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Arbeitskräfte gesucht!

„Deutschland ist eine Innovationsnation! Wir haben kaum noch natürlich Rohstoffe, die wir fördern können, also ist unser Rohstoff Know-how und Innovationskraft. Darum ist es wichtig, dass ihr euch Mühe gebt, einen guten Abschluss erlangt und etwas Sinnvolles studiert. Deutschland braucht Ingenieure!“

So oder so ähnlich habe ich es damals nicht nur einmal in der Schule zu hören bekommen. Ich erinnere mich nur an eine Realschullehrerin, die von dieser Linie abgewichen ist und die Klasse mahnend erinnert hat: „Handwerk hat goldenen Boden.“ Daran erinnere ich mich inzwischen fast jeden Morgen, wenn ich im Badezimmer stehe und mich das Radio mit der einsetzenden Werbung daran erinnert, dass ich mal wieder zu sehr getrödelt habe. Der Werbeblock besteht hier zu einem guten Teil inzwischen nicht mehr aus „Kauf unseren Scheiß!“-Geblöke, sondern aus „Bitte arbeite für uns!“-Aufrufen.

Maschinenbauer, Tischler, Stahl- und Industriebaufirmen, Supermarktketten und Pflegeeinrichtungen wetteifern mal mehr oder weniger lautstark und kreativ um Personal. Man möchte meinen, wir hätten die Vollbeschäftigung längst hinter uns gelassen. Und vor diesem Hintergrund bekommen im Internet immer noch Leute Gehör, die im Fieberwahn predigen, „die Ausländer“ würden uns die Arbeit wegnehmen und alle nur kriminell sein? Da muss so einiges schiefgelaufen sein, aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Das Werben um Arbeitskräfte beschränkt sich auch nicht aufs Radio. Genau so finden sich die Anzeigen in der Zeitung, sei es nun das Gratis-Käseblatt, was hier jeden Mittwoch im Hausflur liegt oder die Lokalzeitung. Einmal im Jahr bricht hier dann auch noch der Kleinkrieg aus und die Krankenhäuser und Pflegeheime der Region werben mit Plakatwänden und an Bushaltestellen mit dem besseren Arbeitsklima, dem höheren Gehalt oder den besseren Zusatzleistungen. Nur eines ist mir dabei aufgefallen: Niemand wirbt um Akademiker.

Erst sollten wir alle an die Uni und nun haben wir doch alle aufs falsche Pferd gesetzt?

Vielleicht, ich weiß es noch nicht. Ich weiß nur, dass man als gelernter Dachdecker, Klempner oder Einzelhandelskaufmann/-frau/-mensch (ich gebe es zu, ich kann nicht gendern. Tut mir leid!) auf der Party weniger anerkennende „Whoa“-s bekommt, als beispielsweise Mediziner oder Ingenieure. Pflegekräfte bekommen da schon eher mal mit „In dem Job würde ich ja sofort kaputt gehen“ so etwas Ähnliches wie versteckte Bewunderung. Arbeit in der Knochenmühle wird wertgeschätzt, aber machen will es trotzdem niemand.

Klar brauchen wir Ingenieure, aber wer soll denn das alles bauen, was sich die schlauen Köpfe da alles ausdenken?

Ich bin Teil des Problems. Meine Arbeitskraft wandert ebenso an einen Schreibtisch und nicht in die Produktion wie bei den anderen Absolventen. Ich habe mich als Handwerker versucht und beschlossen, dass ich dafür nur mäßig geeignet bin. Vielleicht war ich auch einfach viel zu optimistisch, was die Innovationsbereitschaft in Europa generell betrifft. Nicht erst seit gestern wird schließlich der große Durchbruch der Roboter prognostiziert. Durchgeführt wird er sehr viel zögerlicher als nötig.

ICE-Trassen und die darauf fahrenden Züge sind mit der nötigen Signaltechnik ausgestattet, um sie mit nur geringem Aufwand autonom fahren zu lassen. Die Sensortechnik ist inzwischen ausgereift genug, um selbst konventionellen Bahnbetrieb robotisch abzuwickeln, nur die Fahrzeuge müsste es geben. Und die rechtliche Grundlage. Wo, wenn nicht auf der Schiene, könnte man mit einem solchen System beginnen? Nirgendwo sonst sind die Anforderungen an autonomes Fahren so überschaubar wie dort. Stattdessen beklagen die Bahnbetriebe fehlende Lockführer und planen fest mit Sechstagewochen. Stattdessen erzählen mir die Lockführer selbst, wenn ich sie danach frage, dass autonomer Schienenverkehr nicht kommen wird, solange sie noch die Hakenkreuze von den Triebwagen abkratzen müssen, um auf deutschen Schienen fahren zu können. Stattdessen werden immer mehr Fahrassistenten für Autos entwickelt, welche mehr und mehr Autonomie erlauben. Kommen wird es trotzdem nicht so schnell, denn die Rechtslage ist hierbei immer noch ungeklärt.

Als ich mich damals gegen das Handwerk und für den Hörsaal entschieden habe, wusste ich davon allerdings noch nicht viel. Die Technik existierte auch einfach noch nicht. Was aber bereits existierte, waren CNC-Fräsen und Industrieroboter in unterschiedlichsten Ausprägungen. Wie schwer kann es da sein, die beiden Technologien zu kombinieren? Da braucht es noch nicht einmal die später aufgekommenen 3D-Drucker, um gesamte Produktionen automatisieren zu können. In einem handwerklichen Praktikum habe ich zu Schulzeiten noch Tage in der Werkstatt verbracht und von Hand an einem Werkstück gesägt und gefeilt, was zwar am Ende durchaus passabel war, mich aber in einer Überzeugung absolut bestätigt hat: Die Maschine kann das deutlich schneller und präziser als der Mensch.

Wir haben Technologien zur Verfügung, von denen unsere Vorfahren nicht einmal zu träumen gewagt haben. Wir haben offenbar auch den Bedarf dafür, denn ansonsten können viele Arbeiten einfach nicht ausgeführt werden. Dennoch kommt es nicht, oder nur sehr viel langsamer, als man vielleicht erwarten würde. Mich überrascht das immer wieder.

Ich vergesse immer wieder zu gerne, dass Deutschland ein digitales Entwicklungsland ist, dass „Vorsprung durch Technik“ zwar der Werbeslogan einer bekannten großen Marke hier ist, aber eben nicht viel mehr. Das Vertrauen in die Technik ist nicht da und was ich als logische Weiterentwicklung sehe, erscheint vielen eher als Dystopie. Exoskelette, welche in japanischen Krankenhäusern die Pflege schwerer Patienten erleichtern sollen, oder Roboter als Rezeptionist im Hotel werden als gruselige Kuriosität aus einem fernen und fremden Land präsentiert. Roboter im Gesundheitssystem gibt es zwar auch bei uns, aber nur im OP und nicht in der Pflege.

Die Anzeigen und Werbeclips, in denen „junge und dynamische Teams“ nach neuen Kollegen suchen, werden mich also noch eine Weile begleiten, bis der Druck irgendwann vielleicht doch so groß ist, dass auch unsere Systeme auf den Stand der Technik gebracht werden. Aber was das alles an Entwicklungen mit sich bringen wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. So oder so stehen wir vor großen Herausforderungen.

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StadtGartenSchau – Teil 8. – Eröffnung

Eine Woche liegt die Eröffnung jetzt bereits zurück und so langsam bügeln sich die ersten Kinderkrankheiten aus. Wir haben nicht an alles denken können, manches war auch nicht perfekt organisiert, und die ersten geplanten Aktionen liegen auch bereits hinter uns. Die Fläche wächst und entwickelt sich Stück für Stück. Und das wichtigste, es gibt Feedback und Reaktionen. Aber nun erst einmal zurück auf Anfang.

Letzte Woche Donnerstag war der große Tag, an dem sich erstmalig die Pforten für die Besucher öffnen sollten. Bis spät in die Nacht hinein wurde noch an den zahlreichen Baustellen gearbeitet, am Donnerstag selbst noch bis 9 Uhr morgens asphaltiert. An allen Ecken und Enden der Protest, man habe ja so lange nicht arbeiten können, weil alles noch gefroren war und der späte Frost einem die Arbeit erschwert habe. Das mag stimmen, denn wir waren für eine lange Zeit im Winter tatsächlich die Einzigen, die unerbittlich weiter gemacht haben. Mit Spitzhacke und Spaten sind wir los gezogen, weil der Sand zu dicht gefroren war, um mit der Schaufel allein etwas zu erreichen. Aber wir haben es geschafft. Was wir schaffen konnten und wollten haben wir erreicht.

Am großen Tag war dann dafür erwartungsgemäß sehr viel los. Neben einer Armee aus Pressevertretern schob sich eine wenigstens genau so große Armee aus Uniformen umher. Immerhin hat sich der, ganz in der Tradition seiner Vorgänger, durch die Demokratie leicht behinderte Prinzregent der Provinz im Südosten des Reiches angekündigt. Schließlich hat die königliche Schatzkammer das Unterfangen durchaus großzügig unterstützt. Beinahe schon im Hintergrund verschwindet da die anwesende lokale Politprominenz und andere geladene hohe Tiere.

Der Vorteil an Metaphern ist, dass sie nicht wörtlich zu nehmen sind. So ragen hohe Tiere nicht, wie etwa eine Giraffe oder ein Elefant, über die Masse hinaus, sondern können sich gut getarnt und unerkannt darin bewegen, wenn sie es denn wollen und jemand anwesend ist, der die größere Aufmerksamkeit auf sich lenken kann. Zur festlichen Eröffnung aber versammelt sich natürlich alles am gleichen medialen Wasserloch, sprich der Hauptbühne.

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Wirklich zuhören möchte niemand, aber es gehört halt dazu. Und eigentlich ist es ja auch egal, wer da vorne nun eigentlich steht, solange man am Ende brav applaudieren kann und sich über ein paar nette Worte freut. Dafür entschädigt ein wirklich fantastisches Wetter für eventuell entstandene Unannehmlichkeiten.

Und wie bei alle Eröffnungszeremonien wird natürlich auch bei einer Landesgartenschau keine Ausnahme gemacht. Viele große Worte des Lobes und der Dankbarkeit an beteiligte, einige mal mehr und mal weniger nette Anekdoten aus gut 100 Jahren Geschichte des Geländes. Ab und an gibt es Musik und natürlich muss auch der Prinzregent seine Bewunderung für die Arbeit ausdrücken, von deren Qualität er sich auf einem intensiven Rundgang in den 5 Minuten seit seiner Ankunft natürlich restlos überzeugen konnte sowie seine innige Verbundenheit zur Region und der hiesigen Faschingstradition. Es ist ein Zirkus der niemals still steht.

Eine Randerscheinung, die in den großen Reden beinahe untergegangen wäre, war die Vorstellung des Geländes. Die großen Themenbereiche wurden jeweils kurz vorgestellt im Sinne von wo sie zu finden sind, und was sie ausstellen. Die Gärten von morgen zeigen, wie wir in Zukunft leben können. Der Wiesenpark läd zum verweilen und die Sonne genießen ein. Der alte Park ist ein Relikt aus den Zeiten, als hier noch eine amerikanische Kaserne stand. Und völlig unscheinbar, mitten darin versteckt aber dennoch deutlich ausführlicher, der Hinweis auf ein einzelnes Projekt. Eine UrbanGardening Fläche, wo junge Leute aus der Uni und der Stadt gemeinsam auf achtzehnhundert Quadratmetern eine Vielzahl an Inspirationen und Anregungen geschaffen haben. Im allgemeinen abschweifenden Geplauder geht der Hinweis beinahe unter, löst aber dennoch Verwunderung aus. Beispielsweise bei mir, der nicht damit gerechnet hätte, so hervorgehoben zu werden.

Und schon tummeln sich einige tausend Menschen auf der ganzen Ausstellung und können das Ende der Zeremonie nicht einmal abwarten. Schnell zeigt sich, in welchen Bereichen sich die Menge eher verteilt und wo es die Leute hin zieht. Und auch, was die Leute sehen wollen. Es ist egal, dass vor nicht einmal zwei Wochen noch Schnee gelegen hat, denn heute scheint die Sonne und die Leute wollen Blumen sehen. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob sie aus dem Gewächshaus kommen, durch Magie gezeugt wurden oder schon im Schnee blühen würden. Die vereinzelt am Rande blühenden Tulpen werden geringschätzig begutachtet und auch das zarte Grün frisch gekeimter Pflänzchen ist nicht, was erhofft wurde. Da hilft alles nichts, es gibt offene Enttäuschung.

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Noch sind viele Flächen wenig grün und dafür um so kahler, aber das ändert sich bereits kräftig. Die Natur nutzt die Wärme und die Sonne mit aller Macht.

Aber natürlich gibt es auch Leute, die verstehen, wie die Natur funktioniert und die ausreichend Fantasie mitbringen, um aus dem zarten Grün der jungen Keimlinge einige Wochen in die Zukunft zu projizieren. Es gibt jene, die gerade Linien und scharfe Kanten bevorzugen und solche, für die es kaum etwas tolleres gibt als organische Formen und vielfältig lebendiges Stück Grünanlage. Denn auch wenn wir noch keinen Wald aus Grünpflanzen vorweisen können, die Tiere lassen sich davon nicht bremsen.

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Ein paar bunte Blumen können wir dann doch noch anbieten und diese werden auch wohlwollend wahr- oder angenommen. Aber das gilt eigentlich für alles.

Überall summt und schwirrt es. Die meisten Besucher bekommen es kaum mit, so eilig sind die Bienen unterwegs. Auch die Vögel zeigen bereits Interesse an unserer Ausstellung. Gestern Abend waren wir noch alle überrascht und begeistert, dass sich eine Meise bereits einen der Nistkästen näher angesehen hat, heute morgen findet sich bereits das erste Material zum Nestbau im Eingangsloch und jetzt steht bereits der erste Besucher da, nimmt voller Neugier den Kasten von der Wand und öffnet ihn. Vor lauter Fassungslosigkeit hat niemand schnell genug reagieren können um ihn davon abzuhalten.

Auch die Insektenhotels werden teilweise etwas zu neugierig begutachtet. Es ist ja immerhin eine GartenSCHAU, da will man wohl auch etwas ansehen können. Und wir haben nicht damit gerechnet, dass die Ausstellung ja auch so interpretiert werden könnte. Es braucht also dringend einige zusätzliche Schilder. Gleiches gilt für die Getreidefelder und Bienenweiden, die einfach noch nicht so weit gekeimt sind. Überall finden sich bereits die ersten Fußabdrücke abseits der Wege. Dabei sind wir davon ausgegangen, wahrlich genug davon angelegt zu haben.

Während in der Hütte noch nichts zu sehen ist, sie aber trotzdem viel Aufmerksamkeit anzieht, entwickelt sich unser Samenspender zu einem regelrechten Star. Vielfach fotografiert und bestaunt sorgt er für viele Lacher. Und das obwohl (oder gerade weil?) er mit einem kleinen Schild als „Defekt“ ausgewiesen ist. Er würde ja eigentlich funktionieren, wenn denn nur die Schachteln hinein passen würden. Aber da Kondompackungen wohl kleiner sind als Zigarettenschachteln und wir nur dieses Format zur Verfügung haben, wird es noch etwas dauern, bis auch hier der normale Betrieb einsetzen kann. Aber wir bleiben zuversichtlich.

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Ein Gruß aus der Welt der sozialen Medien. Unser Automat war eines der wenigen Motive, die es an diesem Tag bis dorthin geschafft haben. Auch irgendwo eine Leistung…

Schon allein deswegen, weil jeder bei uns irgendetwas findet, was ihm oder ihr gefällt. Während der allgemein unfertige Zustand der Landesgartenschau bemängelt wird, ernten wir viel Lob für die kreative Arbeit und sogar Verständnis dafür, dass nicht bereits alles blüht oder gepflanzt wurde. Bei Salat und Bohnen sind die Leute offenbar nachsichtiger als bei Tulpen und Rosen. Natürlich gibt es auch jene, die gerne anmerken wollen, was ihnen missfällt, aber der Gesamteindruck bleibt positiv und viele Besucher versprechen, ihre Dauerkarten darauf zu verwenden, uns regelmäßig heimzusuchen und die Veränderungen zu beobachten.

Es wird definitiv ein spannendes halbes Jahr …

StadtGartenSchau – Teil 7. – Was ist ein Trivarium?

Auf unserer Fläche sind einige Elemente entstanden, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe. Was ist beispielsweise ein Schlüssellochbeet? Oder ein Lasagnebeet? Oder ein Trivarium? (Wir erinnern uns an Teil 3) Ein Alpinum kann man sich ja herleiten. Es wird etwas mit vielen Steinen und Gebirgspflanzen zu tun haben. Ein Schotterbeet ist zwar ähnlich, aber nicht so sehr auf Gebirgspflanzen ausgerichtet. Immerhin gibt es Schotterflächen in der Naturlandschaft auch oft an Flüssen oder bei Hangrutschungen und Steinschlägen (eigentlich muss man sagen „es gab sie“, denn in unserer Kulturlandschaft ist dieses Ökotop dank begradigter und kanalisierter Flüsse quasi ausgestorben. Dafür tauchen Schotterflächen heute eher in Städten auf, bei Baulücken und Brachflächen. Hier können sich eventuell Tiere und Pflanzen hin retten, die auf diese Nische angewiesen sind, wenn man ihnen eine Chance lässt.)

Aber was ist denn nun so ein Trivarium?

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Kurze Antwort: Das ist ein Trivarium. Die große Fläche im Vordergrund gehört dabei nicht einmal mehr dazu. Hier ist nämlich eine Mischkultur eingesät, die inzwischen eifrig sprießt. Die massiven Steine der Sonnenfalle haben die Funktion, solare Wärmestrahlung für die Nacht zu speichern.

Wie der Name es vermuten lässt, besteht es aus drei Elementen. Das Kernelement ist dabei die Sonnenfalle. Im Grunde eine Kräuterschnecke, die zu einem Halbmond nach Süden hin aufgedreht wurde. Geeignet ist sie für so ziemlich alles, was man auch in einer klassischen Kräuterspirale findet. Der Boden darin ist natürlich recht mager, denn Kräuter mögen es nicht besonders, wenn sie zu viele Nährstoffe haben. Wenn man so will, sind sie dem Menschen eigentlich sehr ähnlich. Wir kommen auch besser mit Mangel als mit Überschuss zurecht. Gibt es einmal zu wenig von etwas suchen wir, bis wir es gefunden haben. Entstandene Schäden sind erstaunlich einfach zu reparieren. Wenn es aber von allem oder von einzelnen Stoffen einen Überschuss gibt, dann kann das schnell daneben gehen. Organschäden bei Übergewichtigen oder Diabetes sind nur die bekanntesten Schäden und diese lassen sich nicht mehr so einfach heilen. Den Kräutern geht es ganz ähnlich. Lieber also etwas zu mager und sie werden halt nicht so groß. Da wir ja ökologische Intensivierung bewerben möchten haben wir natürlich auch einige Nisthilfen in der Sonnenfalle verbaut. Eine bunte Auswahl an Vögeln und Insekten hat also das Angebot, bei uns Unterschlupf zu finden und sich heimisch zu fühlen.

Die Sonnenfalle umschließt einen Krater, in dem sich Feuchtigkeit sammelt, der durch die Sonnenfalle vor Wind geschützt ist und wo die Wärmestrahlung hinein reflektiert wird. Im Grunde ist es vergleichbar mit einer Satellitenschüssel oder einem Parabolspiegel. Dort ist ebenfalls eine reflektierende Ebene so ausgerichtet, dass sich Strahlung in einem Punkt sammelt, nur dass der Punkt in diesem Fall die Senke in der Mitte ist. Hier gedeihen Pflanzen, die gut mit warmfeuchten Bedingungen zurecht kommen. Nach Norden hin sind sie vor kaltem Wind geschützt und zu so ziemlich jeder Tageszeit fällt Sonnenlicht hinein. Bedingt durch den tonigen Untergrund haben wir eigentlich sogar zwei Trivarien mit Teichen, denn der Krater läuft aktuell bei jedem Regenguss mit Wasser voll. Da Würzburg aber im Sommer auch Phasen hat, wo Monate komplett ohne einen Regentropfen keine Seltenheit sind, verzichten wir darauf, Reis hinein zu pflanzen und bleiben bei solchen, die bei Überflutung protestieren. Auch wenn mir die Idee mit dem Reis eigentlich ganz gut gefallen hat …

Das dritte Element ist das Sandarium, welches die gesamte Struktur zur Seite hin abgrenzt. Hier ist nicht nur die obere Schicht mit Sand abgedeckt sondern tatsächlich dick aufgetragen. Bisher hat sich auch noch kein Kind dazu hinreißen lassen, mit Förmchen bewaffnet in diesen Sandkasten zu springen. Ich bewundere die Disziplin. Die Pflanzen hier kommen mit extrem wenigen Nährstoffen und Wasser aus, wurzeln dafür aber um so tiefer. Wer davor steht merkt häufiger an, dass es recht karg aussieht und so viel Platz zwischen den einzelnen Pflanzen ist. Nicht weiter verwunderlich, immerhin kennen wir solche trockengefallenen Sandbänke aus unseren Kulturlandschaften überhaupt nicht mehr (Heidelandschaften einmal ausgenommen). Dennoch ist auch das geplant, denn solche Sandflächen wachsen selten wirklich zu. Stattdessen bieten sie viel Zwischenraum, deren Sandflächen wichtige Habitate für viele Insekten wie die verschiedene Wildbienen oder Wespen, die sich hier ihre Bruthöhlen graben.

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Ein Blick in den Sonnenuntergang ohne Sonnenuntergang, dafür mit Sandarium. Im Hintergrund sieht man den Halbmond der Sonnenfalle noch.

Es klang bereits durch, auf unserer Fläche sind gleich zwei große Trivarien zu bestaunen. Eines davon mit Kraterbeet, eines davon mit Teich im Zentrum. Der Teich ist als solcher geplant, mit Folie ausgekleidet und soll mit essbaren Pflanzen besetzt werden. Denn nur weil die meisten unserer Gemüsepflanzen und Kräuter eher auf großen Feldern angebaut werden heißt das nicht, dass es im Wasser nicht auch einige Leckereien geben kann. Wasserminze ist nur ein Beispiel, dankbarerweise sehr ähnlich wie Pfefferminze. Um den Pflanzen besseren Halt zu geben wurden Stufen in den Sand modelliert, als die Folie eingebaut wurde. Leider war der Sand zu nass und die Struktur ist wieder kollabiert.

Genau wie der Plan, das zweite Trivarium mit einem trockenen Krater anzulegen. Diese Senke ist so gedacht, dass sich dort etwas Wasser ansammeln kann, aber dank des tonigen Bodens ist hier schnell ein natürlicher Teich entstanden, den wir nun beständig leer schöpfen. Und auch wenn ich für eine Anpassung gestimmt habe, bleibt es nun also bei dem ursprünglichen Plan und dem Schaufeln. Ich bin gespannt, wie der Sommer wird.

Gefällt euch die Reihe bis hierhin? Erkläre ich zu viel oder zu wenig oder das falsche? Gibt es andere Projektteile, die ihr so ausführlich erläutert haben möchtet? Einige Highlights habe ich ja bereits vorgestellt aber natürlich war das nicht alles. Wenn gewünscht kann ich auch einmal Ausflüge zur „Konkurrenz“ machen und euch davon etwas erzählen. Lasst es mich doch einfach in den Kommentaren wissen. Im Idealfall sieht man es sich natürlich selbst an und schafft sich selbst einen Eindruck, aber ich hätte ein schlechtes Gewissen, dafür jemandem nun zu einer weiten Reise zu raten. 😀

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Der fertige Flächenplan, wie er auf unseren Flyern und auf den Infoschildern zur Ausstellung abgebildet. Kleine Besonderheit: Der Plan ist nicht genordet sondern gesüdet 😉

StadtGartenSchau – Teil 6. – Immobilien

Das Urban Gardening Projekt „StadtGartenSchau“ besteht aus drei Kooperationspartnern. CampusGarten und Stadtgärtner e.V. kümmern sich um den gärtnerischen Aspekt. Die Volkshochschule Würzburg wollte den interkulturellen Beitrag leisten, indem sie mit Flüchtlingen und aus recyceltem Material eine Hütte für Vorträge und Workshops bauen. Aber Recyclingmaterial und ohne festen Bauplan, da hätte der TÜV niemals eine Freigabe für erteilt, also musste am Ende doch ein fertiger Bausatz dafür herhalten. Und auch der Plan, während des laufenden Betriebs gemeinsam mit Geflüchteten zu arbeiten ist nicht so ganz aufgegangen.

Nach einigem Chaos steht nun aber dennoch eine Hütte, die vielen Studies den Neid in die Augen treibt, denn sie ist groß genug, als dass man eine komplette Wohnung darin einrichten könnte. Eine einfache Gartenlaube ist jedenfalls einige Qualitätsstufen darunter. Inzwischen liegt die erfolgreiche Eröffnung der Landesgartenschau hinter uns und es sind nicht mehr nur die Beteiligten, die Interesse daran zeigen. Verwirrung kommt nur dadurch zustande, dass an anderer Stelle auch viel beworben Tiny Houses ausgestellt werden. Es kommt regelmäßig vor, dass jemand bei uns steht und fragt, ob dies hier die besagten Minihäuser sind. Auch sind bereits erste Kaufanfragen gekommen.

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Richtfest! Der Rohbau war hier fertig, es fehlten noch Dach, Boden und Fenster / Türen. Außerdem ist noch ein Schutzanstrich hinzugekommen aber ansonsten hat sich wenig verändert.

Die Hütte ist aktuell jedenfalls ein größerer Blickfang als unser Werkzeugschuppen, und das völlig zu Recht. Aber das kann sich noch ändern, denn letzterer soll noch einige kleine Updates erfahren. Hier soll noch eine Dach- und Fassadenbegrünung entstehen. Der Rohbau dafür sieht zugegebenermaßen noch sehr rudimentär und nicht so ansehnlich aus. Die Aufhängungen und Abdichtung ist bereits vorhanden, der Aufbau fehlt noch.

Aber im Gegensatz zur VHS-Hütte ist dieser Schuppen tatsächlich ein vollständiger Eigenbau. Ein Stahlgerüst im soliden Fundament ist die Basis, auf die eine Holzverkleidung gebaut wurde. Sie ist nur leider zu klein für die Massen an Werkzeug und Baumaterial, die wir darin lagern, aber eigentlich sollte das ja eh bereits verarbeitet sein. In den nächsten Wochen gibt es hier sicherlich große Fortschritte.

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Hier zwei Wochen vor der Eröffnung und auch heute noch nicht ganz fertig. Man kann aber die Aufhängungen für die Vertikalbeete bereits erkennen und das Schutzvlies. Ein Bild von der fertigen Hütte liefer ich gerne nach, wenn es gewünscht ist.

Die mit Abstand am meisten fotografierte „Immobilie“ auf dem Gelände wird aber wohl die „einfachste“ sein. Unser Garten-Fräulein *link* wollte die Möglichkeiten eines einfachen Balkons in der Stadt aufzeigen. Da wir aber nur eine große Ebene hatten und keinen Balkon, haben wir eine kleine Terrasse gebaut, die einem Balkon wohl am nächsten kommen kann. Hier hat sie sich gründlich austoben können und mit viel Improvisation liebevolle Dekorationen erstellt.

Auch die Sitzmöbel auf dem Balkon werden mit viel Begeisterung angenommen. Irgendjemand sitzt dort immer und genießt eine kurze Pause von dem ganzen Trubel und dem vielen Laufen. Auch wenn der Platz noch so klein ist, man hat eine gute Aussicht auf die ganze Fläche von dort aus. Bis zum Sommer ist es hoffentlich noch etwas weiter zugewachsen, so dass es noch mehr den Charakter einer grünen Oase der Ruhe annehmen kann.

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Ein altes Bild, noch ohne bunte Blumen. Inzwischen ist der Balkon nämlich permanent belagert und immer steht irgendwer im Bild. Der Andrang überrascht mich. Auf dem Stuhl sieht man einen Bilderrahmen stehen. Darin wachsen verschiedene Sukkulenten hinter Hasendraht, also auch eine Form von vertikaler Begrünung.

Auf der Rückwand des Balkons ist übrigens auch unser Kondomautomat angebracht. Inzwischen mit dem Namen „Samenspender“ versehen zieht er viel Aufmerksamkeit an, aber leider auch etwas Spott, denn es zeigt sich, er wurde nicht ganz so geliefert wie bestellt. Eigentlich sollte er mit Döschen bis Zigarettenschachtelgröße beladen werden können, aber es zeigt sich, dass diese Kisten zu groß wären. Sie rutschen nicht nach, also müssen wir leider ohne ihn starten und erst kleinere Schachteln bestellen. Aber dann kann auch diese Aktion in Betrieb gehen.

Und zum Abschluss ist mir jetzt auch noch eingefallen, dass ich euch unser Gewächshaus völlig unterschlagen habe. Aber davon erzähle ich euch vielleicht ein anderes mal…

StadtGartenSchau – Teil 5. – Mobile Gärten

UrbanGardening ist häufig nur eine Zwischennutzung von Brachflächen für einen bestimmten Zeitraum, manches mal auch einen unbestimmten Zeitraum. Da man also nie weiß, wann man eine Fläche räumen muss, empfiehlt es sich, den Garten mobil zu halten. Aber auch nicht zu mobil, denn sonst findet man sein Kartoffelbeet eines schönen Morgens nicht mehr auf dem Parkplatz des Wohnblocks sondern drei Bushaltestellen weiter im Straßengraben. Das wäre doch schade darum.

Also gilt es einen Mittelweg zu finden, um im Zweifel mobil aber dennoch sicher zu sein. Der Klassiker sind Hochbeete. Ein paar Paletten, Winkel, Schrauben, gegebenenfalls etwas Hühnerdraht, und schon ist es fertig. Geeignet für jeden Untergrund vom frisch gepflügten Acker bis hin zu Asphalt. Der Besondere Clou hier: Auch Menschen mit Rücken-, Hüft- oder Knieleiden können hier problemlos gärtnern, denn der Boden ist angenehm auf Hüfthöhe. Da wir ein Prozessgarten sind, der von der Interaktion mit und der Beteiligung der Besucher lebt, bietet es sich an, gemeinsam mit ihnen Hochbeete zu bauen. Das haben wir auf dem Baustellenfest im Herbst auch gemacht. Zur Eröffnung wollten wir aber die Beete bereits stehen haben, da es ansonsten sehr leer darin aussehen würde. Immerhin wollen die Pflanzen ihre Zeit zum wachsen haben.

Bei der Befüllung ist zu beachten, dass nicht alles mit Erde aufgefüllt wird. Der untere Bereich wird mit grobem Holzschnitt und Ästen gefüllt, um eine Drainage zu schaffen. Nach oben hin wird das Material immer feiner bis eine Lage Kompost und eine Lage Erde kommen.

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Frisch befüllt und gesät. Einen Monat später zeigen sich bereits die ersten zarten Blättchen darin. Es verspricht toll zu werden!

Wem ein paar Paletten zu klein sind, für den haben wir die Luxusvariante: Einen Container. Das Prinzip bleibt aber genau das gleiche. Drainage und nach oben hin feiner werdende Erde. Allerdings wird es hier schon mühsamer für den Rücken, wenn man in die Mitte kommen möchte. Da muss man schon hinein klettern und da muss man sich ja doch wieder bücken.

Als eine der besonderen Attraktionen unserer Ausstellung hat sich aber die Geschichte eines Mannes entpuppt, der zwar einen Garten haben wollte, aber zu seiner Innenstadtwohnung nur einen Parkplatz bekam. Er hatte nicht bedacht, dass er den Parkplatz mit der Wohnung gemeinsam mieten musste, obwohl er selbst überhaupt kein Auto hatte. Zu allem Überfluss bekam er auch keine Genehmigung, etwas anderes als ein Auto dort abzustellen. Was ihm also blieb, war ein Auto dort abzustellen und das Beste daraus zu machen.

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Farbe taugt als Blickfang! Besser riechen tut es so auch, nur wirklich weit bringt es einen so natürlich nicht mehr. Wer würde ihm das aber übel nehmen?

Inzwischen steht dieser Hybrid zwischen Auto und Garten bei uns und ich habe mich schon mehr als einmal gefragt, wieso wir uns überhaupt so viel Mühe mit dem Garten machen. Es stehen eh alle nur um dieses Teil herum. Alle Lieferanten, alle Bauarbeiter und Pressevertreter. Vielleicht ändert sich das ja im Sommer, wenn unsere Pflanzen gut gewachsen sind. Auch wenn ich gestehen muss, dass der Anblick wirklich etwas hat. Und wer wäre ich denn, wenn ich mich nicht für eine kreative Idee begeistern könnte? Auch wenn es eben nicht so klang, ich bin froh darum, dass es da ist. Es ist bunt und unkonventionell und führt, genau wie unser Samenspender, einen Alltagsgegenstand einer neuen Bestimmung zu.

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Alles auf einem Blick. Container, Auto und im Hintergrund sogar ein Hochbeet. Hier übrigens schon voll bepflanzt, denn das Foto ist vom Eröffnungstag. Und ja, das da links hinter dem Container ist ein blauer Einkaufswagen, der auch mit Erde befüllt ist und auf muntere Pflänzchen wartet. Hier kann man sich die Drainage dann natürlich sparen.

StadtGartenSchau – Teil 4. – Ein Automat

Beim letzten Mal ging es auf der Baustelle endlich mit der großen Formgebung los aber bereits beim zweiten Teil gab es einen kleinen Vermerk auf das heutige Thema. Es ist nur ganz kurz und noch nicht einmal fertig, aber ich finde die Idee dahinter so nett, also wird das hier nun zwischen geschoben. Nächstes Mal geht es dann wieder an die großen, maßgebenden Strukturen unserer Ausstellung.

 

Auf einer früheren Sitzung war bereits beschlossen worden, dass wir uns einen Automaten zulegen sollten, ähnlich einem Kaugummi- oder mechanischen Zigarettenautomaten. Mechanisch musste er sein, denn eine Stromversorgung war zu dem Zeitpunkt längst nicht gesichert. Die ersten Ideen waren, einen solchen Kasten selbst aus Holz anzufertigen, oder aber anfertigen zu lassen. Über die Konstruktion müsste man sich dann noch Gedanken machen. Über die Wirtschaftlichkeit auch. Es zeigte sich nämlich schnell, dass man bereits für vergleichsweise wenig Geld einen gebrauchten, alten Automaten kaufen konnte. Mechanisch, ohne Strom, erprobt und getestet, also fast genau, was wir wollten. Das einzige Problem war, dass man hier einen festen Betrag einwerfen musste, und die Spende damit schon wieder nur halb freiwillig sein würde.

Was soll es für die Spende geben? Ein Päckchen Saatgut! Bienenweide, angepasst an das trockene Klima mit den warmen Sommern Mainfrankens. Immerhin muss Gärtnern nicht nur schön aussehen sondern kann auch ein wertvoller Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz liefern. Als Referat Ökologie haben wir uns ökologische Intensivierung ja auch am CampusGarten bereits auf die Fahne geschrieben. Mit diversen Nisthilfen in Kräuterspirale und Trivarium bringen wir diesen Aspekt natürlich auch in der StadtGartenSchau mit ein.

Die Entscheidung fiel dennoch nicht schwer. Die feste Spende sollte es sein, und wir würden einen solchen Automaten kaufen. Man konnte ihn ja schließlich immer noch bunt anmalen und dekorieren. So würde er auch viel besser zu unserem Gedanken des Recyclings passen und dem ganzen einen urbanen Charme verleihen. Dieses Projekt gehörte zu denen, die am reibungslosesten liefen. Bereits kurz nachdem unser Saatgutsponsor bestätigt war und wir uns eine Methode überlegt hatten, wie man tatsächlich ans Saatgut gelangen konnte, traf in unserem Zwischenlager am CampusGarten ein alter Kondomautomat ein.

Mir gefällt besonders die Ironie dahinter. Natürlich, man kann einen solchen Kasten mit allem befüllen, aber ausgerechnet die Nutzung als Kondomautomat? Damit wäre es ja seine Aufgabe, die Verbreitung von Saatgut zu verhindern. Wir hatten das genaue Gegenteil vor und wollten mit ihm die Verbreitung von Saatgut erst möglich machen. Wie perfekt konnte es denn überhaupt passen?

 

PS.: Das „Reibungslos“ würde ich beinahe in Klammern setzen. Wir haben den Automaten zwar bereits und es ist alles geregelt, aber aufgestellt muss er noch werden. Aber wie schwer kann das schon sein? Muss ja auch nicht zur Eröffnung sein, immerhin sind wir ein Prozessgarten, der im Laufe der Zeit entsteht, wächst und gedeiht.

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In künstlerisch wertvoller Perspektive. Du guckst ihm gerade quasi unter den Rock, du Schlingel. 😉 Bei dem einheitlichen Blau soll es übrigens nicht bleiben, wie ja auch im Beitrag erwähnt.

StadtGartenSchau – Teil 3. – Formen entstehen …

In Teil 2 gab es einen Überblick, was unsere Ausgangslage war und wie unser Baumaterial aussah. Jetzt geht es einmal an die tatsächliche Formgebung, um nicht zu sagen: Es geht so wirklich los!

…und Rücken brechen. Nur gefühlt, keine Panik, aber die Arbeiten der nächsten Wochen waren körperlich sehr anspruchsvoll.

Die Landesgartenschaugesellschaft hat uns Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt. Natürlich nur auf Bestellung, aber immerhin das. Darunter befand sich Sand, Erde, etwas Holz und zwei ordentliche Haufen von gebrochenen Muschelkalkquadern. Den meisten Schotter haben wir direkt da verbaut bekommen, wo auch später einmal ungefähr die Wege lang laufen sollten. Immerhin gibt es auf diese Weise etwas Struktur und die Löcher und Hügel für unsere Strukturprojekte hatten wir ja immerhin auch bereits angelegt.

Auch die ersten Pläne waren soweit, dass man die Formen daraus ableiten konnte, auch wenn es noch viele Stellen gab, an denen nur große Fragezeichen eingetragen waren. Eines davon ging an mich. Nachdem ich im letzten Jahr im CampusGarten das Experiment mit meiner Milpa durchgeführt hatte und der Mais sich dabei als echter Blickfang erwiesen hatte, war es nicht schwer, grünes Licht für einen weiteren Anlauf dazu auf der Landesgartenschau zu bekommen. Die 2x2m wären doch garantiert leicht noch irgendwo unterzubringen. Aber auch hier wartete bereits eine kleine Überraschung für mich.

Ansonsten wurde der Flächenplan wesentlich von dem großen Mischkulturbeet am unteren Ende der Fläche, Werkzeugschuppen und Aufenthaltshütte am oberen Ende, einer großen Kräuterschnecke und einem großen Trivarium in der Mitte dominiert. Das Mischkulturbeet existierte zu diesem Zeitpunkt sogar bereits in der Form eines großen Holzkastens, der mit Erde und reichlich Kompost aufgefüllt war und unter einem Wald von Gründüngung unterzugehen schien. Auch sehr vielversprechend: Im Kompost hatten sich einige Kürbissamen versteckt gehalten, welche nun produktiv austrieben. An Nährstoffen scheint es schon einmal nicht zu mangeln.

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Ein nicht einmal mehr so früher Planungsstand. Teilweise hat er auch immer noch Bestand aber wer uns hiermit besuchen kommt wird sich nicht gut zurecht finden. Sehr vieles hat sich seitdem getan.

Es stand also an, dem ganzen eine Form zu geben. Für mich hieß das, entlang der Wege hier und da Buckel aus Ton abzutragen und Löcher mit Schotter und Sand aufzufüllen. Schotter hatten wir zu wenig und der Sand war wassergesättigt. Wenigstens in dieser Hinsicht passte er zum Ton darunter, denn im Gegensatz zum Ton war der nasse Sand sehr fließfähig und verformte sich unter Last so, dass man immer gut Reserve einplanen musste, damit die Steine auch blieben, wo sie hin sollten. Und während die Arbeiter in der Fußgängerzone noch einen schicken kleinen Kran zur Verfügung haben, um ihre Steine zu platzieren, lief bei uns alles von Hand.

Der geneigte Handwerker mag jetzt schmunzeln, dass dies für mich eine erwähnenswerte Tatsache ist, aber ich habe die letzten Jahre hauptsächlich an Schreibtischen verbracht und bin entsprechend nicht sonderlich trainiert. Quader mit vielleicht der Hälfte meines eigenen Gewichtes zu tragen ist da durchaus etwas anderes, als für einen Profi mit Kraft und Übung. Leichtsinnig wie ich bin, hab ich mich davon natürlich nicht abhalten lassen und mit dem Ergebnis bin ich dafür umso zufriedener. Auch wenn einem abends nicht nur der Rücken wirklich weh tut.

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Eine schön gleichmäßig geschwungene Kante, von der heute leider nur noch die Hälfte zu sehen ist. Und nebenbei auch eine der wenigen Stellen, wo nicht bunt das Material zusammen gewürfelt wurde. Ein Großteil unserer Baumaterialien sind tatsächlich Abfälle von anderen Projekten auf der Ausstellung.

Da wir von den teuren Bruchnatursteinen aber nicht so viele hatten, musste der Rest dann mit den Steinen abgegrenzt werden, die wir aus der Fläche selbst gezogen haben. Diese Steine sind deutlich kleiner, einfacher zu handhaben aber natürlich wild gebrochen und keine Quader. Es ist schwieriger, daraus eine vernünftige Wegeinfassung zu bauen aber auch das wäre okay gewesen, wenn wir damit gerechnet hätten, dass auf den geschotterten Weg nicht nur 5 sondern ganze 20 cm Schotter noch einmal aufgebracht werden würden. So ist das Ergebnis jetzt geringfügig unterwältigend und wir dürfen uns noch den ein oder anderen Trick überlegen, wie wir denn die Besucher davon abhalten, wild durch die Bepflanzung zu stampfen. Aber auch diese Aufgabe haben wir inzwischen meistern können.

Wie gut der nasse Sand zum bauen geeignet war zeigt sich auch am Teich, den wir unbedingt noch vor dem ersten Schnee bauen wollten. Die Terrassierung haben wir aus besagtem Sand angefertigt und noch bevor wir die Folie richtig fixiert hatten sackte es schon wieder in sich zusammen.

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Hier noch nicht absehbar: Wir hätten uns die Folie wohl auch sparen können. Der tonige Boden ist dermaßen dicht, dass Regenwasser auch so nicht ablaufen kann.

Und nächstes Mal gibt es einen Blick auf eine kleine Randattraktion mit hoffentlich dennoch großer Wirkung.

StadtGartenSchau – Teil 2. – Es geht los!

In Teil 1 habe ich die Vorgeschichte bereits erläutert und das Projekt vorgestellt. Hier beginnt nun die Umsetzung der Ideen. Der Wahnsinn selbst muss bereits irgendwo davor ausgebrochen sein.

 

2000m2 Wüste aus Lehm, durchzogen mit dicken Steinen, Unsere Hände, Werkzeug aus dem CampusGarten und aus dem Sortiment der Stadtgärtner und etwa so viel Zeit, wie ein Kind in der Produktion braucht. Das waren die Stadtbedingungen, mit denen wir an das Projekt StadtGartenSchau herangegangen sind. Die Vorgabe war, ein UrbanGardening Projekt zu erschaffen und unser Ansporn war, das auch zu schaffen, und dabei auch noch ökologisch wertvoll und nachhaltig zu sein.

Auf den Baustellen rund herum fielen bereits die ersten brauchbaren Reste ab, hauptsächlich Paletten, die wir zur Seite schafften, um später etwas hübsches daraus zu bauen. Ich würde euch ja gerne ein Foto aus diesem Bauabschnitt zeigen, aber ich habe keins. Es war einfach zu unspektakulär, auch wenn es im Nachhinein sehr hilfreich wäre um sich vorzustellen, wie es einmal war und wie es geworden ist.

Was einmal eine geneigte Ebene aus Lehm war, wurde schnell zu einer geneigten Ebene aus Lehm, auf der zwei große Haufen alter Paletten und dicker Steine lagen, die wir aus dem Lehm ziehen konnten. Die ersten Samstage zogen wir mit Spitzhacke und Brecheisen über die Fläche, denn Spaten und Schaufeln erwiesen sich schnell als völlig wirkungslos. Unterdessen entstand auch gleichzeitig der Plan in seiner ersten Version, denn bis dahin hatte niemand die Zeit gefunden, sich ernsthaft Gedanken zu machen, wie die Fläche denn überhaupt gestaltet werden sollte. Baubegleitende Planung muss schließlich nicht immer in einer Elbphielharmonie oder einem Berliner Flughafen enden.

Und das war dann auch der Anblick über die ersten Wochen. Viel Ton, schmutzige Steine und größtenteils kaputte Paletten. Hier und da auch ein paar Metallteile, Betonbruchstücke, Mauerziegel und ein Kanaldeckel. Wie um alles in der Welt sollte hieraus etwas ansehnliches werden?

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Der Boden nachdem man die großen Steine daraus entfernt hat. Und die kleinen auch. Nach einem Regenguss klebt der Ton richtig gemein an den Schuhen und man bekommt ihn auch nicht einfacher bewegt.

Die einfachste Lösung wäre vielleicht gewesen, einfach alles mit Hochbeeten voll zu stellen und Gemüse anzubauen. Wie langweilig! Bunte Hochbeete können ja auch etwas für sich haben, aber dafür baut man keine Landesgartenschau. Auch das Mischkulturbeet im unteren Bereich der Fläche war noch nichts, was man als hübsch bezeichnen konnte. Ein großer Holzrahmen, der mit Kompost gefüllt war und in dem wüst Gründüngung wucherte.

Doch dann kam die Erlösung: Der Minibagger!

Wir hatten zwar immer noch nur einen rudimentären Plan, was wo entstehen sollte, aber immerhin den hatten wir bereits. Und mit dem Bagger hatten wir erstmalig die Chance, tatsächlich formgebend arbeiten zu können. Leider klingt das erst einmal spektakulärer, als es dann am Ende war. Auch wenn die Maschine wirklich Spaß gemacht hat und auch einiges geschafft hat, war das Ergebnis am Ende in der Form von zwei Löchern und einem Hügel zu sehen. Hier und da waren einige Kratzer in der Oberfläche, aber nichts, was wirklich relevant erschien. Die Hauptarbeit schien es gewesen zu sein, die Haufen von Material von einer Stelle auf eine andere zu bewegen.

Der Herbst schritt zu dieser Zeit bereits weiter fort und es wurde immer früher dunkel. Während einer der letzten Grillabende bei den Stadtgärtnern oder auch im Haus des CampusGartens fanden die ersten Koordinationssitzungen statt, in denen neben dem Pflanz- und Bauplan auch das Programm abgesteckt wurde. Vorträge, Mitmachaktionen und Workshops wurden geplant, organisiert oder wieder verworfen. Es gab viel Organisationsarbeit, denn unser Budget war sehr schmal bemessen. Dennoch braucht es einfach gewisse Materialien und auch wenn die Landesgartenschau selbst unsere zwei Haufen inzwischen durch weitere ergänzt hatte, fehlte es noch immer an so einigem.

Auch diskutiert wurden die Fragen, was wir überhaupt dürfen und tun sollten. Beispielsweise gab es früh die Idee, Saatgut zu verteilen, welches die Leute mit in die Stadt nehmen oder zuhause ausbringen konnten. Nur ist das überhaupt in dieser Form legal? Und wie verteilen wir das? Ein Automat spuckt seine Schächtelchen immer nur gegen Geld aus, aber das Saatgut selbst konnten wir von einem Sponsor gratis beziehen. Dürfen wir dann überhaupt Geld dafür nehmen? Wir fühlten uns komisch dabei und es endete in einem Kompromiss. Der Automat sollte kommen und den Besuchern die Option geben, unser Projekt mit einer Spende zu würdigen. Als Dankeschön für diese Würdigung sollte es dann das Saatgutpacket geben.

Ein Projekt war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bereits durch. Der CampusGarten hatte seine Verbindungen spielen lassen und die Arbeit einiger Designstudenten aus Halle erstanden: eine mobile Gartenküche. Wetterfest, modular, beweglich, und mit allem, was eine Küche brauchte, den Kühlschrank einmal ausgenommen. Sie hatte bereits Position im Haus am CampusGarten bezogen und musste stolz jedem präsentiert werden. Immerhin war sie eine große Motivation und Inspiration. In einem halben Jahr würde man um diese Küche herum auf der Landesgartenschau sitzen können und die erste gemeinsame Ernte zu einem kleinen Festmahl verwandeln können.

Doch bis dahin würde es noch ein langer Weg sein.

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Eine mobile Küche. Drei Module in der Form von Rollcontainern (die Räder sind hinten) mit jeweiliger Funktion. Die Abdeckungen kann man zwischen die Container klemmen und so die Arbeitsfläche vergrößern. Durchdachtes Design kompetent umgesetzt und das auch noch stilsicher.

StadtGartenSchau – Teil 1. – Hintergrund

Anfang März hatte ich ja bereits angekündigt, etwas mehr Informationen zu unserem kleinen Projekt am CampusGarten zu posten. Die Überlegung war, es als kleine Serie zu gestalten, die regelmäßig erscheint. Aber sind wir doch mal ehrlich, wirklich regelmäßig wird es nicht sein. Was wäre das nur für ein Grund, nicht trotzdem einfach einmal anzufangen? Wer braucht schon einen Plan?

Teil 1. Hintergrund

Vor 10 Jahren, 2008, zogen die US Streitkräfte aus der letzten von vier Kasernen in Würzburg, den Leighton Barracks am Würzburger Hubland ab. Damit endete eine fast 100 Jahre andauernde militärische Nutzung der Fläche dort. Bereits im ersten Weltkrieg wurde hier eine sporadische Flugausbildung der Luftwaffe betrieben, aber erst 1936 wurde ein dauerhafter Fliegerhorst der Reichs-Luftwaffe errichtet. 1945 ging die Basis dann nahtlos an die US-Truppen über.

Jetzt, 10 Jahre nach dem Abzug, beginnt die Nachfolgenutzung. Anlass dazu ist die Landesgartenschau 2018. In Bayern ist es so geregelt, dass Landesgartenschauen nicht auf „grüner Wiese“ angelegt werden dürfen, sondern in Verbindung mit Konversionsflächen stehen müssen. Und hier gibt es viel Fläche, die zu konversieren war. Viele alte Gebäude mussten abgerissen oder sehr aufwändig saniert werden. In der Geschichte der Gebäude gab es immer wieder Baustoffe, die so heute verboten sind, wie Teer, Bleifarbe oder Asbest, aber auch eine gute Auswahl an Stoffen, die eigentlich nicht einmal Baustoffe sein sollten aber trotzdem gefunden wurden, wie Mineralölrückstände, Phosphorbomben noch aus dem Krieg oder DDT, als Insektenschutz in den Gebäuden.

Wenigstens seit 2014 wird auf dem Gelände rück- und neugebaut. Ein Vergnügen, was alle Beteiligten viel Geld, Zeit und offenbar auch Nerven kostet. Dafür soll hier im Anschluss ein komplett neuer Stadtteil entstanden sein mit dringend benötigtem Wohnraum. Aber vorher soll noch die Landesgartenschau hier stattfinden und viele Touristen in die Stadt ziehen.

Und hier kommen wir dann auch ins Spiel. Im letzten Jahr wurde nämlich eine Kooperation zwischen dem CampusGarten, bei dem ich mich überraschend in der Organisation und Leitung wiedergefunden habe (ich habe immer noch keine Ahnung, wie das passieren konnte), und dem Stadtgärtner e.V. Würzburg begonnen. Gemeinsam mit der VHS sollten wir eine UrbanGardening Fläche erstellen, immerhin sind wir ja die Profis darin, aber für jeweils eine einzelne Organisation wäre das viel zu viel Arbeit gewesen. Ich kann nicht sagen, ob es daran lag, dass eventuell etwas Fläche einfach übrig war, die es zu füllen galt, oder weil UrbanGardening aktuell ein Trendthema ist und die Organisation der LGS ihre Zielgruppe auf mehr als die klassischen Rentner ausdehnen wollte.

Aber wir sagten zu und bekamen 2000m2 Parkplatzfläche zugewiesen. Wenige Wochen später war die große graue Asphaltfläche dann unter etlichen LKW-Ladungen „Erde“ begraben. Dieses planierte Gemisch aus stark tonigem Lehm und dicken Steinen sollte unser Spielplatz sein, in Sichtweite zum alten CampusGarten, der nebenher weiter wuchs und gedieh.

Mit Köpfen voller Ideen aber keinem rechten Plan begann unser kleines Abenteuer und es wurde ein regelrechter Marathon.

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Eine „historische“ Ansicht des Geländes, hier von 2001. Weiter geht Google Earth nicht zurück und für die älteren Ansichten habe ich keine Lizenzen. Rot umrandet (ich hoffe, ihr habt gute Augen) ist die Fläche, die uns zugewiesen wurde. Direkt angrenzend an die alte Mall und das westliche Ende der Landebahn. Hier war sie bereits stillgelegt, teilweise als Straße, teilweise als Helipad genutzt. Übrigens auch eine spannende Fundgrube für die Baustoffbeprobung. Ich empfehle gute Handschuhe. (Keine Sorge, inzwischen ist alles gründlich saniert, dem Steuerzahler sei Dank!) Der blaue Bereich ist der Standort von unserem CampusGarten. Inzwischen sieht das ganze Areal etwas anders aus und wir sind zu allen Seiten von Baustellen umgeben. Nach hinten Raus soll dennoch Grünfläche bestehen bleiben.

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 171.

Heute leider einmal gründlich verspätet, denn das Wochenende ist mit strahlendem Sonnenschein und wunderbaren Temperaturen im Gepäck gekommen. Da muss man doch raus und hat keine Zeit, irgendwelche Geschichten auf ominösen Webbloggs zu lesen. 😉

Rehabilitation

„Was hat sich denn nun eigentlich mit dem Job ergeben? Du meintest doch, der Lehrstuhl hätte sich endlich gemeldet.“

Flo war der Ansicht, dass Erik sich deutlich gebessert hatte. Er war wieder dazu übergegangen regelmäßig zu duschen, trug saubere Kleidung, hatte sich rasiert und wirkte generell wieder etwas wacher, anwesender und neugieriger. Sein Zimmer war aufgeräumt, wenn auch immer noch etwas staubig, aber im Großen und Ganzen sauber. Immerhin hörte er ihm zu und zeigte dies auch noch durch passende Fragen. Das alles war im letzten halben Jahr durchaus sehr viel anders gewesen. Flo hatte sich dabei bereits so sehr an den „neuen“ Erik gewöhnt, dass er nun eine Weile brauchte, um sich zu erinnern, dass er ihm ja bereits vor einer Woche von der ausstehenden Hiwi Stelle erzählt hatte.

„Ja, sieht so aus, als würde er was werden. Unterschrieben ist noch nichts, aber bei dem Lehrstuhl wundert mich das nicht. Sie haben uns jetzt aber immerhin mal zu einer Besprechung in zwei Wochen eingeladen und wollen bis dahin wissen, wer welchen Termin übernimmt. Hatten sie dich nicht auch gefragt?“

Erik spülte seine letzte Kaffeetasse und räumte sie zum Trocknen ins Trockenreck. Eine weitere Eigenschaft, die so langsam wieder zurück kam. Er bekam

„Nein, haben sie tatsächlich nicht. Ich meine, es hätte mich gewundert, wenn sie mich gefragt hätten. Die haben ja meine Hausarbeit auch vorliegen und du meintest ja auch, er hat dich angesprochen, weil du von der Persönlichkeit her auf das Profil passt. Der weiß selbst, dass ich nicht angenommen hätte. Ich mache keinen Job mit Kundenkontakt.“

„Hast du denn wieder was?“

„Noch nicht, aber ich bin dran. Habe ein Angebot bekommen, von da, wo ich schon mein Praktikum im Bachelor gemacht hatte. Den Job kann ich mir dann auch wieder als Praktikum anrechnen lassen.“

„Dann ist es wenigstens ein bezahltes Praktikum. Hat auch seine Vorteile.“

„Stimmt, es kann schließlich nicht jeder Überzeugungstäter sein. Wie geht es eigentlich Kristina?“

„Ganz gut soweit. Viel Arbeit natürlich, aber demnächst hat sie ein paar Tage vor Semesterbeginn frei, da wollten wir mal weg fahren. Wie sieht es denn bei dir aus? Was ist mit Marlene geworden? Sie hieß doch so, oder?“

Erik warf einen vorsichtigen Blick in einen Topf, den er im Kühlschrank gefunden hatte, und stellte erfreut fest, dass der Inhalt etwas angetrocknet aber noch genießbar war. Für den Abend wanderte er zurück in den Kühlschrank.

„Oh ja, läuft ganz gut, wenn man so will. Kommt vielleicht etwas auf die Betrachtungsweise an.“ Flo hob fragend die Augenbrauen. „Nicht falsch verstehen, sie ist eine tolle Frau. Zuckersüß, wunderschön, intelligent, und leider völlig durchgeknallt. Sie hat ein Helfersyndrom und sucht sich wohl unbewusst immer die Männer, bei denen es etwas zu reparieren gibt.“

„Also bist du ihr Projekt und sie will dich reparieren?“

„Nein, das kann sie nicht. Aber ja, ich glaube, das ist es, was mich für sie interessant macht. Sie will immer anderen helfen, oder zu Hilfe verhelfen, aber selbst sieht sie nicht ein, dass sie Hilfe braucht. Ich komme ja wieder aus meinem Loch raus, aber sie sieht nicht einmal ein, dass sie in einem drin steckt. Deswegen wird es am Ende wohl nicht klappen, auch wenn es zur Zeit noch sehr schön ist. Sie braucht mich halt, um glücklich zu sein, aber ich bin nicht auf sie angewiesen. Wir müssen also etwas finden, um sie auf eigene Füße zu stellen. Wenn das klappen sollte, dann kann es funktionieren. Aber wie überzeugt man jemanden davon, dass er Hilfe braucht, der in dem festen Glauben ist, alles würde gut werden, wenn man nur jemand anderem hilft?“

Flo verstand, was Erik damit meinte. Und er spürte Eriks leise Hoffnung, ihr doch noch helfen zu können und vielleicht jemandem an seiner Seite zu haben, der er auf Augenhöhe begegnen konnte, vielleicht zum ersten mal seit … immer.

Steinwands Hauskatze