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It‘s the end of the world as we know it

It‘s the end of the world as we know it

 

Es ist so weit, die Apokalypse ist offiziell angekündigt. Das System ist zusammengebrochen und hat sich abgemeldet. Okay, nur das duale System. Jahre der Umwelterziehung fallen einer Krise zum Opfer, die sich den meisten Menschen in erster Linie durch Massenhysterie um ausverkauftes Klopapier bemerkbar macht. Die lokalen Stadtreiniger kürzen alles zusammen und leeren ab sofort nur noch den Restmüll. Wer keinen eigenen Kompost auf dem Balkon hat, möge ihn bitte im Restmüll entsorgen, auch die Papiertonnen werden auf unbestimmte Zeit nicht mehr abgefahren, Wertstoff- und Recyclinghöfe bleiben ebenso geschlossen.

Die Krise hat Deutschland fest im Griff. Schulen und Kindergärten sind genau so geschlossen wie die Konsumtempel. Bei bestem Frühlingswetter sollen die Menschen motiviert sein, sich in ihre vier Wände zurückzuziehen, nur die nötigsten Ausflüge zum Supermarkt oder Arzt zu unternehmen, nach Möglichkeit von zuhause aus zu arbeiten, um keine Kollegen zu infizieren und grundlegende Hygieneregeln wie Händewaschen zu beachten. Treffen mit Freunden? Lieber nicht, und wenn nötig, bitte nur in kleinen Gruppen und mit ausreichend Abstand.

Flatten the curve! Streckt die Neuinfektionen über eine möglichst lange Zeit, damit das Gesundheitssystem es auch auffangen und bearbeiten kann. Und über allem schwebt, bzw. fällt inzwischen das Damoklesschwert der Ausgangssperre als letztes Mittel der Politik, der Situation noch, wenn schon nicht Herr, dann wenigstens aber doch Lehrling zu werden.

Die Leute lassen sich davon kaum abhalten. Solange die Cafés geöffnet sind, sitzen sie auch voll. Nur langsam nimmt der Abstand zwischen den Passanten zu und nur langsam nimmt die Zahl derer ab, die sich dazu entschließen, das Wetter mit Freunden, Verwandten und Bekannten im Park zu verbringen. Immerhin ist doch fast perfektes Wetter zum Grillen. Was fällt Mutter Natur auch ein, da einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen? Es wirkt beinahe trotzig, wie etliche Leute sich nun in Gruppen in der Sonne sammeln.

Einige halten sich trotzdem an die Aufforderung, zuhause zu bleiben. Wenigstens haben sie ihre eigene Interpretation dessen, was gefordert wird. Mit Hamsterkäufen und allem was dazu gehört. Auf dem Heimweg von der Arbeit kann man die Ströme von Menschen beobachten, die Massen an Lebensmitteln aus den Supermärkten schleppen. Bei den meisten ist der Blick eher nach innen gekehrt. Nur die, die noch eine Packung Klopapier ergattert haben, gucken irgendwie eher beschämt.

Aus der Fußgängerzone schallt das Rattern der Skateboards. Eine Gruppe Jugendlicher nutzt die Schulsperrung, um dieses Hobby noch einmal aufleben zu lassen. Noch ist die Ausgangssperre schließlich nicht in Kraft getreten. Viele Passanten machen dennoch lieber einen Bogen um die kleine Gruppe, die sich um Bluetooth Box und Palette Energydrinks in Dosen versammelt hat. Ein altes Ehepaar schüttelt verständnislos die Köpfe darüber, bevor sie sich zu ihren Freunden ins Café setzen. Zwei Radfahrer rauschen vorbei. Sie sind offensichtlich nicht auf dem Heimweg von der Arbeit oder zum Einkaufen, sondern nur auf Spazierfahrt unterwegs.

Eine Querstraße weiter staut sich der Verkehr hinter einem Lastwagen, der gerade seine Baustelle beliefert. Die Arbeiter können auf Mindestabstände hier keine Rücksicht nehmen und auch der Innenausbau ist im Homeoffice kaum zu realisieren. Spaß an der Arbeit sieht bei den meisten anders aus. Einzig der König der Baustelle in seinem Kran und der LKW Fahrer gucken, als würden sie das Wetter genießen können. Wobei der Kranfahrer sich auch über sein Pausenbrot freuen könnte, welches er gerade mit einem Bier hinunter spült. Natürlich alkoholfrei! Nicht, dass ich das von hier unten erkennen könnte, aber ich unterstelle es ihm. Denn Arbeitssicherheit gilt immer noch, da wird im Kran bitte nicht gesoffen.

Von dort oben kann er sicherlich auch in den Innenhof im übernächsten Block gucken. Die Abendsonne scheint jedenfalls eifrig hinein, spiegelt sich in einigen Fenstern und wird von den zahlreichen offenen Balkontüren geschluckt. Die ersten Blumenkästen sind bunt geschmückt, Balkonmöbel werden raus gestellt und irgendwo tönt R.E.M. aus einer Wohnung. It‘s the end of the world as we know it hallt durch den offenen Hof auf die Straße, auf einzelnen Balkonen wird getanzt. Es hat etwas von Urlaubsstimmung. In der oberen Etage wirft jemand eine Bierflasche über die Ecke auf den benachbarten Balkon. Sein Freund versucht sie mit einem Kissenbezug zu fangen. Man hört das Reißen des Stoffs, bevor die Flasche dumpf auf dem Balkon zerschellt. Ich höre nur noch das Fluchen, als ich um die Ecke verschwinde.

It‘s the end of the world as we know it and I feel fine begleitet mich auf den Metern bis zum letzten Supermarkt vor der eigenen Haustüre, und irgendwie scheint es das passende Motto der Krise zu sein. Eines ist hier sofort deutlich: Es gibt noch Toilettenpapier! Wein in Tetrapacks, Konservendosen und Klopapier, das dominiert hier das Bild der Einkaufstüten. Die Prioritäten sind klar gesetzt.

Die Kassiererin sitzt hinter einem improvisierten Spritzschutz aus Bilderrahmen und Folien, an der Türe begrüßt mich der Hinweis, bitte mindestens 1,5 m Abstand zu anderen Kunden zu halten und mit Karte zu zahlen. Alles, was mir noch fehlt, sind Kartoffeln und Paprika. Dafür sollte es doch heute noch reichen. Selbst in der Ausgangssperre darf man sich schließlich mit frischen Lebensmitteln versorgen. Vielen scheint das nicht so ganz bewusst zu sein.

Was mich am Ende am meisten beunruhigt, ist, dass ich meine Umgebung nicht verstehen kann. Da sind einerseits die völlig Sorglosen, denen alles egal zu sein scheint, die sich über die Grippewelle vermutlich sogar etwas freuen.Und auf der anderen Seite die Hamsterkäufer und Hysteriker, die sich mit Vorräten für Jahre eindecken, um zwei bis drei Wochen in ihrer Wohnung verschwinden zu können. Wo ist das gesunde Mittelmaß geblieben? Achtsamkeit und Rücksicht auf seine Mitmenschen, Einhaltung der Basishygiene, Gelassenheit und ruhiges Abwarten.

Tut es wirklich so weh, einmal nicht mit den Kollegen im Büro zu kuscheln, auf die dritte Party in dieser Woche zu gehen und sich mit fremden Menschen in viel zu kleine Straßencafés zu quetschen um teuren Kaffee zu schlürfen? Ist es wirklich unzumutbar, darauf hinzuweisen, medizinische Notfallausrüstung auch für medizinische Notfälle verfügbar zu halten und nicht literweise Desinfektionsmittel zu horten? Offenbar ist das zu viel verlangt! Und wenigstens fürs Erste haben R.E.M. recht und es ist wirklich das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Aber das war noch nie etwas Neues. Es ändert sich immer wieder alles und ein neues „Normal“ stellt sich ein. Wenigstens bis im Sommer die nächste Hitzewelle kommt und den nächsten Ausnahmefall mit bringt. Und gegen Hitze hilft Klopapier genau so gut, wie gegen Grippe. Wenigstens ist Hitze nichts ansteckendes, ihre Opfer dafür umso abstrakter.

Bleibt gesund!!

Arbeitskräfte gesucht!

„Deutschland ist eine Innovationsnation! Wir haben kaum noch natürlich Rohstoffe, die wir fördern können, also ist unser Rohstoff Know-how und Innovationskraft. Darum ist es wichtig, dass ihr euch Mühe gebt, einen guten Abschluss erlangt und etwas Sinnvolles studiert. Deutschland braucht Ingenieure!“

So oder so ähnlich habe ich es damals nicht nur einmal in der Schule zu hören bekommen. Ich erinnere mich nur an eine Realschullehrerin, die von dieser Linie abgewichen ist und die Klasse mahnend erinnert hat: „Handwerk hat goldenen Boden.“ Daran erinnere ich mich inzwischen fast jeden Morgen, wenn ich im Badezimmer stehe und mich das Radio mit der einsetzenden Werbung daran erinnert, dass ich mal wieder zu sehr getrödelt habe. Der Werbeblock besteht hier zu einem guten Teil inzwischen nicht mehr aus „Kauf unseren Scheiß!“-Geblöke, sondern aus „Bitte arbeite für uns!“-Aufrufen.

Maschinenbauer, Tischler, Stahl- und Industriebaufirmen, Supermarktketten und Pflegeeinrichtungen wetteifern mal mehr oder weniger lautstark und kreativ um Personal. Man möchte meinen, wir hätten die Vollbeschäftigung längst hinter uns gelassen. Und vor diesem Hintergrund bekommen im Internet immer noch Leute Gehör, die im Fieberwahn predigen, „die Ausländer“ würden uns die Arbeit wegnehmen und alle nur kriminell sein? Da muss so einiges schiefgelaufen sein, aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Das Werben um Arbeitskräfte beschränkt sich auch nicht aufs Radio. Genau so finden sich die Anzeigen in der Zeitung, sei es nun das Gratis-Käseblatt, was hier jeden Mittwoch im Hausflur liegt oder die Lokalzeitung. Einmal im Jahr bricht hier dann auch noch der Kleinkrieg aus und die Krankenhäuser und Pflegeheime der Region werben mit Plakatwänden und an Bushaltestellen mit dem besseren Arbeitsklima, dem höheren Gehalt oder den besseren Zusatzleistungen. Nur eines ist mir dabei aufgefallen: Niemand wirbt um Akademiker.

Erst sollten wir alle an die Uni und nun haben wir doch alle aufs falsche Pferd gesetzt?

Vielleicht, ich weiß es noch nicht. Ich weiß nur, dass man als gelernter Dachdecker, Klempner oder Einzelhandelskaufmann/-frau/-mensch (ich gebe es zu, ich kann nicht gendern. Tut mir leid!) auf der Party weniger anerkennende „Whoa“-s bekommt, als beispielsweise Mediziner oder Ingenieure. Pflegekräfte bekommen da schon eher mal mit „In dem Job würde ich ja sofort kaputt gehen“ so etwas Ähnliches wie versteckte Bewunderung. Arbeit in der Knochenmühle wird wertgeschätzt, aber machen will es trotzdem niemand.

Klar brauchen wir Ingenieure, aber wer soll denn das alles bauen, was sich die schlauen Köpfe da alles ausdenken?

Ich bin Teil des Problems. Meine Arbeitskraft wandert ebenso an einen Schreibtisch und nicht in die Produktion wie bei den anderen Absolventen. Ich habe mich als Handwerker versucht und beschlossen, dass ich dafür nur mäßig geeignet bin. Vielleicht war ich auch einfach viel zu optimistisch, was die Innovationsbereitschaft in Europa generell betrifft. Nicht erst seit gestern wird schließlich der große Durchbruch der Roboter prognostiziert. Durchgeführt wird er sehr viel zögerlicher als nötig.

ICE-Trassen und die darauf fahrenden Züge sind mit der nötigen Signaltechnik ausgestattet, um sie mit nur geringem Aufwand autonom fahren zu lassen. Die Sensortechnik ist inzwischen ausgereift genug, um selbst konventionellen Bahnbetrieb robotisch abzuwickeln, nur die Fahrzeuge müsste es geben. Und die rechtliche Grundlage. Wo, wenn nicht auf der Schiene, könnte man mit einem solchen System beginnen? Nirgendwo sonst sind die Anforderungen an autonomes Fahren so überschaubar wie dort. Stattdessen beklagen die Bahnbetriebe fehlende Lockführer und planen fest mit Sechstagewochen. Stattdessen erzählen mir die Lockführer selbst, wenn ich sie danach frage, dass autonomer Schienenverkehr nicht kommen wird, solange sie noch die Hakenkreuze von den Triebwagen abkratzen müssen, um auf deutschen Schienen fahren zu können. Stattdessen werden immer mehr Fahrassistenten für Autos entwickelt, welche mehr und mehr Autonomie erlauben. Kommen wird es trotzdem nicht so schnell, denn die Rechtslage ist hierbei immer noch ungeklärt.

Als ich mich damals gegen das Handwerk und für den Hörsaal entschieden habe, wusste ich davon allerdings noch nicht viel. Die Technik existierte auch einfach noch nicht. Was aber bereits existierte, waren CNC-Fräsen und Industrieroboter in unterschiedlichsten Ausprägungen. Wie schwer kann es da sein, die beiden Technologien zu kombinieren? Da braucht es noch nicht einmal die später aufgekommenen 3D-Drucker, um gesamte Produktionen automatisieren zu können. In einem handwerklichen Praktikum habe ich zu Schulzeiten noch Tage in der Werkstatt verbracht und von Hand an einem Werkstück gesägt und gefeilt, was zwar am Ende durchaus passabel war, mich aber in einer Überzeugung absolut bestätigt hat: Die Maschine kann das deutlich schneller und präziser als der Mensch.

Wir haben Technologien zur Verfügung, von denen unsere Vorfahren nicht einmal zu träumen gewagt haben. Wir haben offenbar auch den Bedarf dafür, denn ansonsten können viele Arbeiten einfach nicht ausgeführt werden. Dennoch kommt es nicht, oder nur sehr viel langsamer, als man vielleicht erwarten würde. Mich überrascht das immer wieder.

Ich vergesse immer wieder zu gerne, dass Deutschland ein digitales Entwicklungsland ist, dass „Vorsprung durch Technik“ zwar der Werbeslogan einer bekannten großen Marke hier ist, aber eben nicht viel mehr. Das Vertrauen in die Technik ist nicht da und was ich als logische Weiterentwicklung sehe, erscheint vielen eher als Dystopie. Exoskelette, welche in japanischen Krankenhäusern die Pflege schwerer Patienten erleichtern sollen, oder Roboter als Rezeptionist im Hotel werden als gruselige Kuriosität aus einem fernen und fremden Land präsentiert. Roboter im Gesundheitssystem gibt es zwar auch bei uns, aber nur im OP und nicht in der Pflege.

Die Anzeigen und Werbeclips, in denen „junge und dynamische Teams“ nach neuen Kollegen suchen, werden mich also noch eine Weile begleiten, bis der Druck irgendwann vielleicht doch so groß ist, dass auch unsere Systeme auf den Stand der Technik gebracht werden. Aber was das alles an Entwicklungen mit sich bringen wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. So oder so stehen wir vor großen Herausforderungen.

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Szenen an der Supermarktkasse

Ich stehe an der Supermarktkasse und träume vor mich hin, wie ich es viel zu oft tue. Der neue Azubi an der Kasse ist noch nicht besonders geübt und entsprechend geht es gemütlich voran. Die Dame hinter mir möchte gerade damit beginnen, ihre Einkäufe aufs Band zu räumen, als ihr auffällt, dass etwas fehlt. Man sieht ihr an, dass diese Abweichung vom geplanten Ablauf Stress für sie bedeutet. Ihre Stimme rangiert irgendwo zwischen schüchtern, beschämt und gehetzt, als sie sich an mich wendet.

„Entschuldigung aber könnten Sie ganz kurz auf meinen Wagen aufpassen?“

Ich bin etwas überrascht denn es ist nicht viel los und hinter ihr steht niemand an. Aber selbstverständlich nicke ich zustimmend. „Klar!“ Es gibt keinen Grund, wieso nicht. Der ältere Herr vor mir dreht sich um, mustert mich schmunzelnd und muss kichern.

„Sie wirken trotz Bart offenbar vertrauenswürdig.“

Mir ist mein Bart nie als kontroverses Thema vorgekommen. Er ist seit vielen Jahren ein treuer Begleiter. Kein langer Hipsterbart oder aufwändig zurecht rasiert. Einfach nur ein kurzer unkomplizierter Vollbart, lang genug um nicht mehr stachelig zu sein. Frei von jeder politischen Aussagekraft und ohne Ähnlichkeiten zu berühmten Vorbildern in Märchen und Geschichten. Für den Räuberhauptmann hat es nie gereicht.

„Trotz oder gerade deswegen?“ wandert es mir durch den Kopf und zeitgleich über die Lippen. Im Kopf des Mannes scheint das etwas auszulösen, jedenfalls beginnt er zu erzählen, dass Bärte in seiner Jugend ausgesprochen verpönt waren aber das ja so lange her sei und jeder tun sollte, was ihn denn glücklich macht. Ich kann sein Alter schwer schätzen. Ist er noch im Bereich der 70 oder schon über die 80? Ich weiß nicht, wann seine Jugend war, aber spontan fällt mir keine Epoche ein, in der es nicht wenigstens in einzelnen Gesellschaftsschichten angesehen oder akzeptiert gewesen wäre, einen Bart zu tragen. Die Mode schwankt natürlich auch in diesem Bereich stark.

Erst im Nachhinein fällt mir auf, dass er mich trotz der immer breiter werdenden grauen Strähnen im Bart mit seiner Formulierung auch der Jugend zugerechnet haben könnte. Möglicherweise lässt der Bart mich also nicht nur vertrauenswürdiger, sondern auch noch jünger wirken. Ist nicht in der Regel das Gegenteil der Fall? Was auf mich zutrifft kann ich nicht sagen. Die letzten Fotos, auf denen ich ohne Bart zu sehen bin sind bereits alt und vermutlich hat sich auch mein Gesicht im Laufe der Zeit ein wenig gewandelt, genau wie so vieles anderes.

Inzwischen ist auch die Dame gefunden, was sie gesucht hat, und ist wieder zu ihrem Einkaufswagen zurückgekehrt. Mit einem dankbaren Blick stellt sie fest, dass noch alles ist, wie sie es zurückgelassen hat, und beginnt nun doch noch damit, das Band zu beladen. Der Azubi bekommt unterdessen Unterstützung von einer Kollegin, die bereits ein paar Jahre länger hier arbeitet. Auch wenn sie immer gut gelaunt und freundlich ist, sie ist gleichzeitig weltmeisterhaft schnell. Der alte Mann vor mir kennt sie offenbar auch, denn er seufzt etwas wehleidig, fügt sich dann aber seinem Schicksal.

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Weil ich im Moment einfach keine Zeit zum Atmen habe und kaum damit hinterher komme, zu gucken, wo mir der Kopf denn heute wieder steht, muss das Hörsaalgetuschel diese Woche leider ausfallen. Ich hoffe, Ihr vermisst es nicht zu sehr. Es wird auf jeden Fall noch weiter gehen.

Aber eines ist mir dennoch sehr wichtig. Ich möchte mich bei Euch allen bedanken! Letzte Woche informierte mich WordPress in einer hübsch bunten Meldung, dass jetzt ganze 100 Leute meinem Blog folgen und damit regelmäßig über meine Geschichten informiert werden möchten.

Vielen herzlichen Dank für Euer Abo, für Eure Begeisterung und natürlich auch die Treue, mit der Ihr meinen Worten folgt. Ich freue mich über jeden einzelnen Like und über jeden Kommentar. Sie haben nichts von ihrer Besonderheit verloren in all der Zeit, immerhin bald drei Jahre. Ich hoffe, Ihr habt auch in Zukunft wenigstens genau so viel Spaß beim Lesen, wie ich beim Schreiben habe, und es warten noch viele bunte Reisen in die Welten hinter den Buchstaben auf uns. Auf ins Getümmel!

 

Perlen

Die Welt ist rund, dreht sich im Kreis, immer um ihre eigene Achse. Es wird voll auf dieser kleinen blauen Perle im Nichts. Dicht gedrängt in goldenen Käfigen aus Stahl und Beton kriecht und krabbelt es. Ein Ameisenhaufen aus Blech und dazwischen die Menschen. Sie müssen miteinander leben, einander aushalten. Für alles andere ist kein Platz mehr. Kleine Häufchen von Menschen bilden sich, einzelne Gruppen, verbunden durch irgendetwas, was sie vereint. Ideen, Träume, Ideologien, und was vereint, das kann genau so trennen.

Zwischen den Clustern und Gruppen schwimmen einzelne lose Elemente. Sie passen nicht ins Bild, nicht so wirklich zum Rest, und gehören dennoch zweifelsfrei dazu, dann aber auch wieder genau nicht. Niemand kann sie ganz zuordnen, etwas mit ihnen anfangen. Es sind Fremdkörper im System, obwohl sie Teil eben dessen sind. Nicht so sehr wie ein Sandkorn im Getriebe der Maschine. Eher wie ein paralleler Prozess, verbunden aber gleichzeitig doch auch abgeschieden.

Die Gesellschaft ist nicht begeistert von diesen Elementen. Sie versteht sie nicht, kann sie nicht durchschauen und will sich nicht wirklich mit ihnen befassen. Sie sind ausgegrenzt, weil sie ausgegrenzt werden und auch, weil sie sich selbst ausgrenzen, sich von der Menge abheben und isolieren.

Von beiden Seiten aus wird eine Mauer gebaut, Stein um Stein, Lage um Lage, Schicht um Schicht. Unterschiedliche Ideen, Ideologien und Vorstellungen, die unvereinbar aufeinanderprallen. Fremdkörper, wie Sandkörner in einer Muschel. Bunt schillerndes Perlmutt wird aufgetragen, um die Kanten zu runden, um den Fremdkörper nicht mehr sehen zu müssen. Mit jeder Lage wird das einstige Sandkorn größer, stärker, und runder. Mit jeder Lage wird dir Schicht dicker, die Abgrenzung deutlicher und unüberwindbarer. Eventuell verkleben zwei Perlen miteinander und werden zu einer, aber es ist selten, dass diese Mauer wieder angenagt wird, um das eigentlich schon vergessene Sandkorn darin zu suchen.

Wenn es doch einmal passiert, dann müssen dicke Lagen einer soliden Wand abgetragen werden, Löcher hinein gepickt werden, aber verschwinden wird sie nie wieder ganz. Das ist der Schutzpanzer, in den sich der Fremdkörper des Systems zurückzieht, denn wenn er eines gelernt hat, dann ist es, dass er anders ist. Er braucht die Anderen nicht. Er war schon immer auf sich gestellt und wird es auch weiterhin sein können. Das Perlmutt schimmert in allen Farben des Regenbogens und wenn man ganz genau hinsieht, vielleicht sogar etwas mehr. Man muss sich vielleicht etwas drehen, um es zu sehen. Im Kreis und um die eigene Achse. Wie die kleine blaue Perle im Nichts.

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Der Blödsinn der Woche 4.

Selbst die ältesten Fragen der Menschheit erlauben immer auch eine alternative Sichtweise und wo man bei manchen Formulierungen noch etwas mogeln kann, ist es bei anderen schon etwas schwerer.

Was war zuerst? Die Eichel oder die Eiche?

Alte Eiche

Der Blödsinn der Woche 3.

Da im Moment leider nicht jeder Urlaub hat, und ich z.B. zwischen den Klausuren nicht die Ruhe für eine hübsche Geschichte finde, gibt es heute leider nur einen kleinen Tröster in Form von einer vielleicht nicht einmal so sehr blödsinnigen Frage. Vielleicht hat jemand eine gute Antwort? Ich hoffe, es kann bald regulär weiter gehen hier und ihr verzeiht den Bruch im Plan. Liebe Grüße!

In welcher Sprache denken von Geburt an taube Menschen?

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Hörsaalgetuschel – Ausgabe 125.

Spaziergänge

Das war es gewesen, das Semester. Flo hatte seine letzte Hausarbeit abgegeben und die letzte Klausur geschrieben. Gut gelaufen war es nicht, eher im Gegenteil. Bei vielen Arbeiten wäre er einfach nur zufrieden, wenn sie bestanden waren. Nicht glücklich, aber immerhin zufrieden. So realistisch war er, um einzusehen, dass aus seinen Arbeiten einfach nicht viel herauszuholen war. Das, was ihn dabei am meisten störte, war, dass eine dieser Arbeiten sein Abschluss war.

Mia hatte ihre Bachelorarbeit bereits vor einem Semester eingereicht und war darüber beinahe verzweifelt. Dieses Semester hatten Erik und er dann nachgezogen, und während Erik sich gründlich Mühe gegeben hatte und ein umfangreiches Thema bearbeitet hatte, war es bei ihm selbst eine fast reine Literaturarbeit geworden. Also im Grunde nur eine Hausarbeit von vielen, in etwas ausführlicherer Form. Es war nicht gewesen, was er sich gewünscht hatte, aber es war verfügbar gewesen und für ihn einfach zu bewältigen. Der Weg des geringsten Widerstandes, auf den er nicht stolz war, aber es beendete für ihn ein Kapitel, was eh bereits viel zu lange andauerte.

Und was war nun? Es änderte sich im Grunde nichts. Gemeinsam mit Erik und Mia würde er auch weiterhin in die Vorlesungen gehen. Im letzten Semester hatte er neben den Bachelorkursen bereits einzelne Masterkurse besucht, auch wenn er teilweise nur als Gasthörer zugelassen war. Aber immerhin machte sich ein minimaler Fortschritt bemerkbar.

Er hatte mehr als zwei Jahre länger gebraucht als Mia oder Erik aber nun hatte er seinen ersten Abschluss. Aber sollte sich das echt so anfühlen? Wo blieb der Stolz, das erhabene Gefühl, die Erleichterung oder Befriedigung? Sollte sich das nicht anders anfühlen als eine gewöhnliche Hausarbeit? Wieso war da nur die übliche Frustration? Wieso war da nicht mehr, als dieses ausgelaugte, abgebrannte Gefühl?

Flo nutzte einen freien Tag, um die Umgebung seiner neuen Heimat etwas besser kennenzulernen. Mit lauter Musik auf den Ohren stiefelte er durch die Felder der Umgebung und hing seinen Gedanken nach. Wenn es nur um ihn selbst gegangen wäre, würde es ihn vielleicht nicht stören. Er würde seine Noten ableisten wie früher und das war es dann. Er hatte bereits viel Zeit an der Uni verbracht, bevor Mia und Erik ihn in ihre Lerngruppe integriert hatten und wenn er mit sich selbst ehrlich war, dann war er drauf und dran gewesen, die Uni komplett aufzugeben, als es so weit war. Aber dann war er besser geworden, hatte Motivation bekommen und durchgehalten. Zwischenzeitlich war er sogar ziemlich gut geworden und hatte Spaß an der Sache entwickelt.

Doch besonders das letzte Semester über hatte er bemerkt, wie seine Kräfte, und besonders die Geduld, schwanden. Sein Grund, durchzuhalten, war gewesen, den Abschluss fertig zu schreiben. Das war sein Ziel gewesen. Bis hier hin wollte er durchhalten, koste es, was es wolle. Dafür hatte er bereits zu viel Zeit darein investiert. Aber wieso saß er nun im Master? Was hatte er sich dabei gedacht? Woher sollte er die Nerven dafür noch auftreiben können?

Statt sich einzugestehen, dass er schlicht zu demotiviert und faul gewesen war, sich eine Alternative zu suchen, versuchte er es auf Kristina abzuwälzen. Für sie mühte er sich ab, einen besseren Abschluss zu erringen. Für sie wollte er die höhere Qualifikation, um ihr eher zu genügen. Und wer konnte wissen, was noch alles folgte? Irgendwann würden sie vielleicht eine Familie haben, die es zu versorgen galt. Mit Kristinas Job alleine würde das vermutlich schwer werden. Aber auch wenn es noch ein wenig bis dahin war, so langsam brauchte er wirklich dringend eine Richtung in seinem Leben. Durch den Bachelor hatte er es ohne nennenswerte Spezialisierung geschafft, aber damit war jetzt Schluss. Er brauchte ein festes Ziel! Und ganz viel Kraft, um das zu erreichen.

Mit dieser Erkenntnis fielen die letzten Sonnenstrahlen auf das zarte Grün der Äcker. Flo zog den Kragen von seiner Jacke hoch und fror trotzdem. Auch wenn der Frühling nun da war, sobald die Sonne verschwand, wurde es schnell empfindlich kalt. Wenn er sich jetzt auf den Heimweg machte, würde er immerhin noch gemeinsam mit seiner Freundin dort ankommen. Seine Idee, das Abendessen bis dahin fertig zu haben, kam erst jetzt wieder zurück. Er war zu sehr in seine Gedanken versunken gewesen und hatte den Eindruck, nichts damit gewonnen zu haben. Wenigstens hatte er die Töpfe schon auf dem Herd stehen und musste nur noch kochen. So vorausschauend war er noch gewesen.

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