heimischen vier Wände temporär verlassen hatten, um vor Staub und Baulärm zu fliehen. Seitdem wohnten sie in Flos Schuhkarton im Wohnheim und kamen abseits der Uni nur gelegentlich in der Wohnung vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Zwei Wochen, in denen sie von Tag zu Tag kaum Fortschritt erkennen konnten. Wenigstens die Wochenenden konnten sie bei den Familien verbringen.

An diesem Sonntag saßen sie bei Eriks Familie im Wohnzimmer auf dem Sofa. Eigentlich hatten sie beide fleißig sein wollen und ihre Laptops auf dem Schoß aufgeklappt. Dann aber war das Fernsehprogramm zu verlockend gewesen und beide Augenpaare klebten seitdem am falschen Bildschirm. Für den Moment mochte das gut gehen, doch irgendwann würden zweifelsohne die Schuldgefühle kommen. Ein Student hat schließlich keine Freizeit, das Studium selbst muss entspannend genug sein. Für alles Weitere gibt es die Semesterferien.

Erik zuckte irritiert, als sich der Vibrationsalarm seines Telefons in der Hosentasche meldete. In mehrfacher Hinsicht war dies eine ungewohnte Situation. Die meisten Leute versuchten ihn lieber über E-Mail zu erreichen, für alles Weitere gab es den Chat oder auch sein Festnetztelefon. Aber einen Anruf auf sein Handy, und das auch noch an einem Sonntag Nachmittag, von einer unbekannten Nummer, er war skeptisch. Kurz spielte er mit dem Gedanken, einfach Mia das Telefon in die Hand zu drücken, ging dann aber doch selbst dran.

Etwas überrascht stellte er fest, dass sich die Vermieterin hinter der unbekannten Nummer verbarg. Sie sei gerade in der Wohnung und wischte mal eben durch, nur das Gröbste an Dreck. Außerdem habe sie nun das Spiegelschränkchen entsorgt, welches wieder ins Bad zurück hätte kommen sollen. Die Handwerker hatten wohl versehentlich die Türen zerbrochen und damit war es ja nun unbrauchbar. Sie würde sich da jetzt etwas anderes ausdenken.

Mia warf ihm einen vielsagenden Blick zu. Sie konnte zwar nicht hören, worum es genau ging, aber sie hatte die Stimme mit ihrem Redeschwall erkannt, sowie auch Eriks verblüfften Gesichtsausdruck und Sprachlosigkeit.

Unbeirrt vom Schweigen am anderen Ende der Leitung führ die Vermieterin fort. Sie habe ein so schrecklich schlechtes Gewissen, dass es nun doch alles so viel länger dauern würde. Statt der einen Woche waren jetzt ja schon mehr als zwei rum und es lag noch nicht einmal der neue Estrich, aber die Fliesen standen bereits im Flur. Jetzt wolle sie wenigstens einmal kurz durchputzen, damit es nicht zu dreckig wurde. Der ganze Staub sei ja so entsetzlich, überall würde der sich niederlassen. Durfte sie dafür in die Zimmer, oder war ihnen das nicht so recht? Sie würde auch das Bettzeug abziehen und daheim einmal durchwaschen. Das war ja schließlich nun auch alles eingestaubt.

Das war der Punkt, an dem Erik dann doch seine Sprache wieder fand. So nett es auch gemeint war, aber das war wirklich nicht notwendig. Es wäre kein Aufwand für ihn, das alles selbst einmal zu waschen. Außerdem ging es ihm persönlich einfach viel zu weit, wenn seine Vermieterin das Liebesnest von Mia und ihm durchwühlte. Aber das sprach er dann schon wieder nicht aus. Die Vermieterin war in überschwängliche Dankesbekundungen übergegangen, dass die beiden so viel Geduld aufbringen konnten. Es würde auch jetzt sicherlich nicht mehr so viel gemacht werden müssen.

Inzwischen galt Mias ganze Aufmerksamkeit nicht mehr dem Fernseher, sondern ihm. Kaum hatte er aufgelegt, regte sich ihr Unmut. Auch wenn er selbst in seiner stoischen Gelassenheit noch etwas Geduld aufbrachte, sie hatte langsam aber sicher mehr als genug davon. Und das die Vermieter nun noch abseits der Bautätigkeit in der Wohnung hantierten, behagte ihr auch absolut nicht. Nicht, dass sie etwas offen herumliegen hatte, wofür sie sich schämen musste, aber es war ihr einfach doch zu privat. Noch eine Woche war zugesagt, also würde es nicht unter zwei klappen. Aber wenigstens war ein Ende absehbar. Trotzdem, ihre Geduld war einfach am Ende.

„Wieso bleiben wir nicht einfach hier oder fahren weg oder irgendwas? Mir egal, solange wir nicht zurück dahin müssen, bis die fertig sind. Ich will das Elend einfach nicht mehr sehen.“

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2016 auf meiner Lesestunde

Jahresrückblick 2016

Einige andere Blogs haben ihn bereits vermisst: Den Jahresrückblick der WordPress Wichtel, die einmal die Statistiken durchforstet haben. Auch ich habe dieses Jahr leider keinen bekommen, aber einen kleinen Einblick möchte ich dann doch bieten. Hier also, exklusiv und brandaktuell, nur für Euch, einige Zahlen aus dem Jahr 2016 auf des Grafen Lesestunde!

753 Besucher haben im letzten Jahr 2.001 Aufrufe auf meinem Blog getätigt, bei 95 Beiträgen. Für einen kleinen Blog wie meinen ist das eine beachtliche Entwicklung, 2015 waren es noch 133 Besucher mit 305 Aufrufen. Mit den Besuchern kamen die leuchtenden Sternchen, anstelle von 5 im Vorjahr gab es dieses Mal 724. Euch gefällt offenbar, was ich euch zum Lesen gebe, und das ist ja schließlich mein Ziel. Mit 175 Kommentaren tut Ihr auch gleichzeitig Eure Meinung kund und was soll ich sagen? Ich habe mich über jeden einzelnen Kommentar sehr gefreut, sie waren ausnahmslos positiv oder völlig angebrachte und sinnvolle Kritik. Das habe ich bei anderen Blogs auch schon deutlich anders gesehen. Im letzten Jahresbericht existierte noch die Kategorie „Attraktionen in 2015“, wo Kommentare nach Kategorien sortiert sein wollten. Da ich damals keinen Kommentar hatte, war das vergleichsweise witzlos, dieses Jahr wäre das eventuell sogar spannend gewesen. Schade, dass da nichts kam. Ich finde jedenfalls nichts dazu.

Der Jahresbericht der Wichtel beinhaltete auch noch Informationen über die von mir hochgeladenen Bilder, darüber kann ich aber spontan keine Zusammenfassung finden. Was ich aber noch verraten kann, ist der bisherige Rekordhalter bei Aufrufzahlen: Der 17. August hat mit sagenhaften 98 Aufrufen eine Messlatte gelegt, die einen üblichen guten Tag um gut das Zehnfache übersteigt.

Postingverhalten

Wie schon im Vorjahr bleibt dieser Punkt recht langweilig. Ich habe weiterhin versucht, Hörsaalgetuschel zuverlässig jeden Sonntag zu veröffentlichen. Die Uhrzeit ist dabei allerdings etwas unter den Tisch gefallen. Zusätzlich ist bereits im März der Slot am Mittwoch Nachmittag hinzu gekommen. Hier wollte ich alles veröffentlichen, was abseits der Serie Hörsaalgetuschel steht. Gedanken, Meinungen, Reiseberichte, Buchkritiken, Experimentberichte oder Kurzgeschichten, die ich gerne mit Euch teilen wollte. Teilweise waren sie sogar erfolgreicher als Hörsaalgetuschel (wenigstens häufiger geklickt).

Im September findet sich in der Liste leider eine Lücke, wo ich es nicht rechtzeitig geschafft habe, meinen Beitrag zu schreiben und tatsächlich Ausfälle in der Liste stehen habe. Es war eine stressige Zeit.

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Eine nicht ganz vollständige Übersicht über meine Posts.

Wie haben sie mich gefunden?

Der WordPress Reader führt ganz klar das Feld an. An zweiter Stelle und mit einem Zehntel der Quote kommen die Suchmaschinen. Danach folgt eine lange Liste von ehrenhaften Blogs, die mich gelesen haben, die ich auch lese und die ggf. sogar ab und an auf mich verlinkt haben. Die Suchbegriffe, welche zu mir geführt haben, sind der Name meines Blogs, eine falsch geschriebene Version dieses Namens und auch einmal „Petrischalen gratis bestellen“. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Treffer auf mein Pilzexperiment im Sommer zurück ging.

Woher kamen sie?

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Top 10

Es ist und bleibt wohl meine Lieblingskategorie. Nicht nur, weil es eine schöne Weltkarte gibt, sondern auch, weil ich dem ein oder anderen Leser auf seiner Reise um die Welt folgen kann. Ich unterstelle jedenfalls einen gewissen Zusammenhang, wenn ich traumhafte Bilderstrecken von den Kanalinseln ansehen darf und gleichzeitig das verschlafene Guernsey in der Statistik auftaucht. Oder wenn ich Reiseberichte aus New York lesen darf, die immer kurz vor Aufrufen aus den USA erscheinen. Spanien, Italien und die Niederlande sind dann zu den Ferienzeiten hinzu gekommen, um nur einige Beispiele zu nenne.

Im Vergleich zu den 6 Ländern in 2015 ist die Liste aber auch einiges bunter geworden. Ganze 20 Nationen werden aufgeführt! Ich hoffe, ich habe nicht zu viele Leser damit verschreckt, dass ich nun einmal auf Deutsch und nicht auf Englisch schreibe. Es fasziniert mich aber absolut, wer alles vorbei sieht und sogar noch einmal wieder kommt.

Vielen Dank!

Soviel jetzt zu meiner Blogstatistik. Wir sind im vergangenen Jahr etliche mehr geworden, immerhin 48 Follower habe ich. Da werde ich fast größenwahnsinnig und träume von 60 Lesern am Ende von 2017. Bedauerlich aber, dass die Jahresrückblicke der WordPresswichtel abgeschafft wurden. Gerade jetzt, wo ich Euch nicht nur theoretisch sondern auch ganz praktisch mit Geschichten erfreue, wäre da vielleicht das ein oder andere Spannende dabei gewesen.

Dir, liebem Leser / lieber Leserin, wünsche ich jedenfalls einen tollen Start in das neue Jahr und viel Glück und Erfolg. Alles Gute!

„Bleiben Sie uns Treu, empfehlen Sie uns weiter, und bis zum nächsten mal. Tschüss!“

Winter Book Tag

Winterabende eignen sich doch hervorragend, um sich mit einer Kuscheldecke und einem guten Buch vor den Kamin zu setzen. Leider habe ich weder Kuscheldecke noch Kamin, dafür aber von der guten Michaela einen „Winter Book Tag“ bekommen. Das war mir zwar bisher absolut überhaupt kein Begriff aber gut, es sieht wohl so aus, als gibt es einige Fragen, die ich beantworten darf. Winterliche Fragen zu Büchern. Wenn das so ist, auf sie mit Gebrüll!

Snow: It is beautiful when it first falls, but then it starts to melt. A book/book series that you loved at the beginning, but then, at the middle of it, you realized you don’t like it any longer.

Ehrlich eine schwierige Frage. Eine Serie, die mir am Anfang noch gefallen hat und später nicht mehr? Die erste Idee, die mir hier gekommen ist, wird auf viel Unverständnis stoßen: Harry Potter. Die ersten Teile habe ich mit viel Freude gelesen, dann kam Teil Vier und mit ihm der große Hype. Und ich bin in ein Alter gekommen, in dem sich einiges entwickelt. Mein Interesse ist einfach eher in Richtung Science Fiction gewandert und für den letzten Band von Harry Potter war einfach nicht mehr die Zeit übrig. Vielleicht spielt auch dazu, dass der vorletzte Teil keinen all zu bleibenden Eindruck mehr hinterlassen hat. Aber „don‘t like it any longer“ wäre irgendwie der falsche Eindruck. Genau so würde ich auch nicht sagen, dass ich die Metro Reihe nicht mehr mag. Es ist nur einfach etwas der Schwung raus.

Snowflake: Something beautiful and always different. Choose a book that stands out, that is different from all the other books you’ve read.

Bei dieser Frage möchte ich auf meine erste Buchkritik verweisen, die ich jemals geschrieben habe und welche auch einer der allerersten Einträge auf diesem Blog darstellt. Die Letzten ihrer Art, ein Buch zum Thema Artenschutz. Und obwohl die Thematik reichlich schwer ist, habe ich beim Lesen regelmäßig albern durch den Bus gekichert.
Und weil ich mich nie für etwas entscheiden kann gibt es hier den Bonus: Die Edda. Eines der Bücher, die tatsächlich einen merklichen Einfluss auf mich hatten.

Snowman: It is always fun to make one with your family. Choose a book that your whole family could read.

Das Familienbuch. Spontan würde ich sagen, das ist unmöglich und es existiert nicht. Möglicherweise… könnte Per Anhalter durch die Galaxis einen Kompromiss darstellen.

Christmas: Choose a book that is full of happiness, that made you warm inside after reading it.

Erster Gedanke: Ronja Räubertochter. Aber vielleicht sind die Kinder aus Bullerbü ja doch zutreffender. Ansonsten bin ich nicht so überragend belesen in Gutelaunebüchern.

Santa Claus: He brings wonderful presents. Choose a book that you’d like to get for Christmas.

Es gibt so einige Größen, besonders aus dem SciFi, die ich noch gerne lesen möchte. Ein wirklich wundervolles Geschenk wäre es aber wohl, wenn es mein eigenes Buch wäre, welches ich in die Hände bekomme. Jetzt muss ich es wohl nur noch schreiben…

Snow bowling: It can be painful to be hit by a snowball. Choose a book that hurt, that made you feel some strong emotion, like sadness, or anger.

Urgs. Schullektüren haben in der Regel extreme Langeweile und Desinteresse verursacht. Ansonsten kann ich auf zwei Fragen weiter unten verweisen, „Mit meinen Augen“, was eine massive Enttäuschung war, und natürlich auf das schon vielfach aufgeführte „Die Letzten ihrer Art“, was mir mit seinem Humor und Herzblut absolut ans Herz gewachsen ist.

Sledding: We all loved it when we were younger. Choose a book that you loved when you were a child.

Astrid Lindgren Bücher. Ronja Räubertochter, Michel, Bullerbü, Ferien auf Saltkrokan… Ich hoffe, ihr kennt die Liste.

Frostbite: Choose a book that you were really disappointed in.

Ich glaube es hieß „Mit meinen Augen“ oder so. Für 50 Cent auf einem Bücherflohmarkt gefunden und völlig frei von Erwartungen in irgend einer Form, hat es mich dennoch enttäuscht. Die 50 Cent waren es einfach nicht wert und das ist schon echt bitter. Besonders noch, weil ich wirklich keinerlei Erwartungen an das Buch gestellt habe.

Reindeer: Something that is dear to us. Choose a book that is of great sentimental value to you.

Es wird langweilig und ich wiederhole mich. Die letzten ihrer Art. Das Herzensprojekt von Douglas Adams. Punkt. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Das war der Fragenkatalog mit seinen acht winterlichen Fragen. Ich vermisse den Sommer trotzdem. Wie es bei Tagging Aktionen üblich ist, soll ich jetzt weitere Blogger taggen, die ebenfalls auf diese Fragen antworten dürfen. Und da ich mich doch nie für jemanden entscheiden kann, bleibe ich bei der langweiligen Variante und tagge einfach alle, die gerne mitmachen möchten. Viel Spaß schon einmal 🙂

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Was lange währt wird endlich.

Lange war Ruhe hier. Das reale Leben, außerhalb des Internets, hat kräftig Tribut gefordert und hat Schlösser aufgebaut und eingerissen. Es war sehr viel los und darunter hat der Blog arg gelitten.

Besonders das Hörsaalgetuschel hat etliche Aussetzer hinnehmen müssen. Und das, obwohl es mein erklärtes Ziel war, regelmäßig und ohne Verspätungen zu schreiben. Ich war selbst nicht glücklich damit, aber ab und an muss man seine Prioritäten einfach sortieren und da dies hier immer noch ein Hobbyprojekt ist gab es Dinge, die einfach wichtiger waren. Umso bitterer, da die Serie vor wenigen Tagen ihren zweiten Geburtstag feiern konnte. Am 6.10.2014 erschien Hörsaalgetuschel – Ausgabe 1.

Mit Ausgabe 100 meldet sich die Serie nun wieder zurück. Auch wenn die Statistik des Blogs massive Aufrufeinbrüche verzeichnet, werden doch immer noch einige treue Seelen registriert, welche mich hier besuchen kommen, in der Hoffnung auf Neues (so jedenfalls meine zaghafte Hoffnung 😉 Ich schreibe nicht zuletzt, um meinen Lesern eine Freude zu machen). Ich hoffe, dass Ihr Verständnis für die Pause aufbringen könnt und Euch die neuen Folgen gut gefallen. Ich hoffe, dass ich ab nun wieder zuverlässiger meinen Sonntagstermin einhalten kann.

„Bleiben Sie uns treu, empfehlen Sie uns weiter. Bis zum nächsten mal, tschüss.“

Euer Graf.

Hunger – Teil 1.

Heute einmal kein GratisGedanke, Momente oder Sonstiges sondern eine kleine Geschichte, die ich vor einer ganzen Weile geschrieben habe und hier mit Euch teilen möchte. Auch wenn sie hier und da kleine Fehler aufweist oder gelegentlich unsauber geschrieben ist, ich mag sie irgendwie. Deswegen gibt es hier jetzt die unbearbeitete Originalfassung. Viel Spaß damit!

Hunger

Das schrille Kreischen des Weckers riss sie viel zu früh aus einem traumlosen Schlaf. Ihre Kabine war abgekühlt und sie fror unter der dünnen Bettdecke. An Morgenden wie diesem vermisste sie ihre dicke Daunendecke, die sie hatte zurücklassen müssen. Mit diesem dünnen Lappen Stoff machte es einfach keinen Spaß, sich noch einmal um zu drehen und sich ein zu wickeln. Er würde sie auch nicht weiter aufwärmen.

Widerwillig kroch sie aus dem Bett, wühlte sich mit dem Arm die zerzauste Haarpracht aus dem Gesicht und griff nach dem Zopfgummi auf dem Nachttisch bevor sie in die Nasszelle schlich. Das heiße Wasser wusch den klebrigen Schweiß der Nacht von Marissas Körper. Sie spürte förmlich, wie der Schlaf aus ihren Augen gewaschen wurde und ihre Haut sich straffte. Vom Wasser voll gesogen flossen ihre blonden Locken wie ein quirliger Wasserfall über ihren Oberkörper. Dicke Dampfschwaden waberten durch den Raum, schlugen sich als glitzernder Tau auf den glatten Wänden nieder. Lediglich der Spiegel blieb klar. Aus ihm blickte ihr eine gerade einmal dreißig jährige, schlanke Frau entgegen. Sie war hoch gewachsen und sehr sportlich. Ihre Arme und Beine waren durch tägliche, schwere Arbeit gestählt, genau wie ihre Schultern und der Rücken. Trotzdem war sie sehr schmal und bewegte sich elegant, fließend.

Gähnend und ihre Augen reibend stieg sie aus der Dusche. Ihre Haare, frisch befreit vom Gewicht des nach fließenden Wassers, zogen sich sofort hoch und bildeten eine wilde Mähne. Marissa blickte kurz auf ihr Spiegelbild, legte den Kopf schief und schüttelte den Kopf, dass die Tropfen bis zur Decke flogen. Heute hatte sie keine Zeit für einen ausgedehnten Kampf mit dieser Lockenpracht. Sie griff nach dem Zopfgummi und band sich eine straffe Knotenfrisur. Für heute musste das genügen. Die Klimaanlage gab sich Mühe, die verbliebenen Tropfen von ihrem Körper zu pusten, sie half mit einem Handtuch nur noch etwas nach.

Mit routinierten Bewegungen trug sie die spärliche Morgenkosmetik auf. Deodorant, ein dunkler Lidstrich und etwas Wimperntusche. Nicht zu viel, lediglich genug um ihre Augen dezent zu betonen. Den größten Teil hatte die Natur schon erledigt indem sie ihr ein hübsches Gesicht mit vollen, rosigen Lippen, Stupsnase und feinen Sommersprossen verliehen hatte. Marissa selbst empfand sich nicht als besonders hübsch, konnte aber ganz gut mit sich leben.

Wenig später verließ sie ihr Schlafzimmer, gekleidet in eine schlichte, eng anliegende, schwarze Uniformhose, einem Nuss-braunen Top und schwarzem Nadelstreifen Blaser. An der Küchenzeile nahm sie ihre Tasse heißen Tees in Empfang, gemeinsam mit einem belegten Brötchen von gestern Abend. Auf dem Beistelltisch neben der Kabinentür lagen einige Displays. Sie blätterte die Folien flüchtig durch, warf einen Blick auf die an die Wand projizierte Tageszeitung und stellte erschrocken fest, dass sie spät dran war. Die Tasse und das Brötchen noch in der Hand verließ sie ihre Kabine.

Verträumt auf dem Brötchen kauend ging sie den schlichten Flur entlang bis sie auf der zweiten Ebene der Allee auskam. Die Allee war ein breiter, drei Etagen hoher Korridor, der den Rumpf des Schiffs einmal der Länge nach durchzog. Die untere Ebene war abschnittsweise für kleine Geschäfte, Bars und Restaurants reserviert. Hier fand das gesellschaftliche Leben des Schiffes statt, zu jeder Tageszeit. In der zweiten und dritten Ebene verbreiterte sich die Allee jeweils um einen Balkon auf jeder Seite. Dahinter lagen Büroräume und die Zugänge zu diversen Wohnkorridoren. Die Treppen, Brücken und Balkone der Allee waren die Laufstege dieser kleinen Welt. Hier ging hin wer sehen oder gesehen werden wollte. Wer nicht gleich gesehen werden wollte, versteckte sich lieber im Park. Als Park bezeichneten die Leute die verteilten Bäume, Pflanzenkübel und kleine Grasflächen, die der Allee eine grüne Note gaben.

Marissas Weg führte vorbei an dieser Oase, hin zu einer anderen. Einige Etagen unter dem hinteren Ende der Allee waren die hydroponischen Gärten des Schiffs verborgen. Hier wuchsen 75% der Nahrungsmittel, die an Bord gegessen wurden. Die restlichen 25% entstammten den Aquakulturen in den Tanks der Abwasseraufbereitungsanlage. Eine Tatsache, die von der Verwaltung und den beteiligten Arbeitern bestens geheim gehalten wurde. Um so imposanter leuchteten für Marissa die hydroponischen Gärten selbst. In schier endlosen Regalreihen reiften hier Tag für Tag Obst, Gemüse und Getreide auf künstlichem, wässrigen Nährboden heran. Andere Nutzpflanzen, wie zum Beispiel Hanf oder Flachs, hatten ihren eigenen Garten, im Bug des Schiffs. Er war nicht annähernd so groß wie dieser, aber er erfüllte seinen Zweck.

Sie schritt die Regale ab. Das Brötchen hatte sie aufgegessen und die Tasse gegen eine Registerliste ausgetauscht. Skeptische Falten legten sich auf ihre Stirn. Sie würde eine neue Untersuchung der Nährlösung anordnen, schon wieder. Die letzten sieben Tage hatte sie nun schon die Mischung variiert aber die Produktivität der Gärten sank seit Wochen stetig. Irgend etwas stimmte nicht. Sie konnte weder Schädlingsbefall noch Krankheiten entdecken, nur die Früchte wuchsen kaum noch.

Um den Bedarf des Tages decken zu können, würden sie erneut auf die Kühlreserven zurück greifen müssen. Besorgt blickte sie auf die Inventur. Das Lager war selten wirklich voll gewesen, so leer wie in den letzten Tagen war es aber seit dem Start nicht gewesen. Zum ersten mal in ihrem Leben an Bord, erinnerte sie sich an einer Art Schiffslegende. Auf dem Ausleger am Rücken des Schiffs, in den aufgesetzten Frachtcontainern, lagerten angeblich militärische Notrationen für den Ernstfall. Sie lagen in den ganzen dreißig Jahren der Reise tief gefroren und ohne Atmosphäre, nur dem Klima des Weltalls ausgeliefert. Was da dran war wusste sie nicht. Niemand an Bord wusste so genau, was sich in den Containern befand. Sie waren für die Zeit nach der Landung bestimmt und nicht für die Reise.

Dreißig Jahre. Die ganze Zeit über hatten sie es ohne Rationierung und Notreserven geschafft. Jetzt, so kurz vor ihrem Ziel, sollten sie sich diese Statistik verderben? Nicht wenn sie es verhindern konnte, und wenn sie die Analyse der Nährlösung persönlich vor nahm. In einem halben Jahr würden sie ihr Zielsystem erreicht haben, in einem Jahr (wenn alles planmäßig verlief) wollten sie die Landung einleiten. Danach könnten sie Äcker außerhalb der Kolonie anlegen um die Versorgung auf zu stocken. So lange mussten sie noch durchhalten. Nur noch einen so ewig währenden Augenblick.

Sie schloss die Augen und seufzte. Was auch immer mit der Nährlösung nicht stimmte, sie würde überprüfen müssen, ob dort an der Außenhülle tatsächlich Container voller Notrationen hingen. Und selbst wenn, war nicht gesagt, dass sie die Jahre der galaktischen Kälte unbeschadet überstanden hatten. Welch ein grandioser Start in den Tag. Sie rieb sich die Augen, fühlte sich ausgelaugt und verbraucht. Sie rieb erneut über ihre Augen, welche nervös juckten, aber es schien nichts helfen zu wollen.

Fortsetzung folgt…

Planeten

Liebster Award: Kettenbrief 2.0?

Liebster Award

Man lernt bekanntlich nie aus und weil das so ist und lernen Spaß macht gibt es heute für mich eine Lektion, die mich ganz besonders freut. Die liebe Luna von LunaUmbra ist nämlich der Ansicht, dass ich gute Sachen schreibe und einen lesenswerten Blog habe. Jedenfalls hat sie mich für den „Liebster Award“ nominiert, von dem ich bislang noch nichts wusste. Und das nach fast 80 Ausgaben Hörsaalgetuschel, die ich hier veröffentlicht habe. Ich freu mich jedenfalls sehr und fühle mich mächtig geehrt, so beworben zu werden.

Und was ist besagter „Liebster Award“ jetzt? Luna beschreibt das hier wiefolgt:

„Der Award dient dazu neue Blogs zu entdecken und bekannter zu machen. Hierfür nominiert ein Blogger eine bestimmte Anzahl an Blogs die er interessant findet und stellt ein paar persönliche Fragen, welche dann beantwortet werden.

Es gibt dafür auch verschiedene Regeln. Ich halte mich da ganz einfach an die Regeln die Nina festgelegt hat:

  • Danke der Person, die Dich für den Liebster Award nominiert hat und verlinke den Blog dieser Person in Deinem Beitrag
  • Beantworte die 11 Fragen, welche Dir der Blogger, der Dich nominiert hat, stellt.
  • Nominiere 5 bis 10 weitere Blogger mit bisher weniger als 300 Followern für den Liebster Award.
  • Stelle eine neue Liste mit 11 Fragen für Deine nominierten Blogger zusammen.
  • Schreibe diese Regeln in Deinen Artikel zum Liebster Award, damit die Nominierten wissen, was Sie tun müssen.
  • Informiere Deine nominierten Blogger über die Nominierung und Deinen Artikel“

Da ist es auch nicht besser weiß, bleibe ich doch einfach bei diesen Regeln. Ich habe sogar unter den von mir abonnierten Blogs einige unter 300 Followern, die ich gerne lese und damit nominieren kann. Aber dazu kommen wir später.

Zunächst, vielen Dank an Luna für die Nominierung. Ich freue mich wirklich sehr, dass Dir mein Blog so gut gefällt. Sie stellt mir (und ihren anderen Nominierungen) folgende Fragen:

  1. Wie bist du/seid ihr zum Bloggen gekommen?
    Gute Frage… Ich glaube es war einfach deswegen, weil ich nicht mehr ausschließlich für mich schreiben wollte. Ich schreibe schon seit vielen Jahren als Hobby aber immer wieder sehr unregelmäßig und auch leider nicht so gut, wie ich gerne würde. Ich habe zum Beispiel ein Buch geschrieben, welches in seiner aktuellen Form nur regelrecht grausam ist. Ich habe beim Schreiben einige Fehler gemacht und mit vorgenommen, diese beim nächsten zu vermeiden. Dafür wollte ich vorher etwas üben, auch deswegen, weil ich mich laufend in Sackgassen schreibe. Also habe ich zunächst einige Kurzgeschichten geschrieben und festgestellt, ich schreibe immer noch zu sporadisch und am schlechtesten bin ich darin, Charaktere zu bilden. Genau deswegen ist Hörsaalgetuschel entstanden. Und einige Ausgaben später ist dieser Blog entstanden, damit jemand die Möglichkeit hat, die Ausgaben auch zu lesen und mir ggf. auch eine Rückmeldung geben kann.
  2. Womit hattest du/hattet ihr am Anfang Schwierigkeiten?
    Das Offensichtliche wäre das Layout und die Designs, glaub ich. Verglichen mit Anderen ist mein Blog ja geradezu stümperhaft schnöde und spartanisch. Oh, und Leserschaft finden 🙂 Ich habe Anfang Januar einen Jahresbericht von WordPress bekommen und auch hier gepostet. Ihr könnt ja gerne mal die Aufrufzahlen mit euren eigenen vergleichen 😉
  3. Was motiviert dich/euch?
    Der Klassiker? Feedback. Also, nicht so sehr zum Schreiben an sich, sondern zum Posten hier. Geschrieben habe ich ja auch so schon immer irgendwie. Es macht halt aber doch mehr Spaß, wenn es auch jemand liest. Nur auf das Schreiben könnte ich so oder so nicht verzichten, dafür erzähle ich einfach viel zu gerne Geschichten. Ich hoffe nur, hier ist wenigstens ab und zu auch mal wirklich Gutes dabei.
  4. Was ist deine/eure Lieblingsjahreszeit und warum?
    Später Frühling oder früher Sommer. Es ist endlich nicht mehr kalt und alles steht voll in Blüte. Die Welt wirkt einfach so bunt und lebendig dann. Alternativ nehme ich auch gerne den Sommer. Dann aber auch bitte einen richtigen, mit Bums und Hitze. Unter 35°C kann der mal schön zuhause bleiben. Ich brauche einfach die Hitze, das ist wie Akkus laden.
  5. Was ist deine/eure größte Stärke?
    Keine Ahnung. Habe ich eine? Ich kann glaub ich gut pünktlich sein… und ich bilde mir gerne ein, sehr zuverlässig zu sein. Zählt das überhaupt als Stärke? Bitte Frage präzisieren 😉
  6. Was ist deine/eure größte Schwäche?
    Das bleibt mal schön mein Geheimnis! Soweit kommt es ja noch… 😉
  7. Was ist deine/eure größte Leidenschaft?
    Ein Etwas, was mich wirklich leidenschaftlich werden lässt? Jetzt bräuchte ich wohl einen Lebenstraum oder so… Ich sage Musik. Gute Musik kann leicht sehr starke Emotionen auslösen. Ansonsten Roboter? Nein, eher wohl Roboterethik. Ich zweifel halt nicht daran, dass Roboter die besseren Menschen sein können, so brutal das auch klingen mag.
  8. Was machst du/ihr an einem komplett freien Tag?
    Nicht wissen, was mit mir anzufangen ist. So richtig frei? Garnichts, was erledigt werden muss oder vorbereitet oder nacharbeitet oder vor mir her zu schieben? Vermutlich echt etwas dumm aus der Wäsche sehen und nicht weiter wissen. Oder aber es gibt Internet, in dem Fall verschwende ich die Zeit wohl einfach. Es sei denn ich finde die Ruhe zum Spielen. So aus dieser Perspektive wirkt mein Leben gerade irgendwie was… traurig.
  9. Wenn du/ihr einen Wunsch frei hättest, war wäre das?
    Habe ich nicht unendlich viele frei und es erfüllt sie mir nur niemand? Nein, schwierig. Vermutlich könnte ich mich nicht entscheiden und würde ihn dann überhaupt nicht verwenden. Oder ich würde mich für das ultimative Wissen entscheiden. Oder doch lieber Superkräfte? Unendlich Geld wäre zu klassisch. Besondere Fähigkeiten? Eine Reise zum Mond/Mars/einer neuen Erde? Meine eigene Stadt nach meinen Wünschen und Vorstellungen? Ein bisschen Größenwahn schadet nie.
  10. Was ist dein/eurer Lieblingsgericht?
    Das Amtsgericht, ahaaahahahabenwirjetztabermalNICHTgelacht. Abhängig von Laune, Jahreszeit, Wetter, Zeit, relativer Mondfeuchte…
    Ich kann ja ein paar Beispiele nennen. Zum Beispiel Scheiterhaufen, ein Quark-Mehlgericht? Ich kann es schwer beschreiben aber es ist super, wenn auch etwas aufwändig in der Zubereitung. Pfannekuchen/Eierkuchen/Plinsen, jede Region hat ihren eigenen Namen dafür, für mich sind es Pfannekuchen. Wenn es mal nicht süß sein soll, wie wäre es mit einer bunten Gemüsepfanne? Kartoffelpüree mit Muskat natürlich, z.B. mit Rotkohl und Bratwürstchen, Letzteres ist natürlich optional.
  11. Was magst du/mögt ihr gar nicht?
    Früh aufstehen, verschwendetes Essen, Kälte/frieren, blinde Ignoranz, Schlager, Stress…

So, damit ist dieser Punkt hoffentlich zu eurer Zufriedenheit beantwortet. Hast Du noch eine Frage übrig? Ansonsten ist nun dieses legendäre „Später“ erreicht und es kommt zu meinen Nominierungen. Ich hoffe, es ist ihnen allen recht so. Luna, du fällst raus. Das wäre doch irgendwie albern.

Ein buntes Sammelsurium, bei dem für fast jeden etwas dabei sein dürfte. Werte Nominierte, falls Ihr Euch nicht an dieser Aktion, die ja doch sehr den alten Kettenbriefen ähnelt, beteiligen möchtet, dann nehme ich euch das in keinster weise übel. Aber ich habe mich jedenfalls über diese kleine Geste gefreut. Falls Ihr aber doch mitmachen möchtet, gibt es hier Eure elf Fragen.

  1. Was macht Musik mit Dir und was ist für Dich gute Musik?
  2. Was willst Du gerne richtig gut können? Als Bonus werden Superkräfte als Möglichkeit mit eingeschlossen.
  3. Dein Lieblingsort auf diesem Planeten und deine bevorzugte Begleitung dort?
  4. Verbringst Du zuviel Zeit am Bildschirm?
  5. Dein Lieblings-Buchgenre? Und wie kam es dazu?
  6. Welcher Deiner Neujahrsvorsätze hat am längsten überlebt und wie lange war das?
  7. Wohin und auf welche Weise soll die nächste Reise gehen?
  8. Dein ausgefallenstes Reiseziel? In der Vergangenheit und/oder Zukunft, alles ist möglich.
  9. Wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gehen würde, was würdest Du tun / welchen Beruf würdest Du ausüben?
  10. In welchem Zustand befindet sich Dein Schreibtisch?
  11. Finale! Hast Du einen Lebenstraum? Und magst Du ihn mit uns teilen?

Viel Spaß!

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 74

Mindeshaltbarkeitsdaten

Es war ein langer Tag in der Uni gewesen. Dämmerung legte sich bereits über das Land und eine niedrig stehende Sonne würde lange Schatten werfen, wenn sie nicht hinter dicken und düsteren Wolken verborgen wäre. Ein kalter Wind zerrte an den sich verfärbenden Blättern und bereits kahlen Ästen. Die Luft roch schwer nach Regen, der wahrscheinlich noch später am Abend einsetzen würde.

Flo stapfte mit hängenden Schultern durch angewehte Haufen von Blättern und umherfliegendem Müll. Eine alte Zeitung versuchte sich gerade um seine Beine zu wickeln, als er die Straße überqueren wollte. An der nächsten Häuserecke erzeugte der raue Wind eine kleine Windhose, in der, scheinbar fröhlich, eine Plastiktüte mit den Blättern um die Wette tanze. Für die Tageszeit waren erstaunlich wenige Autos unterwegs. Auch die Geschäfte wirkten irgendwie dunkler als gewöhnlich. Der Herbst kündigte sich mit all seiner Macht an.

Dass gerade vorlesungsfreie Zeit war, hieß nicht, dass Flo nicht in die Uni musste. Heute hatte er sich einen Tag in der Bibliothek gegönnt, um sein Wissen etwas aufzufrischen und das nächste Semester einmal vorzubereiten. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er so viel Einsatz gezeigt hatte, und bislang war er irgendwie enttäuscht. Vielleicht hätte er nicht gleich nach den ersten zwei Stunden überragende Ergebnisse erwarten sollen, aber er war ungeduldig.

Die Dönerbude bei ihm an der Ecke verströmte appetitanregenden, einladenden Duft. Seltsamerweise nach allem, außer Döner. Er überlegte kurz, ob er sich trotzdem einen leisten wollte, wobei Pizza oder Burger natürlich auch verlockend waren. Doch eigentlich hatte er noch genug Essbares zu Hause. Vielleicht sollte er vorerst damit vorlieb nehmen. Immerhin wollte er nichts schlecht werden lassen. Er konnte es einfach nicht leiden, Essen wegwerfen zu müssen. Außerdem war es ungesund, dauerhaft von FastFood zu leben. Gut, das gleiche galt theoretisch für Bier, aber da machte er eine Ausnahme. Immerhin war sein Körper quasi perfekt an Bier angepasst, nicht aber an Pizza.

Er öffnete die Haustüre, ohne Pizza oder Döner in der Hand. Ein Mix aus Zwiebel-, Fisch-, Bratfett- und Kuchengerüchen hatte sich im Treppenhaus gemischt. Er hörte und spürte seinen Magen laut knurren. Es war wirklich Zeit, etwas zu essen. Kurz darauf sah er sich in seiner Küche um, und verspürte nicht das allerkleinste Verlangen nach irgendetwas, was er sehen konnte. Vielleicht hätte er sich doch eine Pizza, einen Döner oder eine Nudelbox holen sollen. Dann würde er sich jedenfalls nicht mehr mit dem Thema befassen müssen, sondern konnte einfach essen.

Die Dosensuppen erschienen ihm gerade in etwa so verlockend wie Camping auf einem überfluteten Campingplatz. Sein Brot wanderte direkt in den Mülleimer, ohne die Tüte zu verlassen. Die grünen Flecken waren auch von draußen zu sehen. Kartoffeln oder Nudeln zu kochen war ihm zu viel Aufwand und das Müsli war leer. Reis mit Pesto wäre vermutlich das Einfachste gewesen, aber das hatte er schon letzten Monat gehabt und damit war sein Bedürfnis danach für dieses Jahr eigentlich gestillt.

Gerade, als er sich schon mit einer rohen Scheibe Käse zufriedengeben wollte, fiel ihm etwas ins Auge. Unten im Regal, hinter Aufbackbrötchen und Nudeltüten versteckt, lugte die Ecke eines bunten Pappkartons hervor. Futter! „Frühstückszerealien“, wie die Werbung es so gerne vollmundig nannte. Vermutlich einfach, weil es nicht so schnöde wie „Puffweizen“ klang, und der Kunde doch gerne ein tolles Wort hören will, damit er sich wertvoller und professioneller fühlen kann. So oder so stand dort eine vergessene, unberührte und original verpackte Verpackung von genau diesem kostbaren und vollwertigen Nahrungsmittel und erschien ihm wie ein sieben Gänge Menü eines Sternekochs.

2015-08-28 20.03.10

In dem Moment, in dem er sich entschieden hatte, standen auch bereits Milch und eine Schüssel auf dem Tisch. Der Karton leistete verhaltenen Widerstand, was mit einem ungeduldigen Knurren bedacht wurde, ansonsten aber nicht ins Bewusstsein drang. Die innere Plastiktüte raschelte kurz und mit hellem Klimpern und Rasseln fiel ihr Inhalt in die Schüssel. Der Rest der Küche verschwand in einem wohligen Nebel, nur das Essen blieb im Fokus. Flo schnupperte kurz an der Milch. Sie stand schon seit einigen Tagen im Kühlschrank und er vertraute Milch grundsätzlich nicht. Sie war zu lebendig, als dass man leichtfertig mit ihr umgehen sollte. Zu oft schon hatte er erlebt, dass sie auch im Kühlschrank aktiv geworden war und einen fiesen Beigeschmack bekommen hatte. Diese aber roch herrlich frisch, genau, wie sie sein sollte.

Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, als der weiße Strahl in die Schüssel plätscherte und der leichte Puffweizen aufschwamm. Er konnte die mit einer feinen Schicht süßen Honigs überzogenen Körner schon schmecken. Der vertraute Duft stieg ihm in die Nase, wenigstens glaubte er das. Es war ein leicht anderer Geruch, nur wischte er den Gedanken daran fix beiseite.

Der erste Löffel. Dankbar kaute er auf den knusprigen Körnern und schloss für einen Moment und mit einem sehr tiefen Seufzer die Augen. Das war doch bereits alles viel besser. Ein zweiter und ein dritter Löffel folgten, nur die Befriedigung setzte nicht so wirklich ein. Stattdessen hatte er ein merkwürdiges Gefühl.

Irgendwie schmeckte sein Essen anders, als seine Erinnerung es erwartet hätte. Primär roch es auch einfach völlig anders, als es sollte. Wieso hatte er das nicht sofort bemerkt? Einen dermaßen penetranten Geruch musste er doch auf jeden Fall wahrgenommen haben. So viel Vertrauen hatte er schon noch in seinen Körper. Während er den nächsten Löffel kaute, überlegte er, ob er die Schüssel noch zu Ende essen sollte, oder doch lieber weg goss.

Weg schütten wäre natürlich eine ziemliche Lebensmittelverschwendung, aber wenn es nun wirklich schlecht geworden war? Andererseits, es war Puffweizen. Was sollte sich an diesem Zeug befinden, was schlecht werden konnte? Der Geruch des perfekten Produkts allein war schon nicht gesund, aber das hier war noch einmal anders. Er zog die geöffnete Tüte aus dem Karton und schnupperte daran. Ein beißender Geruch von Plastik und Lösungsmitteln stieg ihm in die Nase, trieb ihm fast die Tränen in die Augen. Angesichts dieses Geruchs war es ein Wunder, dass die Milch noch nicht geronnen war. War es am Ende alles nicht so schlimm?

Mit dem nächsten Löffel kam für ihn die Gewissheit. Es war nicht so schlimm, es war schlimmer. Sein Körper wehrte sich mit allem, was er hatte. Flo konnte sich kaum erinnern, wann er das letzte Mal so schnell gerannt war. Bis zum Klo brauchte er 2,3 Sekunden, weitere 0,1 Sekunden dauerte es, den Deckel zu öffnen. Es hätte keine hundertstel Sekunde länger dauern dürfen.

Als er wieder Luft bekam und sich traute, die Toilette zu verlassen, untersuchte er den Karton genauer. Alles daran wirkte normal, auch die Tüte darin war intakt und optisch einwandfrei. Dann fiel ihm etwas anderes auf. Kleine schwarze Punkte setzten sich zu einem Mindesthaltbarkeitsdatum zusammen. Flo war ehrlich überrascht, so etwas überhaupt auf Puffweizen zu sehen aber selbst Salz wies eins auf, und das war als mineralischer Rohstoff doch beinahe für die Ewigkeit geschaffen. Es wäre kein Problem, wenn ein Mindesthaltbarkeitsdatum geringfügig überschritten war. Es war immerhin ein Mindestdatum und kein Maximum. Bis dahin ging es auf jeden fall! Nur dieses Datum sah etwas anders aus und Flo sah ein, dass Puffweizen wirklich nicht für die Ewigkeit geschaffen sein konnte. Und dabei war diese Packung erst etwas mehr als zwei Jahre über ihr Mindesthaltbarkeitsdatum. Es war doch wirklich eine Schande.

2015 auf meiner Lesestunde

Statistischer Jahresrückblick

Die Statistik-Wichtel von WordPress haben mir einige Zahlen und Daten zum Jahreswechsel präsentiert. Da ich nur einen sehr kleinen Blog habe, ist dieser schöne Jahresbericht in weiten Teilen nur völlig unbedeutend oder weist die ein oder andere kleine Überraschung auf. Ich kann diese Seite leider nur als ganzes teilen oder überhaupt nicht. Ich habe keine Funktion gefunden, sie zu editieren oder kommentieren. Deswegen präsentiere ich sie Euch in dieser Form.

Den Auftakt macht eine Zusammenfassung der Besucher- und Bilderzahlen. Ich gebe zu, es sind weniger Bilder, als schön wäre. Ich bin um Besserung bemüht.

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Die Zahlen sehen zweifellos schön aus. Ich wäre nur neugierig, wie viele von diesen Aufrufen von mir selbst stammen 😉

Postingverhalten

Das Postingverhalten ist ein etwas langweiliger Punkt, zumal ich mich bemüht habe, die jeweils aktuelle Ausgabe immer am Sonntag zu veröffentlichen. Seit ich mich etwas mit dem System hier auseinandergesetzt habe, war das Ziel immer Sonntag um 9Uhr früh. Es gab nur sehr wenige Verspätungen und noch weniger Ausfälle.

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Ich denke, es ist deutlich ein bestimmtes Muster im Veröffentlichungsplan zu erkennen, oder?

Attraktionen in 2015

Eine Kategorie, in welcher die am meisten diskutierten und kommentierten Beiträge gegenübergestellt werden. Witzig… Es gibt bislang genau einen Kommentar und der ist von mir selbst, um die Funktion zu testen bzw. vorzustellen.

Wie haben sie mich gefunden?

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Es wird nicht aufgeführt, wie viele meiner Besucher über die Top 5 der Verlinkungen zu mir gefunden haben. Die meisten Treffer hat jedenfalls der hauseigene Reader. Das wird wohl Lesezeichen mit enthalten. Bin das wieder hauptsächlich ich, der seine Beiträge überprüfen will? 😉 Platz 2 belegt übrigens meine eigene Website, auf welcher sich ein Link hier hin findet. Platz 3 ist Facebook. Die Seite, über die ich immer wieder den Link verschickt habe, wenn mich jemand danach gefragt hat. Auf Platz 4 findet sich mein Tumblr Blog. Es scheint also tatsächlich einen Effekt zu haben, dass ich die Ausgaben auch dort verlinke. Eine freudige Überraschung für mich. Platz 5 schiebt die Aufrufzahlen in eine Skala und liefert gleichzeitig eine der größten Überraschungen des Berichts. Hier findet sich die Konstruktionsseite meiner Website (mit Link). Ich habe, als ich die Seite erstellt habe, diesen Link einmal angeklickt, um ihn zu testen. Dieser eine Klick reicht immerhin für Platz 5 der größten Aufrufquellen.

Woher kamen sie?

Die optisch für mich schönste Kategorie. Es gibt eine schöne Karte, auch wenn sie, verglichen mit großen Blogs, völlig unspektakulär ist.

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Leider sind die einzelnen Länder nicht so deutlich zu erkennen. Bei den sechs Stück, kann man sie ruhig einmal einzeln nennen: Deutschland, Spanien, USA, Marokko, Österreich und tja, WordPress sagt mir zwar, es wären sechs, aber selbst bei der Vergrößerung werden mir nur diese fünf angezeigt. Vielleicht zählt Alaska ja gesondert. Oder aber, und diese Idee gefällt mir persönlich am allerbesten, es handelt sich um einen Besucher von Außerhalb. Aliens auf meinem Blog, das wäre grandios!

Das war es dann auch schon mit den Zahlen zum ersten vollständigen Jahr meines Blogs hier. Vielen Dank an WordPress für die nette Zusammenstellung. Ich bin gespannt, was das kommende Jahr so bringen wird. Eines steht für mich jedenfalls relativ fest: Hörsaalgetuschel wird nicht ewig weiter laufen, eventuell nicht einmal mehr das ganze Jahr. Was wird danach kommen? Ich habe noch keine gute Idee.

Dir, liebem Leser / lieber Leserin, wünsche ich jedenfalls einen tollen Start in das neue Jahr und viel Glück und Erfolg. Alles Gute!

„Bleiben Sie uns Treu, empfehlen Sie uns weiter, und bis zum nächsten mal. Tschüss!“

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 62

„Save the Planet“

Der Sommer war da und mit ihm das tolle Wetter. Auch wenn er etwas träge gestartet war, es versprach der Sommer des Jahrzehnts zu werden, schon zum wiederholten mal dieses Jahrzehnt. Wie jedes Jahr kam er auch dieses mal wieder völlig überraschend. Jahreszeiten scheinen einem ungeschriebenen Naturgesetz zu unterliegen. Sie kommen immer dann, wenn niemand damit rechnen kann. Und dieser geheimnisvolle Zeitpunkt ist jedes Jahr der Gleiche. Trotzdem ist, zum Beispiel, die Bahn, jedes mal wieder aufs Neue völlig unvorbereitet und überrascht.

Was nicht überraschend, sondern von langer Hand her geplant war, war die große Konferenz in Paris. Nur zwei Wochen, nachdem der schreckliche Anschlag die Stadt heimgesucht hatte, und den Behörden einen Grund dazu gegeben hatte, die Bürgerrechte auszusetzen, kam die Meute. Eine Lawine von Regierungsflugzeugen, Luxus- und Privatjets überfüllten den Luftraum. Konvois von schwer gepanzerten und mindestens moderat geländegängigen Luxuslimousinen schoben sich wie Elefantenherden durch die Alleen und Gassen der Hauptstadt, um Staatschefs, ihre Berater und Geldgeber zur Versammlung zu bringen. Und das alles mit nur einem Ziel: Das Weltklima zu retten.

Es hatte sich zu einem gewissen Ritual entwickelt. Etwa alle fünf Jahre trafen sich all jene, die gerne etwas zu bestimmen hätten, um über die Zukunft der Welt zu diskutieren. Das Klima geriet aus den Fugen, das war lange bekannt. Ebenso, dass die Ursache dafür der Mensch und seine Aktivitäten war. Lediglich die Bevölkerung war damit nicht so ganz einverstanden. Es hätte ja geheißen, dass man seine bequeme Lebensweise hinterfragt und eventuell sogar sein Verhalten überdenken musste. Wieso eigentlich? Man hatte es doch schon immer so gemacht, wieso sollte man es jetzt denn ändern? Wieso fingen nicht die anderen an? Was die Öffentlichkeit nicht akzeptieren will, dafür findet sich in der demokratischen Welt keine Mehrheit.

Und wenn bei einem globalen Problem nicht alle gemeinsam anpacken, dann kann man es im Grunde genommen auch lassen. So war dann auch in der Vergangenheit jede große Klimakonferenz mit dem gleichen Ergebnis geendet: Man wollte sich überlegen, was man denn ändern konnte, ohne der eigenen Wirtschaft zu schaden, und würde das dann auf der nächsten Konferenz zur Debatte stellen. Damit lagen die großen Hoffnungen automatisch immer bereits auf dem nächsten Treffen, während das aktuelle noch als der große Meilenstein angekündigt war. Die erhofften Ergebnisse waren längst zu Hohn und Spott verkommen. Die ganze Klimakonferenz hatte den Charakter einer großen Werbekampagne für das eigene Gutmenschentum bekommen.

DSC02606Einige der ursprünglichen Initiatoren hatten bereits aufgegeben. Kleine Inselstaaten, welche die Auswirkungen des Klimawandels als Erstes zu spüren bekamen und einsehen mussten, dass es für sie zu spät war. Ihr Auftreten auf der Konferenz hatte nur noch die Funktion eines Mahnmals. Die Regierungen der mikronesischen Staaten hatten schon vor langer Zeit damit begonnen, diplomatische Abkommen darüber zu schließen, wer ihre Bevölkerung aufnehmen konnte und würde. Für sie ging es nicht länger darum, sich einer neuen Situation anzupassen. Einer nach der anderen verschwanden ihre Inseln unter den erbarmungslos heranrollenden Wellen des Pazifiks. Der Ozean störte sich daran nicht.

Das war der springende Punkt, ging es Flo durch den Kopf. Er lag im Bett, im Fernsehen lief die Berichterstattung über die diesjährige Klimakonferenz. Die Politiker spielten sich auf, als ginge es darum, die Welt zu retten. Die Demonstranten vor dem Tor hielten Schilder hoch mit „Save the Planet!“ und Flo dachte nur „vergiss den Planeten.“ Es ging nicht darum, den Planeten zu retten. Schwankungen in der Temperatur und dem Meeresspiegel hatte es schon immer gegeben. Wie jeder lebende Organismus veränderte sich auch die Welt laufend. Es war zwar selten so schnell gegangen wie zurzeit, aber es war immer real gewesen. Im Laufe der Geschichte hatte es immer wieder Phasen großen Massenaussterbens gegeben und jedes mal war daraus ein neues, anderes Ökosystem entsprungen.

Es ging nicht darum, die Welt zu retten. Es ging darum, eine für den Menschen habitable Umgebung zu erhalten. Wobei es eigentlich selbst dafür bereits zu spät war. Flo erinnerte sich an Bilder von den ersten Satellitenfotos, die er als Kind gesehen hatte. Vor einigen Monaten hatte er sie noch einmal herausgesucht, um sie mit neuen Fotos aus dem letzten Jahr zu vergleichen. Es wäre erschütternd gewesen, wenn er nicht damit gerechnet hätte, was für eine Verwandlung die kleine Kugel zwischen den Sternen in den letzten vierzig bis fünfzig Jahren durchgemacht hatte. Auch wenn der Ozean noch immer tiefblau war, das Grün war von der Landfläche verschwunden und durch staubiges Graubraun ersetzt worden. Sollte das die Veränderung sein, die eine Verdopplung der Menschheit zur Folge hatte?

Flo sah zu Kristina hinab, die in seinen Arm gekuschelt schlief. Er hatte nie darüber nachgedacht, ob er einmal eine Familie haben würde oder nicht. Eventuell war er unterbewusst einfach davon ausgegangen, dass es wohl so kommen würde, wenn er nur erst einmal die richtige Frau dafür gefunden hatte. Und was war nun? Ihre Haare wallten über seine Schulter und ihr Brustkorb hob und senkte sich sanft mit jedem Atemzug. Es machte ihn glücklich, sie einfach nur anzusehen und er wusste, dass er sie gefunden hatte. Aber war es wirklich zu verantworten, einen kleinen Menschen in diese Welt zu setzen? Er hatte sie nie nach ihrer Meinung dazu gefragt. Es gab bereits so viele Menschen und sie verhielten sich so unvernünftig.

Der deutsche Umweltminister wurde im Fernsehen zum Interview gebeten. Er betonte, welch großen Schritte man bereits auf dem Weg zu einem besseren Klima erreicht hatte. Den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien wie Wind und Wasser zum Beispiel. Kein Wort fiel darüber, dass Deutschland noch immer einer der größten Nutzer von Stein- und Braunkohle war. Auch nicht darüber, dass nach der Streichung der Subventionen jeder einzelne Hersteller von Solarzellen in Deutschland bankrottgegangen war. Die neu verbauten Solarzellen kamen nun alle aus China. Teilweise sogar mit einem kleinen made in Germany Aufkleber. Aber auch das war nun alles kein Thema. Dafür hagelte es Versprechen, welche tollen Abkommen man nun alles unterzeichnen wolle, und dass die Zeit für Diskussionen abgelaufen war. Nun war es Zeit zu Handeln! Aber natürlich nur, wenn die anderen auch alle mitmachten.

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 57

Morgennebel

Schemen und Schatten bewegten sich wie in Zeitlupe, wanderten stetig und bestimmt durch die Strahlen der Morgensonne. Flos Blick war auf einen unbestimmten Punkt vor ihm gerichtet. Vielleicht auch auf einen Punkt hinter ihm, so genau konnte er das nicht sagen. Sein Gehirn hatte es noch nicht für notwendig befunden, aufzuwachen. Es funktionierte doch auch so alles gut.

Mit perfekt einstudierten Bewegungen war er aufgestanden, hatte sich geduscht, fertiggemacht, gefrühstückt und das Haus verlassen. In der ganzen Zeit hatte er vermutlich keinen einzigen klaren Gedanken gefasst, sondern sich lediglich in seiner Traumwelt befunden. Und wieso auch nicht? Es war doch so schön dort. Es gab dort alles, was er benötigte und außerdem fühlte es sich sehr viel schöner an, als der wie immer viel zu frühe Weg in die Uni. Er hätte auch erst in vier Stunden gehen können und es wäre immer noch zu früh für ihn gewesen. Egal wie spät es war, irgendwie war es doch eh immer zu früh.

Ein Schemen kreuzte seine Bahn und er wurde langsamer, ohne es überhaupt zu bemerken. Sein vegetatives Nervensystem schien die totale Kontrolle zu haben, wie ein absoluter Monarch, der keinen Widerspruch duldete. Er selbst wollte nicht einmal wirklich aufwachen, auch wenn es wohl auf kurz oder lang keine andere Option gab. Sein Bewusstsein rollte kurz mit den Augen, drehte sich noch einmal um und wickelte sich dick in die kuschlige Decke ein. Ein lärmender Schatten ratterte vor ihm vorbei, ein anderer wurde langsamer und kam zum Stillstand. Hier musste doch der Zebrastreifen sein.

Ein Bild drückte sich bis in seine Traumwelt durch. Schemen, die an einem leicht erhöhten Stück des Bürgersteigs standen und unter einem Schild warteten. Er hätte nicht sagen können, wie genau er hier hingekommen war, aber es war genau der Ort, an dem er zu dieser Zeit sein sollte, also war das nicht so schlimm in seinen Augen. Menschen sind Rudeltiere, und solange irgendjemand die Führung übernimmt und niemand Alarm schlägt, befassen sich die restlichen Gehirne zu gerne mit etwas anderem. Eine kühle Brise zog für einen Augenblick seine Aufmerksamkeit auf sich, dann war er wieder eingeschlafen, die Augen weit offen.

DSC02910Ein großer, roter Schemen kam quietschend zum Stillstand. Zur gleichen Zeit und am gleichen Ort wie immer. Es gab absolut keinen Grund, wieso man sich damit weiter befassen musste. Das Rudel setzte sich ganz von alleine in Bewegung und er schloss sich dem Fluss einfach an. Schultern und Köpfe vor und hinter ihm, Stahlstangen und mehr Menschen links und rechts von ihm. Von draußen kamen immer mehr Leute nach, obwohl der Bus doch eh schon voll war. Allgemeines Gedränge und Geschiebe. Der saure Geruch von Kaffee, hier und da ein frisches Brötchen, Wurst oder Käse, Schweiß, Parfüm und Duschgel. Ein Hauch von abgestandenem Bier waberte durch den Bus und drang kaum zu ihm durch. Sein Bedarf war für den Moment gedeckt.

Wie das Wasser in einem gefüllten Planschbecken, was jemand an einen anderen Ort verschiebt, folgten die Passagiere der Bewegung des Busses, als er sich in Bewegung setzte. Voll, wie es war, bestand für niemanden die Gefahr, umzufallen. Irgendein Paar Schultern würde ihn auf jeden Fall vor dem Fall bewahren und stützen, freiwillig oder nicht. Gemurmelte Gespräche, zu laute Musik aus Kopfhörern, Verkehrslärm. Es war keine angenehme Umgebung, um zu schlafen, aber wach bleiben lohnte sich einfach nicht.

Ein Ruck oder Schwappen ging durch die Menge der Leiber, die Türen öffneten sich und ein Hauch von frischer Luft mischte sich in die zunehmend verbrauchte Luft im Bus. Neue Köpfe ohne Gesichter drängten sich in die Masse, um mit ihr zu verschmelzen. Einer der Schemen wurde vom Unterbewusstsein rot eingefärbt und mit einem Adjektiv versehen. Ein penetrant beißender Geruch nach Zigarettenrauch ging von ihm aus. Eine dichte Wolke des weißen Rauchs blies er unter die Decke des Busses, von wo aus sie sich langsam aber dominant unter das große Durcheinander der Gerüche mischte.

Abartig“ blinkte das Adjektiv zu dem Schemen. Der Gestank zwang Flos Bewusstsein, wenigstens teilweise aufzuwachen, und dieser Umstand machte ihn ausgesprochen sauer. Einige wüste Beschimpfungen und Flüche waberten ziellos durch seinen Geist, ehe sie sich dem stinkenden Schemen anhefteten. Er hatte die Gestalt vermutlich noch nie gesehen und noch nie ein Wort mit ihr gewechselt aber hier und jetzt beschloss er, es dabei bleiben lassen zu wollen. Ihn so unsanft aus seiner Traumwelt zu reißen empfand er als ausgesprochen ungehörig. Wenn der Bus beschleunigte, wehte parfümierte Luft von vorne heran, wenn er bremste, kam der Zigarettengestank.

Eine Haltestelle noch. Das wäre zwar für ihn eine zu früh, aber den Rest konnte er laufen und es war eine gute Gelegenheit, an bessere Luft und seinen Schlaf zu kommen. Hauptsache, er war weiter weg von der stinkenden Gestalt. Gelegentlich mochte ihn der Geruch nur geringfügig stören aber heute war das anders.

Die Türen öffneten sich und das Ungeheuer von Bus übergab sich auf den Bürgersteig an der Bushaltestelle. Frische Luft umströmte Flos Nase und er übergab seinem Unterbewusstsein wieder die Kontrolle. Irgendwann, in wenigen Minuten, würde er vermutlich in einem Hörsaal oder Seminarraum sitzend aufwachen und feststellen, dass er genau da war, wo er sein sollte. So lief es schließlich immer um diese Zeit.