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Ein Auto ist auch nur ein Mensch

Technik entwickelt sich immer weiter. In unserem Alltag können wir das besonders schön an Smartphones, unserer Stromrechnung und im Auto sehen. Besonders der letzte Punkt ist für mich markant, denn ich fahre kaum Auto, und wenn, dann sind es meist Modelle, die höchst rudimentär sind oder so alt, dass jede unterstützende Technik inzwischen defekt und abgeschaltet ist. Luxus ist bereits eine Klimaanlage und eine Musikanlage, die sich per Bluetooth mit dem Smartphone koppeln lässt. Tempomat ist nur dann eine Option, wenn man lange Strecken auf leeren Autobahnen zurücklegt. Schließlich fährt jeder sein eigenes Tempo und man muss ihn laufend raus nehmen, um nicht mit langsameren Fahrzeugen auf freier Strecke zu kollidieren. Und wenn man ihn nach einer längeren Baustelle dann doch wieder aktivieren will, macht er einfach irgendetwas, was im Zweifel hoch gefährlich sein kann. Mir ist diese Technik einfach suspekt. Sie kann zu viel, um sie völlig zu ignorieren, aber auch viel zu wenig, um irgendwie nützlich zu sein.

Wäre da nicht die Sache mit dem technischen Fortschritt. Denn wie ein kleines Kind, hat auch die Technik inzwischen dazu gelernt und ist etwas reifer geworden. Man mag es ja kaum für möglich halten! Und ich komme tatsächlich einmal in die Verlegenheit, in einem neuen Auto zu sitzen, was diese neue Technik sogar besitzt. Eine Armada von Radarsensoren um das ganze Fahrzeug herum beobachtet den Verkehr und bremst eigenständig, wenn der Weg nach vorne nicht frei ist. Und wenn man schon einmal dabei ist, macht man auch die Augen auf, und erkennt die Fahrspur. Und das Auto lernt sogar, damit umzugehen.

Wie ein stolzes Kind seinen Eltern etwas präsentiert, so will jetzt auch das Auto mit den neuen Fähigkeiten angeben. Ein Auto ist schließlich auch nur ein Mensch. Mit Charakter und Persönlichkeit und so. Ein Kind lernt Fahrradfahren, erst etwas wackelig, dann immer sicherer, und guck mal! Schon ganz alleine, ohne Hilfe! Nein, nicht loslassen!! Die Sicherheit der elterlichen Hand im Rücken braucht es noch. Aber guck mal, ich kann das schon alleine! Du sollst nicht Helfen… aber auch nicht loslassen. Und das Auto?

Das hat selber Fahren gelernt. Guck, so schnell darf ich, also fahre ich so schnell, aber nur wenn vorne alles frei ist. Sonst fahre ich aber immerhin so schnell, wie der vor mir. Und guck mal, ich kann sogar die Straße sehen und weiß, wo es lang geht. Neben mir fährt jemand anders, also bleibe ich hier auf der Spur. Guck, ich kann sogar alleine lenken, sogar fast so gut wie Du! Sieh zu, ich zeig es dir. Lass mich das machen… Hey! Nicht das Lenkrad loslassen! Aber guck, siehst du? Ich kann das schon eigentlich alleine!

So oder so ähnlich erschien mir das Auto auf unserem gemeinsamen Weg über die Autobahn. Wie ein stolzes und zugleich etwas bockiges Kind, was etwas tolles Neues gelernt hat, und es jetzt unbedingt präsentieren muss. Es will Verantwortung und weiß, dass es die Aufgabe auch eigentlich schon bewältigen kann, aber traut sich noch nicht so ganz. Vielleicht darf es auch nicht (was wahrscheinlicher ist, da wir ja immerhin in Deutschland sind. Die rechtliche Situation für autonome Fahrzeuge ist bislang weit davon entfernt, klar zu sein).

Noch befindet es sich in einem Zwischenbereich, wo das Kind zwar noch wackelig fährt, aber doch schon fast ganz ohne festgehalten zu werden. Es nimmt einem Arbeit ab, verleitet aber gleichzeitig dazu, sich ablenken zu lassen, um dann vom Bordcomputer angemeckert zu werden, gefälligst wieder die Kontrolle zu übernehmen. Es kann zu viel, um es nicht zu nutzen, aber leider auch noch zu wenig, als dass man ihm die Zügel komplett in die Hand geben könnte. Eines kann man jedenfalls sagen: Die Technik reift rasant und wir können gespannt sein, was noch alles auf uns zu kommt.

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Der Funfact der Woche 1.

Heute gibt es statt des Blödsinns der Woche einmal einen Funfact der Woche, denn ich bin heute in der Veröffentlichung vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur „Verkehr in Zahlen“ auf die Angabe gestoßen, dass in Deutschland 2013 ganze 1.084,8 Mrd. Personenkilometer zurückgelegt wurden. (Also etwa 1.084.800.000.000 km. Ja, die Zahl ist gerundet.)

Diese Zahl ist groß genug, als dass ich mir nichts darunter vorstellen konnte, sie aber gerne etwas visualisierbarer hätte. Das naheliegende Modell, X mal um den Äquator, lassen wir mal gleich aus. So groß ist unsere kleine Murmel wirklich nicht, dass uns das hilft. Auch die Entfernung Erde – Mond wirkt spontan eher … mau. Was ist sonst noch logisch? Die Entfernung Erde – Sonne. Unser Muttergestirn ist zwar auch schon unfassbar weit weg, aber irgendwo muss man ja anfangen. Also …

Mittlere Distanz Erde – Sonne = 1 AE (Astronomische Einheit) = 149.597.870,7 km

Die Zahl ist etwas kleiner, als unsere Verkehrsleistung, und mit ihr komme ich darauf, dass wir alle zusammen 7251,44 AE zurücklegen, also über 7000 mal die Strecke zwischen Erde und Sonne.

Kann ich damit jetzt mehr anfangen? Wer weiß, aber das ist immer noch echt eine große Zahl. Immerhin braucht das Licht von der Sonne bis zu uns etwa 8,5 Min. Der Nächte Schritt ist logisch, oder?

1 Lj (Lichtjahr) = 9.460.730.472.581 km

Die Zahl ist schon deutlich größer. Sie ist sogar größer als unsere kumulierte Personenkilometerstrecke. Dennoch, wir schaffen sagenhafte 0,11466 Lichtjahre!

Über 1/10 Lichtjahr! Nur in Deutschland! Nur 2013! Und seitdem ist die zurückgelegte Strecke beständig weiter gestiegen. Über 40 Tage Reise bei Lichtgeschwindigkeit.

Gut, damit ist die Zahl immer noch nur minimal greifbarer für mich winziges Menschlein geworden, aber Spaß hat es trotzdem gemacht, es ist dennoch irgendwo ein Blödsinn der Woche geworden, und wenn ich schon immer das letzte Wort haben muss, dann doch folgendes:

Faszinierend!

Fremont Rakete ICBM

Du möchtest gerne wissen, was es mit dieser Rakete auf sich hat? Ich empfehle einen Blick in den Reiseführer hier *Link*. Es lohnt sich 😉

Sollte ich irgendwo einen Denkfehler haben, seid ihr herzlich eingeladen, mit mir darüber in den Kommentaren zu diskutieren.

Der absolute Löwenanteil dieser Strecke wird übrigens mit dem Auto zurückgelegt, größtenteils von Leuten, die ihr Fahrzeug alleine bewegen. Die Zahl der möglichen Personenkilometer ist also ein Vielfaches größer.

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 155.

Klimaschutz

Es war kaum auszuhalten gewesen, wie stolz die Uni im Sommer noch auf ihren Klimaschutzplan war. Jeder Busch, der auf dem Campus gepflanzt wurde, bekam von der Pressestelle seinen eigenen Zeitungsartikel, jeder gepflanzte Baum war eine Sensation und das zur Hälfte begrünte Dach des neuen Hörsaalgebäudes sowieso ein Star. Für ein gutes Lernklima auch morgen noch hallte das Motto von Bannern an Hauptgebäude und Bibliothek und es war Flo ein Rätsel gewesen, von welchem guten Lernklima man in den Waschbetonbunkern denn sprechen wollte.

Aber jetzt war der Herbst hereingebrochen und die Notwendigkeit von Klimaschutzzielen war nur noch schwer zu vermitteln. Ein eiskalter Wind zauberte weiße Ränder an die Blätter und ließ sie im ersten, viel zu spät erscheinenden Morgenlicht glitzern. Spätestens in einer halben Stunde würde der Nebel verschwunden sein, die Bäume ihre Aura verloren haben und der Raureif getaut sein. Dann würde der goldene Herbst seinen magischen Schein schon wieder verloren haben und das Leben unerbittlich weiterhin seinen Gang gehen.

Von morgendlicher Idylle konnte hier ohnehin kaum die Rede sein. Lärmende Autos, klappernde LKW und Busse, übermüdete Studierende und Dozenten, die sich in die Unigebäude schleiften während ihnen Arbeiter mit schlenderndem Gang aber stumpfen und toten Augen entgegen kamen. Baumaschinen dröhnten zwischen den Fassaden umher, irgendwo ratterte ein Presslufthammer, eine Kettensäge hielt dagegen. Und vor dem Fenster konnte man die Stadt bei ihrem ganz eigenen Klimaschutzprogramm beobachten.

Mit geübten Bewegungen tanzten Kettensägen um die Straßenbegrünung herum, eine kleine Kettenraupe vergrub ihren Schild im Erdreich. Astabschnitte endeten direkt vor Ort noch im Häcksler und landeten als Mulch in den Löchern, die noch vor Minuten ihr eigener Standort gewesen waren. Der regelmäßig gemähte Grünstreifen mit den so sorgsam gepflanzten und gepflegten Bäumen bekam gleich ein völlig neues Aussehen. Die Begrenzung der Straße, optisch, akustisch wie emotional, sie war Geschichte. Jetzt existierte nur noch das freie Feld, das Band aus flickenhaftem Asphalt und bröseligen Randsteinen. Die hellen Mulchhügel auf den Grünstreifen links und rechts davon zeigten noch die Standorte der Bäume, doch sie würden im nächsten Sommer keinen Schatten mehr spenden können, keinen Wind mehr fangen können und auch keine Früchte mehr tragen können.

Es war absurd. Flo hatte nie wirklich über diese Bäume nachgedacht, und trotzdem störte ihn die neue Ansicht. Für die Autofahrer mochte es übersichtlicher sein und aufgeräumter aussehen, aber es erschien ihm einfach falsch. Schon allein deswegen, weil die Stadt die Bebauung in diesem Stadtteil im Laufe der nächsten Jahre verdichten wollte, und dann würde es jeden einzelnen Baum dringend brauchen, um den Sommer hier erträglicher zu machen. Die Sonne würde gnadenlos alles verbrennen, was sich nicht im Schatten verstecken konnte, und die Bäume waren die besten Sonnenschirme gewesen. Vielleicht war das der neue Generationenkonflikt. Es ging nicht mehr um Traditionen und haltlose Respektsforderungen, sondern um das Umweltbewusstsein beziehungsweise das fehlende Verständnis dafür. Was sollte nur aus dieser Welt einmal werden? Vielleicht war es aber auch nur ein Bestandteil eines geheimen Masterplans zur ökologischen Aufwertung des Stadtteils.

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Das Volk hat gesprochen!

Volksentscheide bieten eine herrliche Angriffsfläche für Ironie und unfreiwillige Komik. Da soll abgestimmt werden, ob aus einem alten Parkplatz mitten in der Innenstadt ein begrünter Platz mit Tiefgarage darunter, oder ein Park mit größeren Bäumen wird. Die Entscheidung könnte kaum deutlicher sein. Es fehlt nicht mehr viel bis zur Dreiviertelmehrheit, mit der das Volk sich gegen eine Tiefgarage und für einen grünen Park entscheidet. Mitten in der Stau-geplagten Innenstadt irgendwo sogar ein naheliegender Gedanke. Der Verkehr soll aus der Stadt heraus, damit die Luftqualität sich verbessert und die Anwohner weniger Stress haben. Der Park ist billiger und kann sofort umgesetzt werden und bietet ohnehin eigentlich nur Vorteile. Immerhin hat die Initiative für den Park auch im Vorfeld eine musterhafte Werbekampagne gestartet. Da ist ein solches Wahlergebnis doch ein süßer und verdienter Lohn.

Besonders, da die Stadt derart dankbar mit zieht und den alten Parkplatz, ganz dem Wunsche der Bürger entsprechend, für den Verkehr sperrt, einige provisorische Bänke und Kübel mit Bäumen aufstellt, sowie eine Werbetafel mit Bildern, wie es denn einmal aussehen soll. Direkt in der auf den Bürgerentscheid folgende Woche. Der tatsächliche Umbau ist also beschlossen und soll in Kürze dann folgen. Konsequent und ohne langes Hantier, so direkt war Demokratie selten. Was wünscht sich der Bürger denn mehr?

Wer hat es erraten? Richtig! Natürlich Parkplätze! Auf einmal war es völlig unnötig, den Parkplatz so überhastet räumen und sperren zu lassen. Wo soll man schließlich jetzt parken? Und was sollen überhaupt die Bänke hier? Direkt an der Kreuzung hier will sich doch ohnehin niemand niederlassen. Die Empörung ist groß und die Verwunderung noch größer. Wer hätte auch ahnen können, dass ein Volksentscheid tatsächlich umgesetzt wird? Zugegeben, es war so angekündigt, aber seit wann wird umgesetzt, was die Politik beschließt?

Und so rächt sich ein demokratisches Element auf die gemeinste und hinterhältigste mögliche Weise: Es tut, was es soll! Denn ab und an wird der Wähler mit seiner Stimme durchaus gehört und welcher Volksvertreter möchte sich schon gegen das Volk stellen, welches er vertritt? Man kann allerdings etwas den Eindruck bekommen, dieses Volk weiß nicht immer so ganz, was es eigentlich möchte! Demokratie kann eine tolle Sache sein, das sollte niemand bestreiten. Aber damit sie funktioniert, muss der Wähler auch ein gewisses Interesse und Initiative zeigen. Wer gegen seine Interessen wählt, ist nämlich am Ende einfach nur selber schuld und macht das System schlecht.

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Kunstliebhaber

Missy hat sich gewünscht, also soll sie auch bekommen. Eine kleine Geschichte um den Kunstliebhaber aus dem Ausflug zum Vertikalen Erdkilometer. Auch wenn das Auto nicht so wirklich zerstört ist… (und ja, das ist als Satire zu sehen)

Drei Stunden war Karl Orph in seinem Saab 900 unterwegs gewesen, natürlich hauptsächlich auf Landstraßen. Das lag einerseits daran, dass der alte Saab nicht mehr fit genug für die Autobahn war, andererseits daran, dass die Autobahn ja viel zu schnöde war. Gerade recht für den arbeitenden Pöbel und die Kolonnen von Lkw, aber der intellektuelle Bildungsbürger war besser dran, wenn er auch etwas von der Gegend sah. Man wusste ja nie, über welches Kleinod man am Wegesrand stolpern konnte.

Allein auf dieser Reise hatte er fünf Mal Halt machen müssen. Einmal war es ein verwitterter Marienschrein gewesen, der seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, zweimal waren es etwas verfallene Perlen der Architekturgeschichte gewesen, deren Besitzer ganz offensichtlich keine Ahnung hatten, was für Schätze sie hier besaßen und einmal war das Sonnenlicht einfach nur dermaßen rührend durch eine kleine Baumgruppe gebrochen, dass er unbedingt eine Pause machen musste, um das Lichtspiel eine Minute ganz ergriffen zu bewundern. Der fünfte Stopp war einfach nur dem Drang der Natur geschuldet. Er hätte den dritten Kaffee mit Kurkuma und Zimt vielleicht doch besser aufheben sollen.

Drei Stunden, nachdem er am heimischen Atelier aufgebrochen war, parkte Karl Orph sein treues Gefährt nun in der Tiefgarage unter dem Theaterplatz. Auf sein Auto war er fast so stolz, wie auf seinen Namen. „Wie der Maler, nur etwas anders geschrieben“ sagte er immer, und es fiel ihm jedes Mal zu spät ein, dass es ja nur ein schäbiger Komponist gewesen war, und kein erhabener Maler. Freizeitkreativlinge, allesamt, diese Musiker. Dabei wusste doch jeder, dass die Königsdisziplin der schönen Künste die Bildhauerei war, gefolgt von der Malerei. Was war da schon ein Musiker?

Mit einer beinahe zärtlichen und demonstrativ ausladenden Geste holte er seine Tasche aus original kenianischem Watusileder aus dem Kofferraum. Darin fand sich sein Gluten freies Graubrot mit Bärlauchhumus und Münchener Stadthonig sowie sein Reiseführer, der ihn zu allen wichtigen Kunstwerken der Stadt geleiten sollte. Und davon gab es hier einige. Das Erste befand sich sogar direkt auf dem Theaterplatz, zu welchem er nun die Treppen hinauf stieg. Und es musste ein wahres Meisterwerk sein! Unscheinbar und doch unglaublich bedeutsam, provokativ und für den schnöden Pöbel fast unsichtbar. Diese Banausen würden es ohnehin nicht zu würdigen wissen.

Er fand das Meisterwerk recht mittig auf dem großen offenen Platz und, wie zu erwarten gewesen war, völlig unbeachtet von den Passanten. Völlig verzückt war er, wie er hier so stand, und mit verstehender Mine, sich über das Kinn streichend, auf den kleinen Messingpunkt inmitten der Betonplatte blickte. Eine erhabene Begeisterung erfasste den intellektuellen Kunstliebhaber in ihm. Dieser unscheinbare Punkt von keinen fünf Zentimetern Durchmesser war die obere Spitze einer Messingstange, welche sich exakt einen vollen Kilometer tief in die Erde erstreckte. Allein der Bau dieses Monuments musste eine technische Meisterleistung gewesen sein!

Der Aufregung und seinem unterirdischen Orientierungssinn war es geschuldet, dass er nicht realisierte, noch vor fünf Minuten im Parkhaus genau unter diesem Punkt gewesen zu sein. Aber auch mit einem besseren Orientierungssinn hätte er wohl kaum realisiert, dass er seinen geliebten Saab 900 genau unterhalb dieses unscheinbaren Punktes geparkt hatte. Würde dieses Kunstwerk wirklich sein, was es vorgab, dann würde diese Stange genau durch den Motorblock ragen und sein Liebling würde sich nie wieder bewegen. Es würde vielleicht einem ähnlichen Schicksal anheimfallen, wie der VW Käfer am Troll von Fremont. Nur das dies hier ein echtes Kunstwerk war und kein ordinäres Populärmonument, eine erbärmliche Touristenattraktion. Dies hier hingegen… ihm fehlen die Worte, und da der Autor sich auch nicht in einen solchen Verstand hinein denken kann, muss es dabei bleiben.

Auf dem Weg zu seinem nächsten Ziel wird er einen weiteren Zwischenstopp einlegen, auch wenn die Zeit drängt. Es gibt noch so viel zu sehen und zu bewundern. Eine fünffach vergrößerte Spitzhacke zum Beispiel, oder drei Steinkugeln, welche in den Ästen eines künstlichen Baumes befestigt sind. Die nächste Station ist aber erst einmal ein Getränkeladen. Natürlich handelt es sich auch hierbei um keinen gewöhnlichen Laden. Zu einem sagenhaft günstigen Preis von nicht einmal vier Euro pro Liter würde er hier entstörtes und energetisch aufgeladenes Kristallwasser bekommen. Gegen den Uhrzeiger drehend! Schon allein dafür hätte sich die Anfahrt gelohnt.

Er ignorierte die bunten Statuen auf dem Sims der Säulenhalle rechts von ihm. Ganz abgesehen davon, dass sie bunt waren, und Statuen nicht bunt zu sein hatten, wenn sie nicht gerade als populäre Touristenattraktion herhalten sollten, standen sie nicht in seinem Kunstführer und waren demnach auch von keinem artistischen Interesse. Statuen aufstellen konnte jeder. Kunstwerke schaffen, das war eine ganz andere Nummer. Aber was verstand der einfältige Normalbürger davon schon? Diese Leute bildeten sich ja schon bei einem einfachen Besuch im Industriemuseum ein, zur intellektuellen Elite zu gehören.

Um sich von der Beleidigung zu befreien, die dieser bloße Gedanke mit sich brachte, warf er mit einer imposanten Geste seinen Schal aus handgekämmter Seide zurück und stolzierte vor der genervt klingelnden Straßenbahn entlang. Das Leben als Kunstliebhaber konnte schon wahrlich schwer sein.

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Momente II

Der Verkehr auf der Straße brüllt. Autos, Busse und LKW rattern und rumpeln über den kaputten Asphalt, dass der Schotter spritzt. Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h darf hier eher als Herausforderung statt als ernsthafte Warnung gesehen werden. Genügend Leute nehmen diese Herausforderung an. Der Wind ist kalt und kräftig. Es interessiert ihn nicht, dass eigentlich Sommer sein sollte und die Temperaturen gut und gerne zehn Grad zu niedrig sind. Schwere Quellwolken hängen am Himmel.

Noch vor einer Minute hat hier die Sonne geschienen und war der Grund, weswegen der Heimweg nicht im viel zu vollen Bus, sondern zu Fuß gelaufen werden sollte. Jetzt ist davon nicht mehr viel übrig. Die wärmenden Strahlen sind hinter den grauen, fliegenden Wassermassen versteckt. Das Gras am Wegesrand ist trocken und gelb, dabei hat es die letzten Tage ausgiebig geregnet. Irgendwo in der Ferne mischen sich die Sirenen von Krankenwagen oder Polizei in die feierabendliche Kakaphonie.

Es dauert eine Weile, aber dann wagt sich die Sonne doch noch einmal hervor. Sie lässt ihre Strahlen durch die Wolken brechen, auf den Blättern im Wind tanzen und auf den Autodächern glitzern. Darunter sitzen Menschen mit müden, genervten Gesichtern, die stoisch auf die roten Ampeln oder die vor ihnen stehenden Autos starren. Niemand genießt die Wärme, welche die Sonne mitbringt. Stattdessen brüllen die Hupen, wenn der Vordermann nicht schnell genug anfährt.

Einige Minuten später fällt die Wohnungstür ins Schloss. Der Sessel wartet und mit ihm, was noch viel wichtiger ist, Ruhe. Die Sonne bleibt zwar draußen, da das Zimmer nur morgens in der prallen Sonne liegt, aber das ist gerade einmal egal. Was zählt, ist die Ruhe. Einfach nur mal für ein paar Minuten hier sitzen, tief durchatmen, die Augen schließen und der Stille lauschen. Wenigstens so lange, wie die Nachbarn noch nicht da sind und ihre Waschmaschine beladen, wie jeden Abend um acht Uhr.

Hof