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Momente XIV

Lautlos fallen dicke Flocken vom Himmel, tanzen im dämmrigen Licht der Straßenlaternen, die mitten am Tag versuchen, ein wenig Helligkeit unter die dunklen Wolken zu tragen. Der Blick zum Fenster hinaus fällt gegen eine fluffige Wand aus schaumigen Wasserkristallen. Die Kälte des nahen Fensters zieht die Wärme aus dem Gesicht und trägt einen Geschmack von Kälte auf Lippen und Zunge. Es stellt einen angenehmen Kontrast zur wohligen Wärme im Zimmer dar, die von der Heizung unter dem Fenster die Beine empor gekrochen kommt und sich an den Rücken schmiegt. Im Raum herrscht eine angenehme Stille, fast schon ein wenig beängstigend. Irgendwo zwei oder drei Etagen weiter oben brummt eine Spülmaschine. Sie ist lauter als der Lieferwagen, der sich unten den Weg über die zugeschneite Straße kämpft. Der Schnee schluckt den meisten Motorenlärm und fällt dicht genug, um die hässlich dunkle Spur aus Schneematsch hinter ihm direkt wieder zu bedecken. Selbst hier, mitten in der Stadt, mitten am Tag, ist es leise. Der Schnee hat etwas Friedliches, Beruhigendes. Er frisst alle Störlaute auf, verbirgt Dreck und die vielfach stümperhaft geflickte Straße, setzt eine gleichmäßige und sanft geschwungene weiße Fläche an ihre Stelle. Es ist, als würde die Welt einmal tief seufzen und Pause machen, zur Ruhe kommen, für einen Moment einfach anhalten. Und gerade, als es fast schon zu ruhig wird, springt ein junger Hund voller Begeisterung durch den Schnee, hüpft hoch, um Schneeflocken aus der Luft zu fangen und rollt sich durch das kalte Pulver. Wenn er sich hinlegt, erkennt man nur noch das rot leuchtende Halsband. Dann springt er wieder los, rennt auf und ab und steckt jeden heimlichen Beobachter mit seiner kindlichen Freude an. Er müsste eigentlich die friedliche Stille stören, doch harmoniert er so gut mit dem Tanz der Schneeflocken, dass es nur noch idyllischer wirkt.

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Momente XIII

Ein schüchterner Blick über den Rand der flauschigen Kuscheldecke, erst ins Gesicht, dann auf die dampfende Tasse Tee in den ihr entgegen gestreckten Händen. Ein offenes Lächeln, was direkt aus dem Herzen zu kommen scheint und jeden klaren Gedanken mit reichlich Brausepulver und Glitzer bestreut. Große Augen, Spiegel einer hellen und klaren Seele, strahlend wie reinstes Gletschereis aber mit der Wärme der Sommersonne. Zarte Hände, die sich nach der Tasse ausstrecken, und die Berührung von Haut auf Haut entzündet ein kleines Feuerwerk. Ein Gefühl von Wärme, Geborgenheit und Glück, vergessen geglaubt, verloren in den Untiefen ergrauter Vergangenheit. Doch nun ist es wieder da und stößt auf keine Gegenwehr. Im Gegenteil! Gemeinsam mit dem Tee wird es dankbar entgegen genommen und umarmt. Und wenn der Zweifel noch so sehr daran zerrt und nagt, so muss er sich doch erfolglos geschlagen geben.

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Momente XII

Kamele

Kreisförmig wandern die Kiefer, kauen auf einem unbekannten Stück Irgendwas herum, während die Augenlider gleichgültig und müde auf Halbmast hängen. Teilnahmslos wandern die Köpfe von links nach rechts, betrachten die Umgebung und scheinen doch nichts davon wahrzunehmen. Nichts scheint die kleine Karawane aus der Ruhe bringen zu können, die mit schwerer Last beladen auf ihre Abfertigung wartet. Es scheint nur das hypnotische, gleichmäßige kreisen der Kiefer. Gelegentlich zeigen sich die verfärbten und schief stehenden Kamelzähne und machen das genaue Gegenteil von in der Sonne glitzern. Vermutlich haben sie das nie getan.

Die Schlange rückt einen Schritt weiter auf und die Kamele folgen ihr mit langsamem Blinzeln und schaukelndem Gang, immer noch träge kauend. Ihr Blick bleibt an einem Päckchen Kaugummi hängen und hinter den halb geschlossenen Augen rattern metaphorische Zahnräder. Sie kommen zu keinem klaren Ergebnis aber inzwischen ist die Schlange weit genug aufgerückt, dass auch sie ihre Einkäufe auf das Kassenband legen können und sie tun es mit der gleichen fast schon ignoranten Gleichgültigkeit, mit der sie schon die ganze Zeit auf ihren Kaugummis kauen.

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Momente XI

Ein Sonnenstrahl bricht durch die Blätter des Kirschbaumes, der bereits seit Monaten schon keine Früchte mehr trägt. Er bricht sich in den Staubkörnern, die in der stickigen Sommerluft schweben, und fällt schlussendlich genau in das Zentrum einer strahlenden Sonnenblumenblüte. Stumm und regungslos steht sie dort, wie auf Leinwand gebannt, und die einzige Bewegung rührt von der Hummel her, welche durch ihr Zentrum krabbelt. Ihr Gewicht reicht aus, um die große Blume ganz leicht in Schwingung zu versetzen, ihre Blütenblätter zum Zittern zu bringen. Die ganze Aufführung tanzt im Takt der Lieder, welche die Vögel in den Bäumen trällern. Eben noch schien es alles reglos zu sein, doch nimmt man sich etwas Zeit und Ruhe, regt sich das Stillleben. Die kleine Maus in der Bruchsteinmauer hat bis eben auch tatsächlich stillgehalten. Jetzt aber huscht sie nervös über den Rindenmulch Weg und verschwindet unter dem Schlehenbusch. Der Hase auf der großen Wiese oder die Bienen in ihrem Stock daneben zeigen sich davon unbeeindruckt. Besonders bei den Bienen fällt der Effekt des Stilllebens auf, denn es hat bis jetzt gedauert, um zu bemerken, dass viele der Staubkörner, welche so fidel in der stehenden Luft tanzen, eifrige Bienen sind, die ihre letzten Pollenernten des Jahres nach Hause bringen. Und bald werden die Sonnenstrahlen nicht mehr zwischen Blättern, sondern kahlen Zweigen tanzen. Nur die bauchigen Wolken bleiben bestehen und treiben gemächlich dahin.

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Momente X

Dumpfes Donnern wandert über den Fluss unter der Brücke, breitet sich in einer beinahe sichtbaren Druckwelle aus und lässt nicht nur die Trommelfelle in den Ohren beben. Vom Ursprungspunkt des Donners aus, nur wenige Hundert Meter entfernt, steigt eine kleine, kaum sichtbare Kugel glimmend empor. Erst schnell, immer langsamer werdend, wird auch ihr Schein immer dünner.

Völlig absehbar und doch unerwartet verwandelt sich der eben noch kaum sichtbare Punkt in einen weißen Blitz, der den ganzen Himmel erleuchtet und die Menschenmassen rund herum sichtbar macht. In alle Richtungen schießen die weißen Strahlen, Tentakeln gleich, in den Nachthimmel. Nach einer kurzen Strecke ist ihre Reise aber wieder am Ende und sie explodieren in einen Regen aus Sternen. Nur einen kurzen Augenblick hat es gedauert, vom Abschuss der Ladung bis zum Verglühen ihrer letzten Fragmente. Der Wind trägt den Pulverdampf mit sich fort, kitzelt in der Nase und macht dann Platz für die nächste Donnerwelle, welche die Seele massiert.

Eine nach der anderen zünden die Röhren, katapultieren ihre brennenden Ladungen in den Himmel. Mal einfache Lichtblitze, knisternden Goldregen, funkelnde Sterne. Mal bunte Explosionen in allen Farben des Regenbogens, jede begleitet von einem volltönenden tiefen Donner. Inzwischen rollt er nicht mehr in einzelnen Wellen heran. Auf jeden Knall folgt gleich der nächste, der Blitz, jedes Leuchten, geht direkt in das nächste über. Selbst in den dunklen Momenten dazwischen glüht der Himmel immer noch so hell, dass es selbst der hellste Stern nicht hindurch schafft. Brennende Säulen steigen auf, zerplatzen zu kleinen Sonnen, die ihr Feuer wie eine weiche Decke über den Fluss legen. Mit lautem Heulen schrauben sich Spiralen aus Licht in dem Himmel und prägen sich in die Netzhaut.

Und dann ist es auf einmal vorbei. Keine weitere Ladung wird abgeschossen, kein neuer Stern erscheint und rieselt als prasselnder Funkenregen hinab. Statt knallenden Pulvers rauscht wieder nur der Hintergrundlärm der Stadt und zahlloser Menschen in den Ohren und der Wind trägt die nach verbranntem Schwarzpulver riechenden Wolken mit sich fort. Nur noch ein schwacher Nachschein glitzert im Auge, während die Sterne langsam wieder sichtbar werden. Und es fühlt sich an, als würde der Wind mitsamt dem Pulverdampf auch einige Traumsplitter davontragen. Auf zu neuen Ufern, in frische Köpfe, als Kondensationskeime für junge Geister und Hoffnungen.

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Momente IX

Strahlend weißer Nachthimmel, nur für den Bruchteil eines Wimpernschlags. Zwei Herzschläge schwarzer Ruhe und Finsternis, mit nichts weiter als dem leisen Prasseln von Regen. Ein scharfer Knall zerreißt die Stille der Nacht in abertausende Fetzen, jagt Spannung und Energie durch jede Zelle, angefangen bei den Haarspitzen, bis hinunter in die Zehen. Elektrisches Knistern in der Luft, das weiche Massieren der Druckwellen im Bauch.

Der Wind zerrt an den Wipfeln der Bäume vor dem Fenster, pfeift in den zugigen Ritzen im Rahmen. In immer neuen Böen wirft er Regen und Hagel wüst umher, lässt sie im trüben Licht der Straßenlaterne glitzern. Nach jedem Blitzeinschlag scheinen sie kurz zu verlöschen, nur um dann wieder eine einsame Fackel im schwarzen Unwetter zu sein. Eine einzelne kleine Lampe erleuchtet nur ein Fenster auf der anderen Straßenseite. Ansonsten könnte dort auch eine einfache schwarze Wand sein. Das einzige Lebenszeichen weit und breit.

Mit jedem Blitz wird der Donner leiser und leiser, lässt immer länger auf sich warten. Am Ende schafft es ihr Leuchten kaum noch durch den Regen. Die Aufregung lässt nach und alles, was zurückbleibt, ist das Prasseln der Hagelkörner auf den Autodächern auf dem Parkplatz und das Trommeln der Regentropfen, die der Wind gegen das Fenster wirft. Die Nacht holt sich ihre Finsternis zurück und selbst das letzte Licht gegenüber erlischt.

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Momente VIII

Sommerhitze rollt wie ein brennender Güterzug über die Stadt hinweg und lässt die windstille Luft flirren. Staubig wirkendes Sonnenlicht lässt stumpfe Fensterscheiben und dicke Schweißperlen glitzern. Die Thermometer in den zahlreichen Dachwohnungen klettern immer höher und höher und jedes noch so kleine Wasserloch erhält eine magische Aura aus unwiderstehlicher Anziehungskraft.

Im Hörsaal ist es erstaunlich leise. Das Semester ist bereits etwas fortgeschritten und hat einen inneren Zwang mitgebracht, sich endlich zu engagieren und regelmäßiger in den Vorlesungen aufzupassen. Trotz kompletter Verdunklung steht die Luft, gefühlt ohne ein einziges Sauerstoffmolekül, dafür aber mit jeder Menge stechendem Schweißgeruch und noch mehr Wärme, als selbst in der prallen Sonne zu finden wäre.

Die Zeiten der Grundvorlesungen sind vorbei und so kann der Professor endlich über die Themen referieren, die ihn selbst auch begeistern. Das mag ein gutes Mittel gegen die lähmende Hitze sein. Vielleicht liegt es auch an seiner Tätigkeit in den Wüsten dieser Welt, von denen er gerade berichtet, die ihn gegen Temperaturen weit jenseits der eigenen Körpertemperatur abgehärtet haben. Im Moment sieht er jedenfalls in interessierte, wenn auch erschöpfte Gesichter. Nicht nur ein Paar Augen hier sehnt sich gerade nach einer kalten Dusche, einer Siesta oder wenigstens einem großen Eis. Doch seine Begeisterung steckt an und so nehmen etliche den Kampf an und bemühen sich um Aufmerksamkeit.

Plötzlich kommt Leben auf, ein heiteres Gekicher wandert durch die Reihen. Der Einzige, der in seiner Reihe nicht kichert, ist der Stoner in seinem bunten Hawaiihemd, bei dem es nur niemand übers Herz gebracht hat, ihm mitzuteilen, dass es schrecklich aussieht. Er sitzt recht schief, das Kinn auf die Faust gestützt und schläft in aller Seelenruhe. Der Professor lächelt kurz und fährt dann unbeirrt fort. Er wird schon wieder irgendwann aufwachen. Lediglich die beiden Ägypter in der letzten Reihe schütteln ungläubig die Köpfe. Währenddessen zieht eine hohe, diffuse Wolkendecke über den Himmel, perfekt um die Wärme über Nacht zu halten.

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Momente VII

Der Tag war geprägt von viel zu früh aufstehen, vielen Kilometern und Stunden Autobahn, Staub und Lärm. Müdigkeit zerrt an den Lidern, lässt Kopf und Glieder schwer und schlaff erscheinen. Die Abendsonne bringt einen milden Wind mit sich, der etwas Abkühlung und Erfrischung bietet. Umliegende Bäume und Büsche schlucken den Lärm, schaffen eine Oase der Ruhe hier am Rande der hektischen Stadt. Mit das Lauteste ist das Gezwitscher der Vögel oder das eifrige Summen der Bienen um den Bienenstock auf dem Balkon. Sie nutzen noch die letzten Sonnenstrahlen, um die Blumen hier im Garten zu besuchen, oder die der Brachen in der Umgebung.

Ein Windhauch trägt den süßen Duft bunter Blumen mit sich. Der blaue Flieder ist leider schon verblüht, dafür ziehen die wilden Rosen jetzt nach und tränken die Luft mit ihrem Aroma, dem nicht nur die Bienen kaum widerstehen können. Der Wind rauscht durch die Haare und lässt die Strähnen tanzen, ebenso wie den Schmetterling, der die zierlichen Erdbeerblüten umschwärmt. Sie scheinen ihn nicht besonders zu reizen, der Thymian lockt ihn dafür umso mehr.

Würzige Minze, frischer Salat, runde rote Radieschen und saftiger Sauerampfer laden zum knabbern und naschen ein. Für einen belebenden Frühlingssalat ist alles bereits reif. Er tut sich mit dem lauen Wind, den angenehm warmen Sonnenstrahlen und der entspannenden Ruhe, die unweigerlich mit der Farbe Grün assoziiert wird, zusammen, um die Erschöpfung zu vertreiben, wenigstens für den Moment. Die Natur gönnt sich derweil keine Pause, der Frühling will genutzt werden. Eine Hummel fliegt gemächlich auf ein buntes Windrädchen in einem der Hochbeete zu. Auch wenn sie dort nichts finden wird, was ihr schmeckt, wirkt es entsetzlich friedlich.

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Momente VI

Sengende Sonne strahlt zwischen einzelnen scharfkantig bauschigen Schäfchenwolken hindurch, es wird warm unter der Plexiglashaube. Grünes Gras in vollem Saft zieht sich über das flache Feld, ein feines Stahlkabel, was sich mittig darüber zieht. Am Rand blühen einige Blumen und es schwirren hektisch Bienen und Hummeln umher, nutzen den schönen Frühlingstag bei einem lauen Wind.

Ein kurzer Check, Griff zu den Gurten, zur Verriegelung der Haube, ein Blick links und rechts die strahlend weißen Tragflächen entlang und über die Schulter. Test von Pedalen und Knüppel, alle Ruder und Klappen sind freigängig. Tief durchatmen, die Sehnsucht wirken lassen, es ist alles okay.

Ein weißes Wölkchen schwebt etwa im fünfundvierzig-Grad-Winkel von der Position aus über der Bahn. Der perfekte Wegweiser. Ein kurzes Okay, das Stahlseil strafft sich, zieht an, der Sitz stürmt nach vorne weg und jedes Gramm Körpermasse versucht verzweifelt schritt zu halten und nicht durch die Sitzschale gedrückt zu werden. Keine zwei Sekunden später rattert die Maschine mit knapp über einhundert Kilometern pro Stunde über das Feld, welches plötzlich kaum mehr glatt erscheint. Büsche, Bäume oder Zaunpfähle rasen im Augenwinkel vorbei, nur einen Augenblick, dann wird das Rumpeln von einem gleichmäßigen Rauschen abgelöst. Kaum ein halber Meter Wind liegt zwischen dem Flieger und dem Gras, die Wolke unterdessen ist immer noch an ihrer Position über dem Flugfeld.

Ein sanfter Zug am Knüppel und die Nase zeigt genau auf die Wolke. Wie im Fahrstuhl zerrt das Seil das kleine weiße Flugzeug in die Höhe. Nur schneller, so viel schneller. Steuern ist sinnlos, die Aerodynamik übernimmt es von alleine. Das rauschen wird leiser, die Maschine langsamer, der Winkel flacher. Vor wenigen Augenblicken noch zwischen blühenden Bäumen, nun bereits einen halben Kilometer den wattigen Wolken näher. Ein metallisches Kratzen lässt den Rumpf leise zittern und die Hand geht automatisch zur Seilkupplung. Selbst wenn das Seil etwas zurückgelassen hätte, nun ist es fort.

Ruhe, nur noch der leise Fahrtwind, ein Bellen auf einem Bauernhof weit unten, das ewige Brummen der Autobahn hinter dem nächsten Hügel. Geschwindigkeit okay, Gleitzahl auch. Ein kurzer Blick umher, wo ist welche Wolke? Was soll das Ziel sein? Am Horizont quellen dicke Wolken aus Kühltürmen, periodisches Aufblitzen verrät einen Flieger, der ihre Aufwinde nutzt. Eine kleine Bewegung über die rechte Tragfläche erregt Aufmerksamkeit und weist die Richtung. Einer der Meister zieht seine Kreise und gewinnt rasch an Höhe. Der Falke kann jede Regung der Luft spüren, der Flieger leider nicht. Da hilft nur noch Schätzen und die Erfahrung.

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Momente V

Schemenhafte Stimmengewirr, laut, Musik, buntes Licht und klappernde Flaschen. Der dumpfe Lärm legt sich wie ein Nebel über den Geist, wie ein Kissen, welches sich im Schädel ausbreitet und drückt, alles erstickt. Gesichter, die verschwimmen, alle in irgend einer Richtung abgewandt. Gerüche von abgestandenem Bier, kaltem Rauch, Schweiß und billigem Parfüm. Pochen, hinter der Stirn, an den Schläfen und im Hals.

Müdigkeit, welche die Glieder schwer werden lässt und Alkohol, der ihr helfend zur Seite steht. Wummernder Bass, der unangenehm auf einen gereizten Magen und eine zu volle Blase drückt. Süßlicher Speichel sammelt sich im Mund, das nagende Verlangen nach frischer Luft und etwas Kälte wird zu einem unwiderstehlichen Drang. Müdigkeit drückt sich wie ein Kissen in den Geist, lässt alle Konturen verwischen und alle Geräusche stumpf werden.

Ein paar Augen, eher zu spüren als zu sehen, glitzern in der namenlosen einheitlichen Masse auf und heben sich ab. Vor einer vagen und diffusen Masse strahlen sie scharfkantig und hell wie kleine Sonnen, in Malachit gefangen. Sie starren genau herüber, fangen den eigenen Blick auf und reagieren. Plötzlich ist der Lärm weg, das Licht weich, die Hektik verschwunden. Alles bewegt sich nur noch in Zeitlupe, die grünen Augen scheinen Funken zu sprühen. Es liegt etwas magisches in ihnen, etwas unwiderstehliches, eine Verbindung, Verstehen, Verlangen, Vertrauen. Perfektion ist das Wort, was hier einmal wirklich angemessen ist.

Dann ein Stoß von der Seite, Taumeln, Abfangen, wieder aufrichten und umsehen. Doch die Augen sind weg. Dafür bricht jetzt noch stärker als zuvor die Umgebung wieder hervor. Gestank von verschüttetem Bier und diversen Körperflüssigkeiten, grelles Licht flackert unruhig in vielen Farben und der Lärm aus den Boxentürmen ist laut, unharmonisch und langweilig. Nichts hier drinnen lohnt es noch zu bleiben, die Augen sind verloren und nicht mehr zu finden. Das letzte verbliebene Verlangen wartet auf der anderen Seite der Tür.