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Beltane – Teil 10. – Ende

Beltane Titelbild

Die Sonne war untergegangen, die Bäuche gefüllt und die großen Reden gehalten. Vitali Korovof war vor Stolz über seine Kolonie auf der Bühne beinahe geplatzt, konnte sich dann aber gerade rechtzeitig beherrschen, ehe es peinlich wurde. Entgegen aller Erwartungen, platze ihm nicht einmal das Hemd auf, dafür aber der Hosenbund.

Das Orchester spielte eine glanzvolle Aufführung, nur nicht in der mit Korovof vereinbarten Variante und Reihenfolge, was diesen dann doch noch beinahe platzen ließ. Allerdings auch hier wieder nur beinahe.

Die Bürgermeister, Bürgervertreter, Organisations- und Gruppenvertreter hielten nach und nach ihre Reden. Es gab Rückblicke auf die Leistungen des letzten Jahres und Vorstellungen der neuen Errungenschaften. Am Buffet wurden die ersten Trauben vom Boden Beltanes verteilt, nächstes Jahr sollten sie den ersten Wein dieser Welt hervor bringen. Während die Brauerei mit Verstimmung auf die Konkurrenz reagierte, äußerten die Rumbrenner ihre Freude über die Unterstützung der Verköstigung.

Als eine der letzten, betrat Mara Naravova die Bühne.

„Wir erinnern uns noch daran, dass mit dem ersten Kontakt durch das Portal die Anfrage eines Journalisten kam, der einen Bericht über unsere kleine Gemeinde erstellen wollte. Wir haben daraufhin unsere Daten gesammelt und nicht wenige von Ihnen standen für mich und die Kolonie vor der Kamera, und haben ihre Erfahrungen und Geschichten geteilt. Sie sehen nun das Ergebnis, wie es in diesem Moment auch auf der Erde erstmalig gezeigt wird, und es ist für uns alle der erste Blick darauf. Sogar für mich. Ich möchte mich bei Ihnen allen für die fleißige Hilfe bedanken. Es war mir eine große persönliche Freude.“

Damit trat sie zurück und für zwanzig Minuten waren nur noch die Stimmen aus den Lautsprechern zu hören. Alle Augen der Kolonie verfolgten den Beitrag, der die so vertrauten Straßen und Gesichter mit fremden Augen zeigte. Eine Welt, die vorgestellt wurde als eine Gesellschaft mit größenwahnsinnigen Vorstellungen und Zielen. Gigantomanie aus dem Nichts, eine Handvoll unzureichend ausgebildeter und geistig einfacher Menschen, die sich der Illusion hingeben wollten, das Zentrum der Galaxis zu werden, bestenfalls aber eine Randerscheinung sein konnten. Die Zuschauer waren sprachlos.

Die Bilder sprachen eine andere Sprache. Sie konnten nicht leugnen, dass hier aus dem Nichts eine Stadt entstanden war, die auf nichts verzichten musste. Anspruchsvolle und ästhetische Architektur und bedachte Planung mit Raum für große Entwicklungen. Produktive Fabriken mit fähigen wie fleißigen Angestellten und Maschinen, die zwar selbst gebaut, aber denen der Kernwelten in nichts nach standen. Man merkte den Spagat zu deutlich, den Urban versucht hatte. Einerseits die Siedler kleinreden und ihre Leistungen schmälern, andererseits die Errungenschaften loben und mit den Idealen der Allianz abzugleichen.

Maras Vermutungen bestätigten sich. Sie war nicht die Einzige, der dieser Beitrag wie eine Karikatur erschien. Immerhin hatte er es geschafft, die Gemüter zu erhitzen und so ziemlich jede anwesende Seele zu kränken. Urban hatte ihnen bewiesen, dass er nicht verstanden hatte, wieso sie hier waren und diese Arbeit auf sich nahmen. Er konnte nicht verstehen, wieso sie für eine Generation arbeiteten, die sie nicht mehr kennenlernen würden. Mara wollte die Stimmung beruhigen. Dieser Ärger war kein würdiger Abschluss für die Beltanefeier. Sie entschuldigte sich für Urbans Werk und startete ihre eigene kleine Überraschung.

Die ersten Bilder von Beltane, noch als toter Fels auf den Kameras der Sonden und Samenkapseln. Später, mit dem ersten grünen Flaum schon aus den Fenstern der Beltane, dem Kolonieschiff. Die ersten Landungen, Pioniere mit Atemmasken und Sonnenbrillen, welche die Landestellen für das Schiff vorbereiteten. Die ersten Schritte der Siedler auf der neuen Welt, die ersten Hütten und Gebäude. Vor dem Knistern der Schweißgeräte formulierten die Menschen ihre Wünsche und Hoffnungen über die neue Welt, dumpf durch die Filter der Atemmasken. Die Atmosphäre würde noch eine Weile benötigen, bis sie ihre Sättigung an Sauerstoff erreicht hatte.

Die ersten Tiere wurden ausgewildert und die ersten Gärten blühten um ihre stolzen Besitzer. So eifrig sie auch waren, müde wirkten die Vorfahren selten. Sie sprühten viel mehr vor Begeisterung und Tatendrang. Viele waren ungeduldig, die schroffen Felsen unter Wäldern verschwinden und die weiten Täler mit Weiden bedeckt zu sehen.

Der Betonrumpf der Fähre rutschte unter dem Jubel der Anwesenden ins Wasser, damals noch in einem blauen, fast unsichtbarem Schimmer. Der alte Fährmeister war noch jung und stand bis zur Brust im Wasser, einen kleinen Vogel auf den Schultern. Die natürliche Pyramide von Belenos erhob sich stumm und kahl in die Wolken über dem See. Eine Expedition kletterte bis auf ihre Spitze und posierte vor einem improvisierten Banner. Die Familie Gruber mit Mira als kleinem Mädchen präsentierte stolz das erste geförderte Erz, später den ersten Hochofen von Belenos. Die Gewächshäuser wurden teilweise geöffnet, sodass das Getreide unter freiem Himmel wachsen konnte. Das erste Obst aus heimischer Erde wurde geerntet und noch vor Ort von den Kindern vernascht.

Mara hatte befürchtet, ihre Chronik könnte zu lang geworden sein. Mitternacht war längst verstrichen aber ihr Publikum war noch da und hellwach. Es war nicht mehr ruhig und still, die Leute hatten ihre Sprache wieder gefunden. Ahs und Ohs kamen auf, wenn jemand sich oder seine Lieben von früher wieder erkannte. Die Erinnerung an inzwischen verstorbene trieb Tränen in das ein oder andere Auge, und die Mode vergangener Jahre rief Kopfschütteln und Gelächter hervor. Jeder erkannte sich selbst, seine Vorfahren oder seine Arbeit und Werke irgendwo wieder. Geschichten wurden im Flüsterton getuschelt oder einfach nur stumme Blicke gewechselt.

„Seht doch, da bin ich. Ja, wir hatten ja damals noch nicht so viel wie heute.“

Bilder von früheren Beltanefeiern und Errungenschaften. Die U-Bahn, Flugzeuge, Roboter im Haushalt, den Werkstätten oder auf Baustellen. Das Nachrichtennetz, die ersten Frachter von den Kernkolonien oder die Uraufführung des ersten hier gedrehten Films.

„Daran erinnere ich mich! Das erste Mal, dass wir das hier hatten. Meine Großeltern haben mir davon immer Geschichten erzählt aber es dann wirklich selbst zu erleben …“

Den Abschluss bildete ein Zusammenschnitt der Interviews und Stadtaufnahmen, die Mara in den letzten Wochen erstellt hatte. Eine Kolonie von gerade einmal dreißig Jahren wirkte plötzlich, als würden ihre Wurzeln in die dunkelsten Tiefen der Geschichte zurückreichen. Ungebremste Aufbruchstimmung und Begeisterung klangen heraus. Niemand hier war einfach nur da, jeder hatte seinen Sinn und Zweck. Jeder war gebraucht und prägte auf seine Weise das Leben und das Gesicht dieser ganzen Welt. Die vielen kleinen Geschichten mochten jede für sich gelten können aber zusammengenommen bildeten sie etwas Großes. Das war das Erbe dieser Welt. Vor Beltane lag ein langer, fruchtbarer Sommer.

Tosender Applaus vieler Tausend Hände und lauter Jubel dröhnte durch die Nacht, sobald der Abspann das letzte Bild ablöste. Die Hoffnungen, Träume und Gedanken der Generationen, festgehalten vor der Welt ihrer Zeit. Erinnerungen und Geschichten, manche schon eher Legenden. Die Bänke waren noch immer voll besetzt, als die Morgensonne über die Dächer strich. Mara Naravova bekam das nicht mehr mit. Die Erleichterung, dass ihr Werk gefiel, hatte ihr alle Steine vom Herzen genommen, und sie ihre Erschöpfung spüren lassen. Den Weg nach Hause hatte sie noch bewältigen können aber nun träumte sie von ihrem ganz persönlichen Beltane, ihrem Sommeranfang.

Das war meine kleine Reise, die abenteuerlichen ersten Schritte auf neuen Welten zu begleiten. Ich bedanke mich herzlich bei allen, die mich begleitet haben, und hoffe, Ihr hattet viel Spaß dabei. Vielleicht hat es ja den ein oder anderen Gedanken anregen können. Ich hatte jedenfalls viel Freude dabei, mir die einzelnen Schritte auszumalen und die Herausforderungen in Worte zu bannen. Ich hoffe, ein wenig von der Aufbruchstimmung eingefangen zu haben. Auch weiterhin gilt natürlich, Kommentare und Kritik sind jederzeit gerne gesehen und willkommen.

Bis zum nächsten Mal

Euer Graf

Beltane – Teil 9.

Beltane Titelbild

Mit müden Armen und der immer schwerer werdenden Kamera schlenderte Mara durch die Straßen. Inzwischen musste sie jeden sehenswerten Punkt aus allen Perspektiven mindestens drei Mal aufgenommen haben. Mit jedem neuen Bild nahm sie ihre Heimat selbst mit anderen Augen wahr. Zu jeder Türe, jedem Fenster schossen ihr unzählige mögliche Geschichten und Hintergründe durch den Kopf. Plötzlich wirkten die meist so ruhigen Straßen viel lebendiger.

Sie hatte die letzten Tage damit verbracht, die zahllosen Interviews, die sie geführt hatte, zu sichten, zu sortieren und zu katalogisieren. Ihr Kopf summte wie ein Bienenstock und ihre Arme wurden so müde wie ihre Beine, die sie ungewohnt viel durch die Gegend tragen mussten. An einem völlig beliebig gewählten Punkt beschloss sie dann, genug Material für den arroganten Reporter beisammenzuhaben. Die Liste mit seinen Fragen war so weit abgearbeitet, bis auf wenige Ausnahmen, die sie bewusst ausgelassen hatte. Dafür hatte sie etliche Eigene mit eingearbeitet.

In wenigen Stunden würde die Übertragung durch das Portal einen Schwall von vielen Stunden Filmmaterial zur Erde bringen und dort unter anderem im Postfach von Felix Urban landen. Sie hatte dafür gesorgt, dass er nicht den exklusiven Zugriff darauf bekommen würde, auch wenn sein Bericht der Erste sein würde. Mara Naravova hingegen würde den Abend im Archiv verbringen. Sie hatte beschlossen, ihren eigenen Bericht über die Chronik von Beltane zu erstellen. Es galt der jüngsten Welt der Menschheit eine Geschichte zu geben, eine offizielle Chronik.

Die jungen Bäume standen in saftigem Grün und trugen bunte Blüten. Geschäftiges Treiben bestimmte das Bild von Mensch und Tier, der Sommeranfang stand ins Haus. Der Erdkalender hatte sich für die Kolonien als ungeeignet herausgestellt und so hatte jede Welt ihren eigenen Kalender erstellt. Man ging im Allgemeinen davon aus, dass, selbst wenn es einen allgemeinen Kalender für die gesamte Allianz geben würde, die lokalen trotzdem weiter beibehalten werden würden.

Für die jüngste Kolonie war der Sommeranfang ein besonderes Ereignis. Beltane wurde jedes Jahr mit einem großen Fest gefeiert, der Sommeranfang als vorzeitlicher Patron der frisch keimenden Welt. Vor der Kulisse des alten Kolonieschiffs, der strahlend weißen Nadel in der Mitte der Hauptstadt, waren eine Bühne und lange Tischreihen mit Bänken aufgebaut worden. Es würde ein großes Festessen geben, für das bereits Wochen im Voraus gekocht und gebacken wurde. Viel Musik, Tanz und einige große Reden der wichtigen Leute mit viel Selbstbeweihräucherung standen auf dem Plan.

Mara hatte sich schon immer in die Planung der jährlichen Feier eingebracht aber dieses Jahr hatte sie eine kleine Überraschung geplant. Kurz vorher würde Felix Urban ihr die fertige Dokumentation schicken, wie er sie zusammengestellt hatte und wie sie im Nachrichtennetz der Erde und der jungen Allianz ausgestrahlt werden würde. Sie wäre zuversichtlicher gewesen, wenn sie ihm vertraut hätte, aber das konnte sie nicht. Der Eindruck, den seine erste Anfrage erweckt hatte, saß tief und bitter. Es wirkte zu sehr danach, dass er Gründe suchte, eine primitive Bauernkolonie schlecht zu machen, statt über eine sich entwickelnde, junge Welt zu berichten.

Ein Ausweichplan wäre nicht verkehrt, auch wenn sie der Überzeugung war, die Leute sollten sehen, was der Rest der Menschheit über sie alle erfahren würde. Mara hatte ihre Freizeit der letzten Wochen im Archiv verbracht, wo Tausende Bilder, Videos und Dokumente aus allen Phasen der Besiedlung gespeichert waren. Sie war mit ihrer Zusammenstellung fertig geworden und das Ergebnis gefiel ihr. Sie war deswegen um so nervöser, wie ihre Mitbürger es aufnehmen würden, wenn sie es sahen.

So war dann das Festgelände fertig aufgebaut, geschmückt und die Straßen voller Leben. Die Siedler begingen ihren höchsten Feiertag unter einem strahlend blauen Himmel und bei angenehm warmen Temperaturen. Überall duftete es nach den Köstlichkeiten, die das Buffet zieren sollten. Das Orchester probte unter freiem Himmel seinen Auftritt und Mara sah sich den Bericht an, der zeitgleich mit ihrer Gründungsfeier auf der Erde ausgestrahlt werden sollte. Er war mit der letzten Öffnung des Portals gekommen, gemeinsam mit einem flüchtigen Dankesschreiben, in dem Felix Urban ihr für das Zusenden des Rohmaterials dankte. Das war alles gewesen.

Beltane – Teil 8.

Beltane Titelbild

Mara hatte einen Termin am Theater. Vitali Korovof hatte nicht nur den Posten des Kolonievorstands inne, sondern war gleichzeitig der Chefintendant des kolonialen Theaters. Seine Wohnung war im Dachgeschoss des Theatergebäudes untergebracht und hatte eine grandiose Aussicht auf den zentralen Turm. Heute aber wartete die Orchesterprobe.

Das Orchester selbst war zu klein, um die volle Besetzung eines klassischen Symphonieorchesters bieten zu können. Man hatte sich damit ausgeholfen, die fehlenden Musikanten durch Roboter zu ersetzen. Ihre Aufgabe war es seltener, ein Instrument zu spielen sondern schön auszusehen. Der Ton war meistens im Vorhinein eingespielt worden. Auf dem Spielplan stand zur Zeit Händels Feuerwerksmusik. Die Aufführung sollte auf dem Sommerfest stattfinden, der Gründungs- und Patronsfeier der Kolonie.

„Natürlich legen wir großen Wert auf eine gute Aufführung mit vollständiger Besetzung. Wir wollen immerhin das Kulturzentrum der frischen Allianz werden. Bescheidenheit bringt uns nicht weiter und Beltane braucht ein scharfes Profil, wenn wir uns behaupten wollen.“

Korovof war leicht untersetzt und sein Frack war geschneidert worden, als er noch mindestens zwanzig Kilo leichter war. Seine stolze Haltung beanspruchte die Knopfleiste zusätzlich und ließ das Hemd fast platzen. Mara erwartete jeden Augenblick, dass ihr die Einzelteile um die Ohren schossen. Die Felle der Pauken konnten nicht straffer gespannt sein.

„Für dieses kulturelle Profil bedarf es natürlich eines guten Orchesters, Bewusstsein für die Herkunft und die Welt, auf der wir leben, selbstverständlich auch eine eigene Kunst und Architektur. Zurzeit ist die Erscheinung der Kolonie leider noch sehr industriell und provisorisch. Daran werden wir arbeiten, sobald die Kapazitäten zur Verfügung stehen. Wir haben weder das Personal, noch das Gerät oder das Baumaterial.“

Er war sich seiner Sache sehr sicher. So sicher sogar, dass er aus dem Interview einen Monolog machte. Kurz, aber trotzdem eintönig und langweilig, wie Mara fand. Wie war so etwas nur möglich?

„Um uns ein solches Profil leisten zu können, bedarf es natürlich der Grundlage. Die Komplexe drüben, in Belenos, werden stetig ausgebaut und versorgen uns mit Waren in einer Qualität, um die uns die Allianz mit Recht beneidet.“ Vielleicht war er sich etwas zu bewusst, dass die Kamera lief, denn er übertrieb maßlos. „Wie dem auch sei, bald werden sie ihre Kapazität so weit ausgebaut haben, dass wir es uns leisten können, im großen Stil zu exportieren. Das wird ein großer Schritt für uns sein, der nicht zu unterschätzende Folgen mit sich bringt.

In der Verwaltung arbeiten wir aktuell an Plänen, die Kolonie touristisch attraktiv zu gestalten, sollte der interplanetare Personenverkehr sich weiter ausweiten. Ich will ehrlich sein, zurzeit sieht es ganz so aus, als würden wir bald Raumschiffe mit Kabinen voller Touristen hier draußen begrüßen dürfen. Die Menschheit strebt weiter hinaus, weitere Kolonien werden entstehen und weitere Kontakte mit fremden Wesen werden sich höchst positiv auf unsere Kreativität auswirken. Wir können nur gewinnen.“

Inzwischen fand Mara die Aussicht das Beste an diesem Gespräch. Sie hatte Korovof nie besonders gut leiden können aber aktuell wurde es lächerlich. Tourismus, hier am Rand der Allianz. Wenn sie Glück hatten, dann würden sich weitere Frachter hier her verirren. Sie war sich sicher, dass von seiner Überzeugung und Begeisterung nichts echt war. Er war durch und durch Politiker und daher gewohnt, große Reden zu halten, von denen nichts ernst gemeint war. Und auch er konnte nicht ignorieren, dass die Beltane das letzte Kolonieschiff gewesen war.

„Wenn es soweit ist, werden wir natürlich auch ein größeres Konzerthaus bauen und eine durchgehend vollständige Besetzung haben. Aktuell leiden wir leider noch unter der Situation, dass viele unserer Musiker das Orchester nur als Nebenbeschäftigung sehen.“

Natürlich sahen sie es nur als Nebenbeschäftigung, was auch sonst? Niemand in der Kolonie erfüllte nur eine Aufgabe. In erster Linie mussten die Grundfunktionen gesichert werden und die Infrastruktur aufgebaut werden. Das Orchester war Zerstreuung und Freizeitbeschäftigung. Es machte das Leben zwar schöner, aber füllte kein Lagerhaus, keinen Magen und ließ keine Transporter fahren. Die Kolonie war erst dreißig Jahre alt. So groß dieser Zeitraum auch war, die Aufgaben, die eine Kolonisierung von Null an mit sich brachten, waren größer.

Beltane – Teil 7.

Beltane Titelbild

„[…] Aber irgendwann wird trotzdem auch über den rauen Felsen ein weicher Boden wachsen. Weiter im Norden hat es bereits angefangen. Dort an der Flussmündung soll doch eine weitere Stadt entstehen. Wie es aussieht, werden sie dann nicht mehr zwingend Gewächshäuser brauchen. Vielleicht kann man das Delta dann dafür nutzen.“

Mara ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, eine persönliche Führung für sich und die Kamera wahrzunehmen. Wenn überhaupt, dann würde sie wohl kaum in nächster Zeit wieder hier hinunterkommen. Mira Gruber führte sie durch die Stollen, zeigte ihr die Abbauroboter, Förderbänder, Steuerzentralen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen. Rumpelnde Erzbrocken und Abraum auf dem Weg zu neuen Ufern. Menschen und Maschinen auf dem Weg zu ihren Arbeitsstätten. Ganz nebenbei erfuhr Mara auch noch etwas über die Bergbaugeschichte der Erde.

Sie verfolgten die Förderbänder durch lange Tunnel. Mara wünschte sich bald ein Fahrrad oder selbst ein Förderband, aber sie waren zum Laufen verdammt, und dennoch bereute sie keinen einzigen Schritt. Eine gefühlte Ewigkeit später tauchte Tageslicht vor ihnen auf. In riesigen Hallen war die weitere Verarbeitung des Erzes untergebracht. Enorme Hitze strahlte von den elektrischen Hochöfen und Schmelzen durch den gesamten Komplex und machte das Atmen schwer.

Die Führung war auch hier ausgezeichnet. Es war ein Transportwagen aufgetaucht, der die beiden Frauen durch die Fabriken chauffierte. Mira Gruber erklärte Mara Naravova die Produktionsketten mit viel Geduld. Sie beantwortete die Fragen, stellte ihr die Mitarbeiter vor und erläuterte die Maschinen. Mara nutzte die Gelegenheit um Interviews zu führen und Mira war geduldig genug, um ihr die Zeit zu gönnen. In der Zwischenzeit musste Mara sogar eine neue Speicherkarte einlegen. Jemand hatte vergessen, die Alte zu leeren.

So erfuhr sie von zahlreichen Familiengeschichten und Einzelschicksalen. Menschen die mal ein besseres, mal ein schlechteres Leben zurück gelassen hatten, um komplett neu zu starten. Die Motive waren dabei vielseitig. Und sie erhielt einen guten Einblick in die Köpfe der Kolonie und deren Alltag. Sie ertappte sich dabei, wie sie die ausgefeilte Produktion der besten Roboter und Maschinen nur beiläufig bemerkte. Viel Interessanter fand sie die Menschen dahinter und ihre Geschichten.

Tony Fords Großmutter hatte die Erde damals nach einem Mord fluchtartig verlassen müssen. Über einen Freund war sie auf die Passagierliste geschmuggelt worden und hatte erst auf der Reise ihren Mann, Tonys Großvater, kennengelernt. Sie war nach der Landung beim Bau des Aquädukts verunglückt und gestorben. Sein Großvater hatte ihren Verlust bis zuletzt nicht verarbeiten können. Er war es gewesen, der dem jungen Tony beigebracht hatte, Roboter zu bauen. So war er in den Werkstätten von Belenos gelandet, wo er die neuen Modelle perfektionierte. War ein Entwurf einmal fertig, konnte er von den Robotern selbst ausgeführt werden. So sehr er seine Roboter auch umwarb, auf die Frage, ob seine Roboter nicht auch selbstständig Modelle entwickeln könnten, reagierte er unterkühlt.

Anna Abboth hatte von ihrer Familie nicht so viel gelernt. Sämtliche ihrer Vorfahren der letzten fünf Generationen waren Ärzte gewesen. Sie war die Erste und bislang Einzige gewesen, die mit der Tradition gebrochen hatte und stattdessen Schweißer geworden war. Auf den Baustellen und in den Minen war sie als solche mehr als willkommen. Ihre beiden Brüder lehrten inzwischen Medizin an der Universität. Sie hielt dafür Unterricht für die Handwerker und lehrte sie alles, was es über Metallbearbeitung zu wissen gab.

Venera Wisnewski wollte über sich nicht mehr preisgeben, als dass sie Buchhaltung gelernt hatte. Dafür erzählte sie von ihrem Vater, Mikail. Er hatte als junger Mann die erste Fähre gebaut, die Belenos mit Beltane verband. Damals hatte die Kolonie noch keinen eigenen Hochofen besessen und sämtliches Metall des Raumschiffs wurde sehr sorgfältig verplant. Für die Fähre hatte er keines bekommen können. Allerdings war der erste Steinbruch eröffnet und das Zementwerk in Betrieb. Aus entsorgten Drähten, einem aussortierten Servomotor aber hauptsächlich Beton hatte er dann die Fähre gebaut. Sie war durch Unachtsamkeit mehrfach auf Grund gesetzt worden und leckgeschlagen, konnte aber jedes Mal repariert werden und ihren Dienst bis heute fortsetzen.

Thomas Extras Familie war schon immer in Bewegung gewesen. Seine Vorfahren waren aus allen Teilen der Welt gekommen und ebenso in alle Himmelsrichtungen wieder entschwunden. Als es an die Besiedlung des Sonnensystems ging, hatten sie sich zunächst zurück gehalten, aber am Ende hatten sie doch den Griff zu den Sternen gewagt. Auf jeder Kolonie der Menschheit fand sich inzwischen mindestens ein Mitglied der Familie Extra, natürlich also auch auf Beltane. Thomas hatte als junger Mann große Schwierigkeiten gehabt, seinen Platz in der Kolonie zu finden. Er hatte etliches ausprobiert aber wollte nirgendwo wirklich hineinpassen. Irgendwann hatte er angefangen, nach alten Plänen Modelle von historischen Flugzeugen zu bauen. Damit war seine Aufgabe gefunden. Er entwarf, baute und wartete die Flugzeuge von Beltane. Das es bisher nur einen Flugplatz gab, störte niemanden. Man suchte seine Aufgabe einfach in der Aufklärung und der Übung im Umgang mit der Produktion.

Chi Chin und Han Bey Fong waren beide Elektriker gewesen. Sie hatten auf dem Kolonieschiff angeheuert, um gemeinsam ihrer Heimat zu entfliehen. Eine Koreanerin und ein Japaner, das war eine völlig undenkbare Kombination. Das Kolonieschiff war die einzige Möglichkeit, welche die beiden sahen, zusammen sein zu können, ohne von den Nachbarn als Verräter behandelt zu werden. Ihre Tochter Shao war noch auf dem Schiff geboren worden und war bei der Landung, mit zwölf Jahren, fertig ausgebildet im Beruf ihrer Eltern. Heute war diese Beltanes dienstälteste Elektrikerin und betreute das Kraftwerk von Belenos.

So lernte Mara Stück für Stück alle Elemente der Welt kennen, in der sie lebte. Sie war sehr erstaunt, wie viele Gesichter der kleinen Gemeinde sie noch nie gesehen hatte. Eine junge Kolonie mit zwei Städten und keiner halben Million Einwohner. Sie hatte erwartet, jeden Bewohner bereits mindestens einmal getroffen zu haben. Besonders, da schon ihre übliche Arbeit in der Koloniezentrale viel Kontakt zu den Siedlern forderte.

Was sie neben der Herkunft der Siedler besonders fasziniert hatte, waren die Geschichten über die Eltern und Großeltern. Die Gründungstage der Kolonie mussten sehr bewegt gewesen sein und auch wenn es nur wenig Bildmaterial dazu geben würde, sie musste unbedingt die Archive besuchen. Für sie wurde die Kolonie erst durch eben diese Geschichten lebendig. Die Mauern und Fenster füllten sich mit Leben, genau wie die Straßen und Plätze. Das war für sie der Schatz der Kolonie. Nicht die Museen und Fabriken oder Parks und Alleen. Die Geschichten waren das Geheimnis.

Beltane – Teil 6.

Beltane Titelbild

Mara meinte, einen ausreichend guten Eindruck vom See und seinem Hüter bekommen zu haben. Die Bilder würden der Erde zeigen können, wie Wasser unter freiem Himmel auszusehen hatte. Vielleicht konnte man selbst dort wieder einiges renaturieren, wenn man sich Mühe gab. Beltane konnte die Richtung aufzeigen und sich so dabei einen Namen machen. Für sie war es Zeit, weiter zu kommen. Die Fähre war angekommen und brachte sie nach Belenos.

Die zweitgrößte Siedlung auf Beltane konnte und wollte ihren Zweck nicht verbergen. Wie ein Denkmal ragte aus den symmetrisch angeordneten Vierteln ein historisch wirkender Förderturm hinaus. Ein filigranes Gitter aus dünnen Stahlträgern wie es vor hunderten Jahren modern war, als die Menschheit Kohle aus der Erde holte, um Eisenbahnen und Dampfmaschinen der frühen Fabriken damit zu befeuern. Zwischen den sauberen Wohnblocks mit ihren flachen Dächern und den hohen Fabrikhallen war er ein überdeutlicher Anachronismus.

Die Straßen von Belenos waren breiter als die der Hauptstadt. Sie waren angelegt worden, um einmal große Mengen schwere Frachter tragen zu können. Man hatte abseits der Verkehrsflächen wenig Planungsraum für Parks und Gärten gelassen. Die Grünflächen waren auf die Dächer gewandert, welche untereinander häufig mit schlanken Fußgängerbrücken verbunden waren. Im Hintergrund der Stadt hob sich der Berg, wie eine natürliche Pyramide in den Himmel. Trotz der sommerlichen Temperaturen hatte sein Gipfel schon immer eine bepuderte Spitze, die oft genug im Nebel lag.

Mara hatte sich hier nie wohlgefühlt. Diese Stadt war ihr zu steril, zu geplant, zu industriell. Sie mochte das Organische, Gewachsene von Beltane und liebte die vielen kleinen versteckten Parks und Gärten, die häufig in den Hinterhöfen und Seitengassen zu finden waren. Sie erfreute sich am Summen der Bienen und Hummeln, wie sie durch die Blüten und Blumen krochen. Hier in Belenos, wo die Gärten auf den Dächern und die Fenster zur Straße meist verschlossen blieben, fehlte ihr dieses Zeichen von Leben. Vielleicht würde es eines Tages genug Brücken geben, als dass man die Stadt als Fußgänger überhaupt nicht mehr auf der Straßenebene betrat. Dann würde man statt durch Häuserschluchten nur noch durch Parks laufen, aber noch war es nicht soweit.

Die Kamera laufend vor sich her haltend betrat sie die Minen. Von hier kam das erste Eisenerz, welches in der Kolonie gefördert und verarbeitet worden war. Sobald sie das Gebäude betrat, fröstelte sie. Kalte Luft strömte aus dem Förderschacht und kühlte den gesamten Komplex ab. Für Mara reichte das völlig aus, um ihre Abneigung gegen Industriekomplexe zu verstärken. Aber sie war hier sowieso nicht zum Freizeitvergnügen, sondern weil sie einen Termin hatte. Sie wollte ihr Interview haben und wieder verschwinden. Leider würde sie dafür den Schacht hinab müssen.

Die Temperatur in Bergwerken ist unter anderem abhängig von ihrer Tiefe und der geologischen Aktivität der Position. Beltane war deutlich weniger aktiv als zum Beispiel die Erde. Während dort selbst auf den Kratonen schon in etwa viertausend Metern Tiefe sechzig Grad Celsius teilweise überschritt, waren noch an den Riftzonen von Beltane in dieser Tiefe keine dreißig Grad erreicht. Die Verwaltung war in den ersten Stollen untergebracht, keine hundert Meter tief. Die trockenen, kühlen Höhlen waren gut als Archiv geeignet aber wieso es hier Büros und Konferenzräume gab, verstand Mara nicht.

Sie hatte ihre Ausrüstung auf einem der viel zu großen Konferenztische aufgebaut und blätterte nervös durch ihr Notizbuch. Der Fels über ihrem Kopf hielt bereits beinahe so lange, wie die Kolonie existierte aber wer garantierte ihr, dass das auch so bleiben würde? Sie vermisste den Himmel, die Pflanzen und den Lärm. Auf dem Flur hatte sie eine Palme in einem Pflanzenkübel gesehen, ansonsten nichts Grünes. In dem mit dickem Teppich ausgelegten Konferenzraum hallten nicht einmal Schritte wider. Es war absolut still. Durch diese Stille schnitt die eigentlich so sanfte Stimme von Mira Gruber wie ein Messer.

„Der Stollen, aus dem dieser Raum hier geschlagen wurde, war der Erste, aus dem damals Erz abgebaut wurde. Noch bevor das Fundament für die Koloniezentrale in Beltane fertig war, hatten die Geologen mit der Suche nach Rohstoffquellen begonnen und waren hier fündig geworden. Die Lage bietet sich an. Es ist noch recht nah an der Landestelle, Energie und Rohstoffe waren ausreichend verfügbar und der See war bis zur Fertigstellung der Bahnlinie ideal für den Transport der Erzeugnisse per Floß. Außerdem befinden sich am Stadtrand die wichtigsten Steinbrüche. Die junge Kolonie brauchte Rohstoffe für ihr Wachstum, also begann man mit dem Abbau. Anfangs noch komplett von Hand, da die Kraftwerke noch nicht ausgeladen waren. Die Bergleute bauten hier ihre Zelte auf, da ihnen keine Container zugestanden wurden. Die Verwaltung wollte zuerst Beltane selbst aufbauen. Die Rohstoffe dafür aber kamen hier her und die Leute waren es schnell leid, täglich über den See zu fahren. Hier eine zweite Stadt zu gründen war die logische Konsequenz.“

Vor den beiden Frauen standen zwei dampfende Tassen mit herrlich duftendem Algentee, ein Teller mit Keksen in der Mitte des Tisches. Auch wenn ihr der Ort nicht behagte, es hatte auch seine Vorteile, Vertreter der Presse zu sein, fand Mara. Sie musterte die Frau ihr gegenüber, deren Vorname fast identisch mit ihrem eigenen war. Sie war nur wenige Jahre älter als sie selbst, das wusste sie. Außerdem einen guten Kopf kleiner, zierlich von Gestalt aber bestimmt in ihren Bewegungen. Sie war unter der Erde zu Hause, das merkte man und das strahlte sie auch aus.

Mara erfuhr, dass der Nachname Gruber, das Ergebnis von über fünfhundert Jahren bergmännischer Tätigkeit von Miras Familie war. Wenn es irgendwo eine Mine oder eine Grube gab, ein Mitglied der Familie Gruber war meist nicht weit. Eine Tradition, die sich über das Zeitalter von Kohle und Öl hinaus in den Weltraum bewahrt hatte. Mara konnte den Stolz der kleinen Frau angesichts ihrer Familiengeschichte gut nachvollziehen. Sie erfuhr, wie ihre Eltern und Großeltern dafür sorgten, dass Beltane mit Stahl und Beton versorgt wurde. Wie sie aus dem Nichts die Industrie der Kolonie begründeten, noch ehe ihnen die Roboter zugeteilt werden konnten. Sie hatten der Stadt ihren Stempel aufgedrückt wie sonst kaum jemand und von ihnen stammte auch der Entwurf, die Gärten ausschließlich auf den Hausdächern anzulegen. Für Jemanden, der sein Leben unter der Erde verbringt, mochte es logisch sein, dass sich ein Garten immer über einem befindet, ging es Mara durch den Kopf.

„Meine Großeltern sind in einem Grubenunfall ums Leben gekommen, als ich noch ein kleines Mädchen war, nur wenige Jahre nach der Landung. Das hat mich gelehrt, den Berg niemals zu unterschätzen. Egal, mit welcher Technik wir ihm zu Leibe rücken, wir bekommen nur das, was er uns geben will. Meine Eltern überwachen die Tunnelbaustellen für die Bahn, und solange habe ich die Leitung der Minen hier übertragen bekommen. Das Meiste unter Tage wird allerdings auch hier inzwischen robotisch erledigt. Wir bauen die Maschinen selbst und passen sie direkt den nötigen Anforderungen an. Auf diese Weise können wir der Kolonie laufend einen Überschuss liefern.

Unser Wachstum ist nicht dadurch begrenzt, dass wir kein Baumaterial liefern könnten. Meistens sind die Leute einfach mit dem zufrieden, was sie haben. Sie haben sich so sehr an ihre Container gewöhnt, dass sie sie als ihr Zuhause betrachten. Es sind die jungen Leute, die bauen wollen. Die Verwaltung, drüben in Beltane, ist aber sehr vorsichtig, was das Ausstellen neuer Baugenehmigungen angeht. Sie möchten möglichst viel von Beltanes uriger und rauer Schönheit bewahren, aber gleichzeitig lebendige, organische Städte bauen.

Ich glaube, sie stehen sich da häufig selbst im Weg. Wenn sie die Landschaft so dringend schützen wollten, dann müssten sie unterirdisch bauen, und das wollen sie nicht. Aber irgendwann wird trotzdem auch über den rauen Felsen ein weicher Boden wachsen. Weiter im Norden hat es bereits angefangen. Dort an der Flussmündung soll doch eine weitere Stadt entstehen. Wie es aussieht, werden sie dann nicht mehr zwingend Gewächshäuser brauchen. Vielleicht kann man das Delta dann dafür nutzen.“

Beltane – Teil 5.

Beltane Titelbild

„[…] Wie sieht es mit Ihnen aus, junge Dame? Ihre eigene Familie stammt aus den Minen von Deimos, dem Marsmond, wenn ich mich nicht täusche.“

„Von Deimos und Phobos sogar. Die Großeltern meines Vaters haben sich beim Bau der Station über Utopia Planitia kennen gelernt. Meine Urgroßmutter war dort als Schweißerin und mein Großvater steuerte den Frachter, der die Seile für den Orbitallift lieferte. Seine Familie kam von Phobos, wo die Seile damals produziert wurden.“

„Dann hat Ihre Familie ja direkt an den Werften mit gebaut. Die letzten der Kolonieschiffe wurden dort noch gebaut. Nach meinem letzten Stand wurden dort nach uns nur noch Frachter und Drohnen gebaut. Die Beltane war das letzte Kolonieschiff, was gebaut wurde. Verstehen kann ich das nicht. Ich hatte erwartet, dass wir nur die Vorhut von etwas großem sind. Es gibt immerhin eine ganze Galaxie zu erforschen. Haben Sie es schon gehört? Man hat wohl tatsächlich zwei weitere außerirdische Zivilisationen entdeckt! Bisher nur Gerüchte, aber wie aufregend das wäre. Offensichtlich wird es voll im Weltall. Wer weiß, vielleicht wird es in der Galaxie einmal überall so voll sein, wie auf der Erde selbst. Damit wäre es dann für einen einzelnen wieder kaum möglich, einen Unterschied zu machen. Noch viel weniger wahrscheinlich.“

„Ich glaube, es wird immer Menschen geben, die durch ihre Art und durch ihr Handeln aus der Masse heraus stechen werden und sich einen Namen machen. Bei uns wird man sich vielleicht nicht an die Namen erinnern aber wir werden von unseren Nachkommen hoffentlich immer als die Gründer in Erinnerung behalten werden. Wir bauen hier alles auf, machen aus einem Toten Stein eine Heimat. Ohne diese Arbeit, würden sie hier nie leben.“

„Oh dieser Stein, wie Sie ihn nennen, war nie wirklich tot. Er hat schon vor der Ankunft der Kapseln geatmet und gelebt. Wenn sie gut Acht geben, dann werden sie vielleicht einige der Kristalle finden. Irgendwie schaffen es diese kleinen Dinger in der tiefsten Nacht ein klein wenig Licht zu erzeugen. Für mich erscheinen sie lebendig aber davon will man in der Universität nichts hören. Die schlauen Köpfe dort haben wohl zu viel Angst davor, eine unbekannte Art aus zu löschen ohne sie wahrgenommen zu haben. Also nimmt man sie lieber nicht wahr.“

„Soweit ich gehört habe, sind die beiden außerirdischen Völker tatsächlich Zivilisationen. Bei ein paar Kristallen, die lediglich ein Energiemuster zeigen, wird man doch kaum davon reden können, oder? Ich meine, es gibt keine Städte, keine Bauwerke, keine Artefakte. Nichtmal eine simple Form des Stoffwechsels oder der Kommunikation haben wir auf Beltane beobachten können. Andernfalls wäre der Planet niemals für die Besiedlung frei gegeben worden. Von den beiden außerirdischen Kulturen ist die eine der Menschheit angeblich sogar technisch Überlegen. Das glaube ich aber noch nicht so ganz, sonst hätten wir doch sicher früher von ihnen gehört.“

„Seien Sie sich da nicht zu sicher. Wenn diese Wesen tatsächlich so weit entwickelt sind, dann muss die Menschheit ausgesprochen langweilig für sie sein. Was haben wir ihnen denn zu bieten? Von unserer Technologie können sie kaum was lernen, unsere Gesellschaft mag ihnen regelrecht barbarisch vorkommen. Objektiv betrachtet sind wir Menschen wahrlich nicht großartig. Die grünen Technologien feiern zwar mit der jüngsten Expansion der Menschheit eine gewisse Renaissance aber ihr Wirkungsgrad ist durch die Bank bestenfalls mittelmäßig. Besonders unsere Raumfahrer und Führungspersonen können sich vor Überheblichkeit kaum bewegen und feiert sich nur zu gerne als Geschenk an das Universum. Es ist ihnen egal, ob sie nun Segen oder Geißel der Sterne sind. Für diese fremdartige Kultur der Außerirdischen müssen wir wie kleine, verwöhnte Kinder mit zu großen Spielzeugen wirken. Sie werden gute Gründe haben, uns bislang ignoriert zu haben. Natürlich ist das nun nicht mehr möglich, jetzt, wo wir sie gefunden haben. Die hohen Herrschaften in der Regierung der jungen Allianz werden auf eine Botschaft bestehen, falls sie das nicht direkt getan haben. Wie man hört, hat sich unsere werte Allianz sowieso beim Erstkontakt nicht gerade rühmlich verhalten.“

„Dafür habe ich leider nicht genug davon gehört. Die Nachrichten treffen erst mit Verzögerung bei mir ein. Die Verwaltung empfängt als einziger die Nachrichten und gibt sie dann weiter. Aber es ist schon ein großer Fortschritt. Vor dem Tunnelrelais haben wir überhaupt keine Nachrichten empfangen können. Selbst wenn wir etwas aus dem Hintergrundrauschen heraus filtern konnten, war es über vierzig Jahre alt! Kaum aktuell genug, um die Ereignisse nach dem Start der Beltane rekonstruieren zu können.“

„Für Nachrichten mag das eine lange Zeit sein aber dadurch werden sie nicht weniger wichtig. Für uns sind Entwicklungen neu, die im Sol System längst vergessen sind. Für den See hilft es mir leider trotzdem nicht.“ Er warf einen wehmütigen Blick über die glitzernden Wellen. Vor seinem inneren Auge verglich er das aktuelle Bild mit denen von früher. Er hatte früher Fotos von Gewässern der Erde gesehen. Wenn es irgendwie in seiner Macht stand, dann würde er diesem See ein solches Schicksal wie denen dort ersparen. Die Bilder von schmierigen Tümpeln voller Müll und Unrat hatten ihn damals tief getroffen. Gewässer, in denen kaum noch eine Art von Leben möglich war, ganz zu schweigen von empfindlichen Fischarten. Hier stand ihm die Möglichkeit offen, einen neuen Lebensraum zu schaffen um selbst die bedrohtesten Tiere weiter schwimmen zu lassen. Sein Traum war, die Gewässer Beltanes mit Leben zu füllen. Von der kleinsten Mikrobe bis hin zum größten Wal. Er musste sehr vorsichtig dabei vor gehen. Das Wasser hatte schon begonnen trübe zu werden. Er hatte Angst davor, den Effekt zu unterschätzen.

Mara meinte, einen ausreichend guten Eindruck vom See und seinem Hüter bekommen zu haben. Die Bilder würden der Erde zeigen können, wie Wasser unter freiem Himmel auszusehen hatte. Vielleicht konnte man selbst dort wieder einiges renaturieren, wenn man sich Mühe gab. Beltane konnte die Richtung aufzeigen und sich so dabei einen Namen machen. Für sie war es Zeit, weiter zu kommen. Die Fähre war angekommen und brachte sie nach Belenos.

Beltane – Teil 4.

Beltane Titelbild

Mara Naravova bedankte sich beim Rektor für das Interview und schaltete ihre Kamera ab. Das war er also gewesen, ihr erster Versuch ein Interview zu führen. Sie fühlte sich nicht einmal so schlecht deswegen. Es war besser gelaufen als sie gedacht hatte aber es waren Fragen aufgetaucht, mit denen sie sich noch nie bewusst befasst hatte. Für sie war der schroffe Fels Beltanes immer mindestens mit einem frischen, grünen Flaum bedeckt gewesen. Sie konnte sich schlicht nicht vorstellen, dass es einmal anders gewesen war oder anders sein würde. Dabei wusch der Regen bei weitem nicht mehr so viele Pflanzen fort wie er es einmal getan hatte. Mehr und mehr zusammen hängende Grünflächen bildeten sich an Stellen, wo sie früher nur Fels und Sand hatten finden können.

Ihre Füße hatten sie an den Pier der Fähre getragen. Verträumt, den Blick nach innen gerichtet, versuchte sie das Bild ihrer Kindheit wieder her zu stellen. Kahle Hügel, grobe Felsen und sprudelnde, warme, klare Bäche. Ein breiter Fluss speiste den weiten See mit Wasser was so klar war, dass es kaum sichtbar war. Lediglich der scharfe Sand glitzerte dann und wann, reflektierte das helle Sonnenlicht, dass es wie Sternenschein wirkte. Heller war es damals gewesen, mit weniger Wolken. Mara Naravova kam sich in diesem Moment tatsächlich alt vor. Die Alten redeten oft von Früher, wenn sie abends zusammen auf den Bänken saßen. Es hatte weniger Regen gegeben, weniger Wolken, das Leben war einfacher aber auch anstrengender gewesen und das Wasser sauberer. Inzwischen war selbst der Fluss etwas trüber geworden. Er trug schlammige, braune Schwebstoffe mit sich, sein Wasser hatte begonnen zu schäumen und hier und dort war sogar ein einzelner Fisch zu sehen.

Mara war nie gut genug in Biologie gewesen um den Zusammenhang zu erkennen. Das Wasser floss nicht mehr einfach in den porösen Fels sondern wurde von den jungen Pflanzen festgehalten und verdampfte über ihre Blätter in die Atmosphäre. Abgestorbene Pflanzenreste zerfielen, wurden zersetzt und was nicht festgehalten werden konnte, um die erste Generation echten Humus zu bilden, wurde vom Regen weg gewaschen und bildete zuerst die Schwebstoffe im Fluss, später dann an anderer Stelle den Boden. Selbst die großen Sandflächen hinter dem Hügelland konnten zu einer blühenden Heide werden.

Der See, an dem Mara Naravova stand, war seit je her ein Indikator für den Stand der Fauna gewesen. Mit dem ersten Moos kam das erste Plankton und die ersten Algen, verliehen dem blass blauen Wasser einen leichten Grünstich. Die ersten Wiesen wurden von Schilf und Seerosen begleitet und gemeinsam mit den ersten Setzlingen des Waldes wurden Mangrovensetzlinge auf die flachen Sandbänke gepflanzt. Sie ließ ihren Blick streifen. Die nächste Fähre von Belenos würde erst in etwas mehr als einer Stunde anlegen. Allein war sie trotzdem nicht. Eine knochige Hand tippte ihr ganz vorsichtig auf die Schulter, deutete auf eine Stelle im Schilf und bedeutete ihr Ruhig zu sein.

„Sehen Sie nur!“ flüsterte der alte Mann. Sein Gesicht war Wetter gegerbt und von tiefen Furchen durchzogen, die Augen tief in den Höhlen aber ausgesprochen neugierig und hell. Seine Hand zeigte auf eine vorsichtige Bewegung am Ufer. „Gänseküken! Sie sind erst gestern das erste mal ins Wasser gekommen. Die zweite Generation. Vor zwei Jahren haben wir uns das erste mal daran getraut und ihr Genom aus der Datenbank geholt. Sind sie nicht wunderschön?“

Mara Naravova war verdutzt. Sie hatte vorher noch nie bewusst Gänse oder überhaupt Wasservögel hier wahr genommen. Plötzlich fielen ihr sogar andere Vögel am Wasser auf, die sie aber nicht erkannte. Die eine Art mit dem grünen Köpfen konnten Enten sein, ein Vogel, der auf der Erde weit verbreitet sein sollte. Sie blickte zu dem Mann an ihrer Seite.

„Sie sind Biologe? Wieso haben sie jetzt erst diese Vögel gezüchtet?“

„Oh nein! Ich bin kein Biologe. Ich bin der Bootsbauer, habe früher die Fähre gefahren. Damals, als Belenos noch nur eine kleine Minenstation war. Aber ich habe den Biologen bei der Arbeit am See geholfen. Ich war der erste, der nach der Landung sein Zelt hier am See aufgeschlagen hat und hier die Pflanzen gepflegt hat. Vielleicht haben sie mich deswegen hier akzeptiert und mich bei der Auswahl der Wasservögel helfen lassen. Sehen Sie, man kann nicht einfach hin gehen und jeden Vogel in jedes Gewässer setzen. Irgendwas müssen die Tiere ja auch essen. Solange es im Wasser keine Pflanzen gibt, kann hier keine Ente überleben und ohne ausreichend viele Fische würde uns ein Reiher schnell verhungern. Erbgut aus der Datenbank zu replizieren ist teuer und zeitaufwändig. Da geht man keine unnötigen Risiken ein.“

Mara Naravova war froh, unverhofft ihr zweites Interview gefunden zu haben. Das Aufnahmegerät zeichnete emsig alles auf was sie selbst sah und hörte. Als sie den alten Mann um die Erlaubnis bat, einige Fragen zu stellen und für die Dokumentation zu verwenden wirkte er irritiert. Er hatte nie den Ansporn gehabt speziell auf zu fallen oder sich hervor zu heben. Er erledigte seine Arbeit, kümmerte sich um den See und half, wo es ihm gerade möglich war. Besondere Aufmerksamkeit hatte er dafür nie erwartet. Er wollte nur seine Welt erschaffen.

„Was kann ich Ihnen erzählen? Ich war der erste Fährmann der Kolonie. Meine Aufgabe ist es, mich um alles zu kümmern, was auf dem See vor sich geht. Für mich gehört da auch alles Leben am Wasser dazu. Meine Großeltern haben sich damals für die Kolonisierung gemeldet, weil sie einen Unterschied machen wollten. Auf der Erde fällt ein Einzelner nicht mehr ins Gewicht, haben sie immer gesagt. Dort kann man als Mensch nichts besonderes mehr bewirken haben sie mir erzählt. Darum sind sie ausgewandert. Für sie war es noch besonders schwer einen Platz auf der Beltane zu bekommen. Sie kommen nicht von Luna, einem der kleineren Monde, den Asteroiden oder den Frachtern. Ihre Familien haben auf der Erde gelebt, von dort kamen die wenigsten Kolonisten. Es ist zu energieaufwendig Menschen von dort in den Weltraum zu bringen. Wie sieht es mit Ihnen aus, junge Dame? Ihre eigene Familie stammt aus den Minen von Deimos, dem Marsmond, wenn ich mich nicht täusche.“

 

Beltane – Teil 3.

Beltane Titelbild

Mara Naravova fand den Rektor im Rosengarten, seinem persönlichen Ziehkind. Er verbrachte einen Großteil seiner Zeit hier und kümmerte sich liebevoll um die Blumen. Fast alle hatte er selbst gepflanzt, als die Universität gegründet wurde. Der alte Mann begrüßte sie herzlich und bot ihr an, sich auf eine Tasse Tee zu ihm zu setzen. Sie nahmen auf einer Bank aus wackeligem, dünnen Stahlblech platz.

„Ein Interview also. In der ganzen Zeit haben noch nicht viele Leute ein Interview mit mir haben wollen. Mich hat das immer etwas erstaunt, da die Wissenschaft doch auf der Fahne der Kolonie steht. Wir haben bislang nur diese Hochschule, auch wenn sich die Handwerker gerne abgrenzen wollen. Sie überlegen zurzeit ein Schulgebäude mit Werkstätten drüben in Belenos zu bauen. Für die Universität wäre das in meinen Augen ein großer Verlust, aber wenn der Entschluss einmal steht, werde ich sie nicht aufhalten können oder wollen. Vermutlich gehört so etwas zur Entwicklung einer Kolonie dazu.“

„Sie haben ihren einundzwanzigsten Geburtstag nur wenige Tage nach Gründung der Kolonie feiern können. Seit dem hat sich sehr viel verändert. Was ist Ihnen persönlich am stärksten aufgefallen?“

„Die Universistät natürlich. Wir haben sie direkt in den ersten Wochen nach der Landung gegründet, auch wenn sie damals anders ausgesehen hat. Wissen Sie, die Brücke hatte es damals ziemlich eilig, das Schiff direkt zu zerlegen und die Siedlung zu gründen. Wir haben zwei leere Container bekommen und haben sie einfach auf den Hang gestellt. Sie standen natürlich schief, der Projektor hat ein verzogenes Bild geworfen und die Stühle sind durch den Raum gerutscht. Das waren die Anfänge. Ein Raum mit lediglich Strom für Licht und den Projektor, die beiden Professoren Xim und Raabe, gelegentliche Gastvorträge von Jedem in der Kolonie, der etwas weiter geben wollte und wir, die hundert Studenten. Zunächst war die Verwaltung nicht mal besonders froh über den Lehrbetrieb. Die Kolonie war noch im Aufbau und es gab viel zu tun. Wir haben uns darauf geeinigt die Vorlesungen auf den Vormittag zu beschränken und ab der Mittagspause beim Aufbau zu helfen. Robert konnte den Kran bedienen und ich habe bei der Kanalisation und dem Bodenaufbau in den Gewächshäuern geholfen.

Später haben wir weitere Container akquirieren können und sind einmal über die Straße umgezogen. Diesmal haben wir für ein Fundament und Anschlüsse an das Daten- und Versorgungsnetz gesorgt. Endlich Heizung, Toiletten und fließendes Wasser. Der Anschluss an das Archiv und die Zentralrechner war ein unglaublicher Fortschritt. Für einige Jahre hat alles gut funktioniert aber Sie wissen ja wie das ist in so einer Kolonie. Die Leute freuen sich so sehr, endlich angekommen zu sein, dass sie ganz viele Kinder zeugen. Sie gehören ja selbst zu dieser Generation. Irgendwann war klar, dass die Kapazitäten nicht mehr reichen würden. Also begannen wir, das Gebäude wie Sie es heute sehen können zu bauen. Dafür mussten wir leider die Labors und Werkstätten ausgliedern. Der letzte freie Platz dafür war hinter dem Sportplatz denn die Stadt war ja auch gewachsen. Zu dem Zeitpunkt war Beltane noch die einzige Stadt. Belenos konnte sich kaum Dorf nennen. Eine Ansammlung von Hütten rund um die Minen und Fabriken. Die meisten Leute sind damals noch täglich von Beltane aus hinüber gependelt.

Der Hof hier wäre zwar noch frei gewesen aber der Rosengarten wuchs hier schon und die kleine Freifläche wurde allgemein als zu wichtig empfunden. Die Zeit hat uns wohl Recht gegeben, es ist eine richtige kleine Oase geworden, ein Ort der Ruhe. Auf dem Dach wären wir nicht so gut abgeschirmt gewesen.“

Er sah sich um, ein Gesicht voller Erinnerungen mit Augen, die durch die Jahre zurück blicken konnten.

„Waren die ersten Jahre viel Arbeit? Was war das Schwierigste in dieser Zeit und was gibt es an schönen Erinnerung?“

„Das Schwierigste? Überleben natürlich! Wir haben fast jeden Tag sechzehn Stunden gearbeitet, immer mit Atemmaske. Die Saatkapseln hatten sich zwar gut verteilt und eine Basisflora hatte sich bilden können aber die Luft war noch viel zu dünn und drückend schwül. Der Sauerstoffgehalt lag bei unter zehn Prozent und das Kohlendioxid hat es noch wärmer gemacht. Selbst im Winter wollte es nicht wirklich kalt werden. Schnee kennen wir hier erst seit fünf Jahren. Für die Pflanzen war es teilweise ein Traum aber wir Menschen haben wirklich kämpfen müssen. Im ersten Jahr sind uns drei Leute erstickt, zwei davon weil ihre Schlafkabine undicht war. Wirklich tragische Unfälle. sie haben uns damals deutlich vor Augen gehalten, dass wir hier eigentlich nicht hin gehören. Diese Welt ist anders als die Erde. Auf der Erde ist die Menschheit entstanden, wir sind für ihre Umwelt geschaffen. Beltane ist ganz anders! Vor den Saatkapseln war es ein toter Fels mit erstaunlich viel flüssigem Wasser aber keine Umwelt, in der Menschen existieren können. Kein freier Sauerstoff, kein organisches Material, schroffe Böden. Die Atmosphäre passt sich langsam unseren Bedürfnissen an aber wir passen uns ebenso an. Beltanes Atmosphäre beinhaltet immer noch nur neunzehn Prozent Sauerstoff und trotzdem sind die Atemmasken für die Meisten Geschichte.“

„Sie meinen, jemand von der Erde würde hier ersticken?“

„Nein, das nicht. Es würde ihm vielleicht schwindlig werden und er könnte sich nicht so gut konzentrieren. Wir haben hier einfach gelernt damit um zu gehen aber gesund ist es auch für uns nicht. Dennoch, wir sind stärker und sehen Sie sich nur an, wie es meinen Rosen geht. Es ist ein Traum, dabei zusehen zu können.“

„Der Kampf ums Überleben ist also noch nicht ausgestanden, wenn ich Sie jetzt richtig verstehe. Wie ist es denn um Beltanes Ökosystem bestellt? Künstliche Systeme sind doch immer instabiler als natürliche. Und wieso gab es hier kein Leben?“

„Das… Wenn ich Sie unterbrechen darf, das stimmt nicht so ganz. Künstliche Systeme sind nur dann instabil, wenn sie zu einseitig sind. Natürliche Ökosysteme beziehen ihre Stabilität aus der Vielfalt. Die Saatkapseln, die für Beltane verwendet wurden waren längst nicht mehr nur mit Sporen für Moos und Farne sowie Samen für Gräser, Birken und Fichten bestückt. Das hat bereits bei früheren Kolonien zu Schwierigkeiten geführt. Unser Ökosystem ist von Beginn an auf eine große Artenvielfalt ausgelegt und mit den notwendigen Startern versehen, welche die hohen CO2 werte vertragen können. Einige der Arten hier sind damals nur für Beltane entwickelt worden. Außerdem sind etliche sehr anpassungsfähige Arten ausgesät worden um die evolutionären Entwicklungen nachvollziehen zu können. Für die Medizin wurde eine breite Auswahl an Heilkräutern und für die Pharmazie wichtigen Pflanzen beigefügt. Selbst einige Insekteneier waren in den Kapseln. Ein einmaliges Experiment, sie direkt dort beizufügen. Die meisten Arten sind aber erst mit dem Schiff selbst gekommen, gemeinsam mit den Vögeln.“

„Die Vögel sind ein gutes Thema. Angeblich gibt es auf jeder menschlichen Kolonie welche, selbst auf denen, ohne freien Himmel. Wenigstens Hühner sind noch auf den Ateroidengürteln vertreten. Wir haben frei fliegende Vögel aber man sieht sie so gut wie nie. Wovor verstecken sie sich? Auf Beltane haben sie keine Fressfeinde.“

„Das stimmt und sie verstecken sich auch nicht. Genau genommen sind sie da, man muss nur wissen wo man drauf achten soll. Die Vogelpopulation entwickelt sich tatsächlich sehr viel langsamer, als es erwartet wurde. Die Obstbäume tragen zwar sehr reichhaltig aber wir vermuten, dass der Sauerstoffmangel den Tieren eher zusetzt als uns. Zusätzlich ist die Atmosphäre dünner als auf der Erde. Dadurch steigt der zum Fliegen benötigte Energieaufwand weiter. Demnach haben die Vögel einfach nicht die Kraft um weite Strecken zu fliegen. Wenn die Wälder weiter wachsen wird sich das Problem hoffentlich erledigen. Hier im Rosengarten habe ich aber tatsächlich schon selbst Vögel gesehen.“

„Die Universität entwickelt sich, das Ökosystem entwickelt sich, die Kolonie wächst. Es scheint, dass die Menschheit ihre Stagnation überwunden hat. Aber wir haben einen sehr großen Schritt gewagt mit der Expansion und der Gründung der Allianz. Wie, würden sie sagen, geht es nun weiter?“

„Ich sehe zwei Möglichkeiten. Einmal hat sich die Menschheit auf einen Schlag gewaltig ausgedehnt. So etwas passiert bei jeder Zellteilung in der Biologie mit der Interphase. Auf diese Phase der Ausdehnung folgt dort immer eine Ruhephase in der die Zelle wächst und sich sortiert bevor sie sich erneut teilt. Die Anlagen der alten Systemmacht sind aber nach wie vor vorhanden. Wir könnten also diese Phase auch überspringen und weitere Kolonien gründen, wenn sich genügend Kolonisten finden. Das hängt von der Erde ab aber ich glaube, sie werden diesen Schritt nicht wagen. Es wäre unvernünftig übereilt zu handeln. Was aber wohl auf jeden Fall passieren wird ist, dass die zweiundvierzig Kolonien eines Tages groß genug sind, um jeder selbst Expeditionen zu neuen Welten zu starten. Ob unter der Fahne der Allianz oder einer anderen, die Menschheit wird weiter zu den Sternen streben.“

Beltane – Teil 2.

Beltane Titelbild

So war es dann gekommen, dass auf Beltane Kameras ausgepackt wurden mit dem Ziel, die Schönheit der Landschaft und die Eigenheiten der Kolonie fest zu halten. Mara Naravova war zur Pressevertreterin der Kolonie ernannt worden. Ein Reporter namens Felix Urban hatte eine Videonachricht in einem völlig veralteten Format geschickt. Er hatte die Autorisierung der Allianz eine Dokumentation über die Besiedlung von Beltane zu drehen. Ohne selbst dort zu sein. Um trotzdem etwas über die Kolonie zu erfahren und Interviews führen zu können hatte er ein weiteres Video gesendet. Wieder im gleichen veralteten Format und voll gestopft mit Fragen rund um die Reise, die ersten Schritte auf der neuen Welt und das alltägliche Leben so weit draußen. Aus seinen Worten sprach dabei wenig Anerkennung.

Mara Naravova überlegte, wie sie mit den Interviews umgehen sollte und beschloss, aus jeder Gruppe einen Vertreter vor die Kamera zu setzen. Sie war sich nicht sicher, in welchem Ton sie die Antworten formulieren sollten. Die vorlaute, herablassende Wortwahl des Reporters störte sie sehr. Sie beschloss, das aktuell in der Allianz übliche Format zu verwenden. Damit würde sie die Bandbreite der Übertragung zwar wahrscheinlich vollständig ausnutzen aber sie hatte das Gefühl, die Ehre der Kolonie verteidigen zu müssen. Sie waren noch einfach, aber nicht rückständig.

Sie war sich bewusst, dass Beltane das jüngste der zweiundvierzig von Menschen bewohnten Systeme war aber das machte sie nicht zu der primitivsten. Sie waren keine Bauernkolonie wie Solaris oder Shire. Die Siedler dort versuchten tote Planeten mit endlosen Wäldern zu bepflanzen. Auf Beltane wollten sie eine Perle der Menschheit schaffen. Kunstvolle Städte sollten entstehen, zierliche Parks, unkomplizierte Farmen, leistungsstarke Fertigungsstätten, perfekt ausgerüstete Schulen und Universitäten. In jeder Stadt sollte es eine Bibliothek geben, zusätzlich zu dem immer erreichbaren Zentralarchiv. Jede Stadt sollte ein Theater haben, ein Orchester und Museen. Die Tunnelbohrmaschinen gruben bereits die ersten Tunnel zwischen den beiden Städten und den Orten, wo weitere entstehen sollten. Die U-Bahn würde den ganzen Globus umspannen, jede Stadt mit jeder verbinden. Selbst jene, die noch lange nicht gegründet waren. Nein, für Beltane musste man sich wahrlich nicht schämen. Sie waren nicht rückständig und würden es auch nie sein.

Mara Naravova griff sich eine Kamera und verließ ihr Büro. Sie wollte sich umsehen, Orte suchen, die für die Interviews eine geeignete Kulisse abgeben würden. Sie hatte sich überlegt, die verschiedenen Vertreter jeweils vor der Stätte ihres Wirkens zu interviewen. So konnte sie ihnen die Möglichkeit geben, direkt auf ihre Arbeit Bezug zu nehmen und sie zu Präsentieren. Die Farmen, die Fabriken, die Bildungs- und Kulturanstalten, die Minen und Städte. Nur wo sollte sie anfangen?

Im Foyer der Koloniezentrale befand sich ein Hologramm der Kolonie. Die Hauptstadt, Beltane, namens gebend für die ganze Kolonie, lag auf einem Hügel genau zwischen zwei klaren Seen. Genau in ihrer Mitte ragte der Verwaltungsturm der Koloniezentrale wie eine glitzernde Nadel in den Himmel. Von dort aus führten Alleen in alle Richtungen. Hinunter zu den Häfen, zu den Plätzen und Parks der Stadt. Mara Naravova mochte die Parks, besonders die waldigen. Sie waren mit viel Bedacht angelegt worden und immer gepflegt und aufgeräumt. Wenn man Glück hatte, dann konnte man sogar einen der seltenen Vögel dort zwitschern hören. Tiere gab es noch immer recht wenige auf Beltane. Es gab zwar sogar bereits einen kleinen Zoo aber der war drüben, in Belenos. Die Parks bildeten immer kleine Freiflächen und Kontraste in den dichten Strukturen der Stadt. Die Siedler waren beisammen gehalten worden. Selbst die Farmen mit ihren weitläufigen Gewächshäusern lagen unmittelbar an der Stadtgrenze. Es gab kaum lange Strecken, alles ließ sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen.

Und dann fand Mara Naravova den Ort für ihr erstes Interview. Der Garten der Universität! Zunächst ein recht unscheinbarer Ort. Mit seinen Kletterpflanzen und rauen Mauern wirkte er irgendwie urig, als wäre er schon sehr viel älter als die Kolonie. Das niedrige Universitätsgebäude störte dieses Bild nicht. Die großen Fenster waren mit vielen kleinen Kacheln aus Buntglas besetzt und erinnerten an die Bilder von Kathedralen und mittelalterlichen Schlössern aus den Geschichtsbüchern der Erde. Die Container des Kolonieschiffs, aus denen das Gebäude ursprünglich zusammen gesetzt war, konnte man nicht mehr als solche identifizieren. Viele der Gebäude in Beltane waren zumindest teilweise früher einmal ein Element des Schiffs gewesen. Jetzt waren sie auf Fundamente gesetzt worden und bewohnt. Putz und Farbe hatten aus alten Containern wohnliche Häuser gemacht, schweißgeräte und fähige Tischler aus klobigen Schotts einladende Türen.

Beltane – Teil 1.

Vorwort

Es wird mal wieder Zeit für eine Geschichte. Mit Beltane lade ich Euch auf eine Reise zu den Sternen ein. Es ist eine Geschichte, die ich bereits vor einer Weile geschrieben habe, um einer anderen Geschichte etwas mehr Hintergrund und Leben zu bieten, die Welt mit Geschichte, Gesichtern, Namen und Schicksalen zu füllen.

Damit steht sie auch nicht ganz alleine da. Hunger und Warteschleife spielen ebenfalls in diesem Universum. Man kann Beltane auch als eine Art „Fortsetzung“ zu Hunger sehen, auch wenn das Schiff ein anderes ist. Es ist im Grunde der nächste Schritt. Die eine Etappe der Reise ist abgeschlossen, und nun folgt die nächste.

Wie schon bei Hunger habe ich dabei rein aus dem Kopf geschrieben, ohne die bitter notwendigen Recherchen. Ich hoffe, man merkt es nicht zu sehr anhand von Fehlern und Logiklöchern (Wie immer bin ich dankbar um jeden Hinweis auf ebendiese). Kleinere Schnitzer versuche ich immer wieder unterwegs zu beseitigen. Wie üblich ist sie in mundgerechte Häppchen zerteilt, um sich besser in die Bloggerwelt am Bildschirm einzufügen.

Und es ist wieder eine kleine Premiere, denn vor Euch hat noch niemand diese Geschichte gelesen. Jetzt wünsche ich euch ganz viel Spaß beim Lesen und wie immer sind Kommentare und Kritik herzlich willkommen.

Beltane Titelbild

Beltane – Teil 1.

Wie führt man ein Interview über vierzig Lichtjahre, über eine Leitung, die sich nur einmal am Tag für eine halbe Stunde öffnet?

Felix Urban saß an seinem spartanisch eingerichteten Arbeitsplatz und riss sich die dünnen Haare aus. Er hatte vom Sender den Auftrag bekommen, eine Dokumentation zu drehen. Eine Dokumentation über etwas, was auf einem anderen Planeten, in einem anderen Sternsystem, vierzig Lichtjahre entfernt statt fand. Eine Dokumentation mit Interviews und möglichst beeindruckenden Filmausschnitten. Immerhin würden sie sich mit der semi-3D Version zufrieden geben. Es würden also keine vollständig dreidimensionalen Aufzeichnungen für die Holokammern sondern nur die üblichen, einfachen, flachen Versionen benötigt. Diese waren immer noch gut genug, um auf den Televisoren in den Wohnzimmern der Allianz ein beeindruckendes Erlebnis zu erzeugen.

Noch etwas, an das er sich noch gewöhnen musste. Die „Allianz der Terranischen Kolonien.“ Zweiundvierzig waren es inzwischen, wenn man nur die Systeme zählte. Früher war noch die Rede von der Systemmacht Sol, den dichten- und den tiefraum- Kolonien gewesen. Seit der großen Konferenz war das nun Geschichte. All das hieß jetzt nur noch die Allianz. Das schlimmste daran war, der Sitz dieser Allianz war nicht einmal auf der Erde sondern auf einer der dichten Kolonien. Soweit war es schon gekommen. Die Erde, die Welt auf der alles begonnen hatte, war nicht einmal in die Auswahl zum Sitz der Verwaltung gekommen. Eine Kolonie sollte diese Aufgabe übernehmen. Eine Ersatzerde!

Für Felix Urban war das allein ein himmelschreiender Skandal. Und über eine solche Ersatzerde sollte er jetzt eine Dokumentation drehen. Der Sender hatte die jüngste, am weitesten entfernte, primitivste Welt ausgesucht. Wenn sie gekonnt hätten, sie hätten ihn wahrscheinlich noch selbst hin geschickt. Zu seinem Glück war die Reisezeit für die schnelle Medienwelt in geradezu geologischen Maßstäben. Das Kolonieschiff, die Beltane, hatte achtzig Jahre für die Reise gebraucht. Trotz der Dämpfer hatten sie nicht bis direkt unter Lichtgeschwindigkeit beschleunigen können. Sie hatten sich mit etwas mehr als der Hälfte zufrieden geben müssen, um die Raumzeit nicht gänzlich zu verzerren.

Seit dreißig Jahren war die Beltane Kolonie nun also der entfernteste Stützpunkt der Menschheit. Kein Mensch hatte überhaupt eine weitere Reise angetreten und das, obwohl sich die Triebwerkstechnologie und die Dämpfer verbessert hatten. Die neuen Schiffe konnten Lichtgeschwindigkeit fast erreichen, ohne dabei von außen relativ langsamer unterwegs zu sein. Ein Pilot hätte darin für fünf Monate unterwegs sein können und bei seiner Rückkehr wären tatsächlich nur diese fünf Monate vergangen. Das hätte er, wenn die Dämpferfelder für Organisches Leben nicht absolut tödlich gewesen wären. Trotzdem war die vergangene Systemmacht Sol vollends davon überzeugt gewesen und gab unbemannte Frachtdrohnen in Auftrag, die zwischen den Kolonien verkehren sollten. Die Ersten davon waren bereits auf der Heimreise.

Vor etwa einem halben Jahr war eine dieser Drohnen auf Beltane eingetroffen. Sie transportierte das allerneuste Stück Technologie aus den Geheimlabors der ehemaligen Systemmacht. Ein Objekt, von dem Felix Urban keine Ahnung hatte, wie es genau funktionieren sollte und was daran funktionieren könnte oder auch nicht. Technik interessierte ihn nur so weit, wie er es in einen hastig zusammen geschusterten Bericht packen konnte, den ihm irgendjemand für schnelles Geld abkaufte.

In diesem Fall war immer die Rede von Tunnelrelais, über die man Daten zwischen den Welten, über Lichtjahre der Entfernung ohne Zeitversatz transferieren konnte. Sie sollten im Grunde funktionieren wie ein Wurmloch, nur eben genau andersherum. So hatte ihm jedenfalls der Ingenieur entnervt erklärt, als er es nach der zigsten viel zu wissenschaftlichen Erklärung noch immer nicht verstehen wollte. Felix Urban musste sich allerdings eingestehen, dass er es auch nicht wirklich versucht hatte zu verstehen. Er konnte Wissenschaftler und Ingenieure nicht leiden. Wie sie umher stolzierten, mit ihren weißen Kitteln und tollen Helmen. Wie sie immer alles wissen mussten und jeden kennen. Als würde die Welt sich ohne sie nicht mehr weiter drehen können.

Gut, er musste zugeben, ungebremster Informationsfluss über Lichtjahre, das war in der Tat ein sehr kostbares Gut. Vielleicht sogar die wichtigste Erfindung seit … ihm fiel auf die Schnelle kein geeignetes Beispiel ein und er notierte sich schnell die Fragestellung. Vielleicht konnte man mit einem wohlwollenden Bericht darüber bei der Allianz einige Sonderrechte gewinnen. Trotzdem war er Realist genug, die alten Relaisstationen noch nicht aufzugeben. Sie konnten zwar keine Nachricht schneller als das Licht transferieren aber dafür von und zu jedem beliebigen Punkt. Und sie waren ausgesprochen zuverlässig, selbst wenn sie mit einem menschlichen Wärter besetzt waren. Der größte Teil der weniger dringlichen Nachrichten und Ergebnissen aus der Wissenschaft würde weiterhin über dieses verlässliche und (noch) billigere System laufen. Für seine Dokumentation aber brauchte er etwas schnelleres.

Felix Urban ärgerte sich, dass er der Kolonie nicht einmal eine brauchbare Kamera zukommen lassen konnte. Die Tunnelrelais konnten bislang keine Materie übertragen und mussten unbedingt im Weltall stationiert sein. Frei von Gravitation und Atmosphäre. Würde er dieses frei von Gravitation in einem wissenschaftlichen Beitrag senden lassen würde er sicher für viel Aufregung und Beschwerden sorgen aber für ihn reichte diese Erklärung so. Die Tunnel waren für Funkübertragungen geeignet, ansonsten wertlos. genauer wollte er es nicht wissen. Jedenfalls war er auf die Kameras angewiesen, die auf der Kolonie bereits vorhanden waren. Das konnte unmöglich gut gehen. Die Kameras dort mussten alle schon zwanzig Generationen veraltet sein und wahrscheinlich auch noch miserabel gewartet. Was für eine Verwendung hatten Kolonisten auch für Kameras? Das waren Wilde, Bauern, Barbaren! Freaks, deren Eltern es schon auf den alten Welten zu nichts gebracht hatten. Wieso sollte es auf den Neuen besser laufen? Felix Urban knirschte mit den Zähnen und schmiedete weiter an seinem Plan.