Ausschlafen am Wochenende
Eines der großen Vorteile von Wochenenden ist, dass nicht zwangsläufig der Wecker die Nacht beendet, sondern der Tag selbst eine Chance dazu bekommt. Wenn die Sonne durch die Vorhänge linst und man nicht wacht wird, weil die Zeit vorbei ist, sondern weil man tatsächlich ausgeschlafen ist.
Die Theorie könnte so schön sein, wenn sie sich denn auch daran halten würde. Aber der Körper gewöhnt sich an gewisse Rhythmen und wacht dann auch zu den Zeiten auf, die er gewohnt ist. Ob die Zeit dazu schon reif ist oder nicht, spielt erst einmal eine untergeordnete Rolle. Und so kam es dann, dass Flo nach immerhin sechs Stunden Schlaf, was wenigstens zwei zu wenig für ihn waren, entnervt auf die Uhr sah.
Sonnenaufgang war für ihn nie ein Kriterium zu Wachwerden gewesen. Er hatte auch gerne einmal bis mittags durchschlafen können, nur um dann weitere Stunden einfach nur faul da zu liegen. Aber das war einmal. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, an den Wochenenden bei Kristinas innerem Zeitplan mitzuspielen. Das hieß, gegen zehn Uhr aus dem Bett zu krabbeln und zu frühstücken. Nur waren es selbst bis dahin noch zwei Stunden Zeit, und trotz neu in die Bettdecke wickeln und umdrehen schaffte er es nicht, noch einmal einzuschlafen. Und das trotz bleierner Müdigkeit.
Welchen Wert hatte denn ein Wochenende, wenn der Wecker zwar nicht um sechs Uhr klingelte, er aber doch keinen erholsamen Schlaf nachholen konnte? Kurz spielte er mit dem Gedanken, einfach schon einmal aufzustehen und das Frühstück vorzubereiten, aber dabei würde er vermutlich Lärm machen und seine Freundin wecken. Sollte er sich stattdessen an den Schreibtisch setzen und liegen gebliebene Arbeit aufholen? Es wäre notwendig aber ungefähr so verlockend, wie von einer kalten Dusche geweckt zu werden.
Während er grübelte, angelte er Kristinas Kuscheltier zwischen den Kissen hervor. Das rosane Plüschschwein begleitete sie schon seit ihrer Kindheit und war ganz selbstverständlich auch in ihrem Bett eingezogen, selbst wenn ihr einziger Kontakt dazu noch war, es gelegentlich von hier nach da zu räumen, wenn es ihr im Weg war. Stattdessen belächelte sie Flo, wenn er es hervorzog und damit spielte oder mit ihm redete. Von seinen Kindheitserinnerungen hatte keines das Haus seiner Eltern verlassen. Wozu auch? Er hatte ja jetzt das Schwein.
Als Kristina eine Stunde später aufwachte, fand sie Flo, fest schlafend mit ihrem Kuscheltier auf dem Brustkorb liegend. Es schien ihr fast, er würde dort ein Baby halten. Sie konnte nicht sagen, was dieser Gedanke mit ihr machte, aber er beunruhigte sie und erfüllte sie gleichzeitig mit Glück. Heute würde sie nicht direkt aufstehen, stattdessen kuschelte sie sich noch etwas zu Flo und dem Schwein und gab sich ihren Grübeleien hin.