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Warum der Mars eigentlich unwichtig ist

 

Es ist jetzt auch schon wieder einen Monat her, dass ich mit einigen Videos prokrastiniert habe und meinen Gedanken nachgehangen bin. Dabei hatte ich das Gefühl, dass in letzter Zeit mehr und mehr Menschen auf ein Rettungsboot wie Geoengineering oder den Mars vertrauen, statt unsere Probleme hier einfach einmal handfest angehen zu wollen. Und wer sich für den Erhalt eines Waldstücks und gegen die Vernichtung von älterem Torf einsetzt, der bekommt schnell den Stempel „Ökoterrorist“.

Studien wie das Jena-Experiment helfen zwar dabei, Umweltthemen in den Fokus zu rücken, aber wo bleiben die Konsequenzen?

Vor etwas mehr als einer Woche hat dann der IPCC einen aktuellen Bericht abgegeben. Gemeinsam mit dem Koalitionsvertrag unserer aktuellen Regierung, die sich vom Klimaschutz deutlichst distanziert, und der Meldung der EU, keine strengen Klimaschutzziele verabschieden zu wollen, bietet sich ein deutliches Bild:

Scheiß halt drauf! Wir wandern zum Mars aus. Und dann?

Warum der Mars eigentlich unwichtig ist

Bill Maher hat bereits vor einer ganzen Weile eine Sendung produziert, wo er sich deutlich gegen bemannte Raumfahrt zum Mars oder generell irgendeinen Himmelskörper ausspricht. Eine recht ähnliche Meinung hat auch Harald Lesch etwas später von sich gegeben. Was ist da los?

Ich als ScienceFiction Fan bin erst einmal dafür, wenn es heißt, die bemannte Raumfahrt wird wiederbelebt. Der Griff zu den Sternen ist sicherlich etwas, was uns nicht nur wirtschaftlich und wissenschaftlich weiter bringen kann, sondern ganz sicher auch kulturell. Eine erste kleine Basis auf dem Mond beispielsweise wäre die Erfüllung eines Menschheitstraums. Natürlich würde sich das auch in der Kunst und dem gesamten kulturellen Leben widerspiegeln. Die Mondlandungen waren ja wohl kaum eine Randnotiz in der Popkultur und Sputnik oder Gagarin haben sich nur deswegen weniger stark eingeprägt, weil das die falsche Hälfte der Weltkugel war, die östliche. Und wir wissen ja alle, das ist die ultimative Wurzel allen Übels. Wieso stimme ich den beiden genannten Herren jetzt dann doch zu?

Der Grund ist einfach. Beide sind nicht grundsätzlich Gegner der Raumfahrt. Sie sind Gegner der Sichtweise, der Mars könnte als zweite Erde herhalten. Die Raumfahrt erlebt im Augenblick einen richtigen Hype. SpaceX, Blue Origin oder Virgin Galactic, die Investitionen und die hohe Medienpräsenz privater Raumunternehmen ziehen neue Aufmerksamkeit auf ein altes Thema. Auch NASA und ESA profitieren davon. Wir scheinen so nah dran zu sein, an den ersten bemannten Flügen zum Mars. Es braucht nur noch ein paar Tests und die ersten Freiwilligen können starten.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht, und selbst wenn es das wäre… was dann?

Musk ist mit seinen Bestrebungen der forscheste und will bis 2050 eine Millionenpopulation auf dem Mars haben. Das ist ja so weit ganz löblich und ein tolles Ziel. Aber dem Gedanken, der Mars könnte ein Rettungsboot für die Menschheit sein, ist das wenig zuträglich. Denn selbst wenn er sein Ziel erreichen sollte (was doch sehr fragwürdig ist), ist das weit davon entfernt, die gesamte Menschheit zu erfassen. Die Millionen Kolonisten sind nicht einmal ein nennenswerter Anteil an der Menschheit, kaum 0,001% der über zehn Milliarden Köpfe, die sich bis dahin auf dieser Kugel drängen.

Und genau da setzt die Kritik an, die ich uneingeschränkt teile. Raumfahrt ist schön und gut. Ich finde sie richtig und wichtig, kulturell wie wirtschaftlich. Aber das löst nicht die Probleme, die wir hier auf der Erde haben und dringendst angehen müssen! Eine Marskolonie hilft der Erde nicht.

Uns Menschen rennt der Klimawandel aktuell davon. Die Geister, die wir riefen, würden dabei vielleicht sogar auf uns hören, wenn wir ihnen denn die passende Order geben würden. Nicht nur die Ereignisse im Hambacher Forst oder die Reaktionen auf ein Dieselgate stehen als Symbole dafür, dass wir lediglich ein ungebremstes „weiter so“ ordern. Wir greifen in Stoffkreisläufe ein, die wir zu großen Teilen verstanden haben und wo wir wissen, dass es eine dumme Idee ist. Und trotzdem soll auf dem Mars alles besser werden?

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Gibt es auf dem Mars nicht: Einen dichten Wald, der Sauerstoff produziert. Auf der Erde vielleicht auch nicht mehr so ewig.

Über Stoffkreisläufe auf dem Mars wissen wir deutlich weniger. Wir wissen nicht einmal, wie viel Wasser wir dort finden können, in welchem Zustand es ist und wo. Auf der Erde können wir all das recht gut abschätzen. Die Temperaturen kennen wir inzwischen auf beiden Welten recht gut und was soll man sagen? Der Mars ist kalt! Was für eine Überraschung.

Kalt ist es in der Antarktis auch, und da gibt es wenigstens Wasser. Trotzdem will kaum jemand hin, um dauerhaft dort zu leben. Mal ein Besuch, eine Forschungsreise oder Abenteuerurlaub „fernab der Zivilisation“, am besten noch mit dem luxuriösen Kreuzfahrtschiff inklusive Schwerölantrieb. Aber dauerhaft dort leben? Nur das bisschen Gemüse essen, was man dort anbauen kann? In unterirdischen Wohnungen, um sich vor kosmischer Strahlung zu schützen? Das muss man auch berücksichtigen, denn der Mars hat kein Magnetfeld, was die Kolonie schützen könnte und auch keine Atmosphäre, die dicht genug wäre, um vor Strahlung oder Meteoriten zu schützen.

Wieso soll man sich monatelang in viel zu enge Blechdosen quetschen, nur um dann auf diesem dermaßen lebensfeindlichen Brocken aufzuschlagen? Wieso nehmen wir dann nicht den Mond? Der ist viel näher, es ist einfacher hin zu kommen, wir waren schon einmal da und kennen die Gegend besser. Eine Kolonie auf Mond oder Mars kann sich nicht wesentlich im Design unterscheiden. Gut, Wasser könnte echt ein Punkt sein, aber ansonsten ist man auf dem Mond sogar noch leichtfüßiger unterwegs.

„Ja aber den Mars kann man doch terraformen und eine zweite Erde draus machen.“

Ich habe keine Ahnung, woher dieses Gerücht kommt und wieso es sich so hartnäckig hält. Fakt ist: Nein! Können wir nicht! (Wenigstens nicht so, wie es präsentiert wird.)

Es hat einen Grund, dass der Mars nur etwa 1/10 des Luftdrucks der Erde hat. Er ist zu klein. Der Mond hat auch nicht genug Gravitation um eine Atmosphäre zu halten. Sie wird einfach in die Weiten des Weltalls hinweg geweht und ist Masse, die dem Körper für immer verloren geht. Selbst wenn man also die bescheuerte Idee verfolgen will, die möglicherweise wasserreichen Polarregionen des Mars mit Atombomben zu bewerfen, bis das ganze Wasser eine Atmosphäre bildet, dann bleibt die nicht da. Abgesehen davon, dass es nicht mehr so leicht ist, eine Million Kolonisten zusammen zu bekommen, wenn es darum geht, im nuklearen Albtraum zu leben.

Es geht also in meinen Augen kein Weg daran vorbei, die Erde in einen Zustand zu versetzen, dass wir gut und gerne hier leben können. Es gibt in unserem Sonnensystem keine Rettungsboote, auf die wir ausweichen können und wenn es irgendwo anders eines geben sollte, dann können wir es nicht erreichen. Und genau das ist die Aussage, die ich in den beiden Videos sehe. Der Mars ist schön und gut, aber für unsere Probleme ist er unwichtig.

Die Erde ist für die Menschheit alternativlos.

Punkt.

Das dürfen wir niemals aus dem Blick verlieren.

Riskiert gerne einen Blick auf die Videos und sagt mir, ob ihr das ähnlich seht. Ich bin ehrlich gespannt.

 

Bill Mahers Kommentar:

 

„Weltveränderer“ mit Harald Lesch:

Hinterm Horizont – Teil 15.

Der heutige Teil ist leider etwas kürzer, dafür passiert eine Menge (zwischen den Zeilen wenigstens). Habt ihr eine Idee, was ich meine? Ich hoffe, ihr habt trotzdem noch Freude an der Geschichte. 🙂

Das Versuchsobjekt, was ich ausgewählt hatte, war einer der Patienten. Vielfach als gewalttätig auffällig geworden lag er bereits ein halbes Jahr sediert hier und jeder Versuch, ihn wieder zu erwecken und in die Gesellschaft einzugliedern, endete mit Angriffen auf alles, was sich bewegte. Er war eine reine Verschwendung von Ressourcen und Platz. Nichts an ihm konnte ich in irgendeiner Form achten. In meinen Augen war nichts näher liegend, als das Netz an ihm zu erproben und um besten Fall sogar eine Therapiemethode erschaffen zu können. Vielleicht spielte auch das in die positive Entscheidung des Arztes mit ein. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir scheitern würden, wäre der Schaden sehr gering, ja eher sogar ein Nutzen für das Schiff.

Auch wenn es mir absolut bewusst war, dass ich dem Schiff und seiner Besatzung einen großen Gefallen erwies, fühlte es sich seltsam an. Bei Bob war es keine Frage, dass er den Eingriffen zustimmen würde und bei Enya war es notwendig gewesen, um ihr Leben zu retten, sie mit der Kybernetik auszustatten. Mein Patient jetzt hingegen war jemand, bei dem ich mir sicher war, dass er es absolut hassen würde, was ich mit ihm vor hatte. Damit erschöpfte sich aber auch bereits mein Wissen über ihn. Wäre da nicht die Anzeige an seinem Bett gewesen, ich hätte nicht einmal einen Namen raten können. Und über den deutlichen Willen dieses Menschen setzte ich mich jetzt hinweg, führte seine Existenz einem höheren Ziel zu und verwandelte ihn in etwas, was er selbst ganz offensichtlich verabscheute. Aber es war nicht meine Schuld, dass er immer wieder versucht hatte, das Schiff zu sabotieren. Nein, es würde besser für alle sein, wenn er helfen würde, wertvollere Besatzungsmitglieder wieder zu heilen. Mit etwas Glück konnte er im Anschluss auch der Kontrolle des Computers unterstellt werden und so selbst zu einem wertvollen Mitglied der Gesellschaft werden. Aktuell stand er nur in ihrer Schuld und ich war der Meinung, dass er diese begleichen sollte. Und wenn ich bei ihm scheitern sollte, dann lag die Krankenstation voll mit Fällen wie ihm. Eine ganze Reihe von freiwilligen Versuchspersonen, die nur darauf warteten, ihre große Chance zu bekommen. Ja, aus dieser Perspektive musste man es betrachten, damit es Sinn ergab.

 

Der Eingriff entpuppte sich als großer Erfolg. Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine funktionierte einwandfrei, und obwohl das neuronale Netz nur im Gehirn eingebaut worden war, ließen sich auch die übrigen Nervenzentren darüber ansprechen. Es war sogar möglich, den Körper ferngesteuert zu bewegen und von einer chemischen auf eine elektronische Sedierung umzusteigen, ihn sogar teilweise aufzuwecken und dennoch unter Kontrolle zu halten. Noch hasste er es, aber mit der Zeit würde er es lieben lernen. Er musste einfach!

Nachdem wir die letzten Mängel, die uns aufgefallen waren, beseitigt hatten, statteten wir Bob mit dem neuen Netz aus. Er hatte bereits einige Erfahrung damit und war generell offen dafür, weswegen die Implementierung bei ihm völlig reibungslos lief. Innerhalb von nur wenigen Stunden hatte der Organismus die Kybernetik angenommen und alle wichtigen Verbindungen angepasst. Der einzige Nachteil für ihn war, dass er nun deutlich bemerkt, wie rudimentär viele seiner Augmentationen waren. Er hatte sie damals noch teilweise von Hand in der Werkstatt zusammengeschraubt. Jetzt hatte er die Kapazitäten, sich einen komplett neuen Werkzeugsatz zu bauen, der seine Möglichkeiten viel besser ausschöpfte.

Jetzt sah ich auch die Zeit für mich gekommen. Meine Entwicklung mochte nicht perfekt sein, aber sie war nah dran und würde ein glorreicher Erfolg sein. Steuerelemente, wie für Bobs Augmentationen, hatte ich zwar vorbereitet, aber das war eigentlich nicht mein Ziel. Ich wollte nicht meine Arme erweitern, sondern mein Gehirn, meinen Verstand und meine Wahrnehmung. Daher war das Herzstück meines eigenen Systems das Netz, welches Hirn, Rückenmark und jedes weitere große Nervenzentrum im Körper umfasste. Wie ein Myzel würden die Drähte meinen Körper durchziehen, nur dass dieser Pilz nicht mein Parasit war. Er würde die Quelle meiner Macht sein und mich evolutionär auf die nächste Stufe heben. Ich würde das Beste aus zwei Welten in nie gekanntem Ausmaß vereinen. Die Speerspitze einer neuen Art, zu der auch Bob, Enya und unser Patient x bereits gehörten.

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Hinterm Horizont – Teil 14.

Es zeigte mir aber auch noch etwas anderes. Der beste Entwurf war nicht viel Wert, wenn man ihn nicht wenigstens einmal erprobte. Ich benötigte eine Idee, wie ich meine Technologie testen konnte, ohne ein hohes Risiko einzugehen oder Ressourcen zu verschwenden. Und eine solche Idee sollte mir kommen, als ich bald darauf auf die Krankenstation gerufen wurde.

Wieder hatte es einen Angriff gegeben und diesmal hatte es Bob getroffen. Schwer aus einer Wunde am Kopf blutend saß er vor dem Arzt, offenbar nicht mehr ganz Herr seiner Sinne. Seine Bewegungen wirkten unkoordiniert und er war unfähig einen klaren Satz zu formulieren.

„Seine Erweiterungen haben Schaden genommen und wurden gleichzeitig so verschoben, dass sie die Nervensysteme beschädigt haben. Ich kann die Regeneration nicht starten, ohne sie zu entfernen, will dabei aber keinen zusätzlichen Schaden anrichten. Das Problem ist ein kybernetisches. Ich benötige deine Hilfe bei der Reparatur.“

Das kollektive Gehirn des Schiffes und all seiner Roboter traute mir in dieser Angelegenheit mehr zu als sich selbst. Mir, einem Menschen! In akribischer Feinarbeit arbeitete ich die dünnen Drähte des neuronalen Netzes aus seinem Kopf und entfernte die beschädigten Erweiterungen. Sehnlichst vermisste ich eigene Augmentationen, die es mir ermöglicht hätten, parallel die Bauanleitungen für die Ersatzteile an die Werkstatt zu geben. Auf diese Weise hätte ich wertvolle Zeit sparen können.

Denn eines war deutlich, Bob würde nicht mehr ohne seine Verbesserungen auskommen. Zu sehr hatte er sich inzwischen an die neue Situation angepasst und die Entfernung würde einer schweren Amputation gleichkommen. Wieso sollten wir die Gelegenheit also nicht nutzen und sein doch inzwischen mehr als rudimentäres System auf den aktuellsten Stand bringen? Und wenn es nur war, um den Terroristen ihren Sieg vorzuenthalten.

Während ich das zerstörte Netz aus Bobs Gehirn entfernte, war mir eine Idee gekommen, wie man die Verbindungen zwischen Mensch und Maschine optimieren könnte. Die Simulation des Computers aber stieß auf einige Unsicherheiten und warnte vor einem Einbau ohne weitere Tests.

Also führte ich weitere Tests durch. Ich gebe zu, meine Prognosen waren durch Emotionalität und Bauchgefühl geprägt, nicht so sehr durch harte Fakten. Dennoch, ich war überzeugt, dass ich auf dem richtigen Weg war und vor keinen großen Problemen stehen würde. Das größte Problem war es in der Tat, den Arzt dazu zu bewegen, mir zu helfen. Seine Programmierung mochte ihn dazu auffordern, wenn es notwendig war, einen Menschen zu öffnen. Es war ihm zu vermitteln, dass es hilfreich war, Bob in einem künstlichen Koma zu „parken“, bis wir seine Aufwertung vornehmen konnten. Die Erprobung von experimenteller Kybernetik am Menschen aber zählte nicht als grundsätzlich „notwendig“. Ich kann nicht sagen, mit welchem Argument ich ihn am Ende überzeugen konnte. Vielleicht lag es einfach daran, dass ich die Simulation so beeinflussen konnte, dass sie eine hinreichend hohe Erfolgswahrscheinlichkeit ausgab.

Das Versuchsobjekt, was ich ausgewählt hatte, war einer der Patienten. Vielfach als gewalttätig auffällig geworden lag er bereits ein halbes Jahr sediert hier und jeder Versuch, ihn wieder zu erwecken und in die Gesellschaft einzugliedern, endete mit Angriffen auf alles, was sich bewegte. Er war eine reine Verschwendung von Ressourcen und Platz. Nichts an ihm konnte ich in irgendeiner Form achten. In meinen Augen war nichts näher liegend, als das Netz an ihm zu erproben und um besten Fall sogar eine Therapiemethode erschaffen zu können. Vielleicht spielte auch das in die positive Entscheidung des Arztes mit ein. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir scheitern würden, wäre der Schaden sehr gering, ja eher sogar ein Nutzen für das Schiff.

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