Archiv für den Monat Januar 2016

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 68

Projektseminar

Da war es schon wieder, das Ende des Semesters. Flo hatte das Gefühl, die Vorlesungszeit wurde von Jahr zu Jahr immer kürzer und die Klausuren und Endabgaben waren immer schneller da. Er hatte den Eindruck, das Semester hatte gerade erst begonnen und schon saß er da und musste sich um die Prüfungen sorgen. Außerdem musste er das, was er am allerwenigsten konnte. In einer Gruppe arbeiten und ein gemeinsames Ergebnis fertigstellen. Wessen Idee war das eigentlich schon wieder gewesen? Mia oder Erik konnte es nicht gewesen sein, die waren beide in einem anderen Seminar untergekommen. Natürlich im Gleichen. Erik wäre vermutlich aufgeschmissen gewesen, wenn er nicht von Mias Fahrwasser profitieren könnte. Außerdem waren die beiden noch immer durch ihre Wohnungssuche abgelenkt. Zeitweise hatte Flo den Eindruck, dass sie das zu gerne als Ausrede und Entschuldigung missbrauchten, sich mit anderen Dingen zu befassen als der Uni.

Nur wieso hatte er sich auf Gruppenarbeit eingelassen? Er konnte sich nicht erinnern, wann das jemals gut ausgegangen war. Klar, auch so etwas musste geübt werden, schließlich stand in fast jeder Stellenausschreibung „Teamfähigkeit“ in den Anforderungen ziemlich weit oben. Doch so sehr er sich auch bemühte und es versuchte, Flo war einfach nicht teamfähig. Er fand sich selbst ganz generell und im Allgemeinen unfähig, aber das würde er niemals offen zugeben. Was das anging, war sein Stolz einfach stärker als sein Selbstwertgefühl. Und vielleicht war es auch ganz praktisch, nicht die komplette Arbeit alleine erledigen zu müssen, sondern die Aufgaben aufteilen zu können. Dafür musste er allerdings mit den Leuten reden.

HofBei der letzten Gruppenarbeit war genau das reichlich daneben gegangen. Sie hatten ein Protokoll als Gruppe abgeben müssen und seine Erinnerung der Ereignisse war einfach eine völlig unterschiedliche, als die der anderen. Er war zu faul gewesen, seine Sicht der Dinge mit Literatur zu belegen und sein Ruf als fauler Taugenichts hatte wahrscheinlich dazu beigetragen, dass seine Kommilitonen ihren eigenen Formulierungen den Vorzug gegeben hatten. Das Ergebnis war nicht zu seiner Zufriedenheit gewesen und, was vielleicht das größte Problem war, auch nicht zur Zufriedenheit des Professors.

Seinen Gruppenmitgliedern jetzt traute er mehr zu. Dafür sich selbst umso weniger. Das letzte Semester war für ihn nicht schlecht gelaufen, aber seitdem hatte er kräftig abgebaut und große Lücken wachsen lassen. Vielleicht war es ja das, was ihm so Bauchschmerzen bei diesem Projekt bereitete. Hatte er einfach nur ein schlechtes Gewissen, seine Gruppe hängen zu lassen? Er hatte es nicht vor, ging aber unbewusst wohl davon aus, dass sie am Ende von ihm enttäuscht sein würden. Der leere Stundenplan dieses Semester motivierte ihn einfach zu sehr zum faul sein. Er hätte einfach mehr Fächer belegen können und sich so mit Arbeit beladen, dass er nicht zur Ruhe kommen könnte. Aber es wäre freiwillige Mehrarbeit gewesen und bisher war er eigentlich recht zufrieden damit gewesen, nur das Nötige zu machen.

Dafür würde es allerdings deutlich bessere Selbstbeherrschung verlangen. Er musste die Zeit, die er hatte, sinnvoll nutzen. Jetzt im Augenblick zum Beispiel sollte er eigentlich aufmerksam an der Gruppenbesprechung teilnehmen. Sonst wusste er am Ende wieder nicht, was denn überhaupt sein Aufgabenbereich war und was die anderen übernahmen. Das Projektthema war schon eine Sache für sich gewesen. Er war der Gruppe beigetreten ohne eine Ahnung zu haben, wovon das Projekt überhaupt handelte. Unter dem Namen hatte er sich nichts vorstellen können und bis heute war das nur geringfügig besser geworden. Es würde auch nicht sein Lieblingsthema werden. Er kam nur schwer damit zurecht und es wollte nicht so echt in seine Denkmuster passen. Je öfter er die Literatur zum Thema befragte, umso verwirrter schien er zu werden. Für gewöhnlich erreichte man irgendwann doch den Punkt, an dem der Knoten platzte und plötzlich alles schön klar und deutlich war. Bislang wartete er vergeblich darauf.

Also blieb ihm nichts anderes übrig, als den Schein zu wahren. So zu tun, als wäre alles in Ordnung und sich dann hinsetzen und, nach Möglichkeit mit dem Material der anderen, seinen Stand zu konstruieren und die Aufgabe abarbeiten. Überragend würde es nicht werden, aber wenn er deutlich machen konnte, welcher Teil seiner war, würde wenigstens der Rest der Gruppe nicht darunter leiden müssen. So hoffte er jedenfalls, obwohl er es eigentlich besser wusste. Bis dahin durfte er nur nicht auffallen aber irgendwie hatte er das bisher immer geschafft.

„Also gut, dann mache ich das bis nächstes mal fertig. Flo, wie weit bist du denn bisher? Hast du bei dir schon was rausbekommen?“

„Bisher“ war offenbar mit dem heutigen Tag zu Ende. Wie kam er da nun bloß durch, wenn nicht mit etwas Ehrlichkeit?

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 67

Kinderlachen

Ein Freitag Nachmittag bei strahlend blauem Himmel und statt sich mit den anderen am Fluss oder im Park zu tummeln, und das schöne Wetter zu genießen, saß Flo in einem stickigen Eisenbahnwaggon und kritzelte auf Karteikarten herum. Er war nicht allein. Das halbe Land schien sich dazu entschlossen zu haben, diesen Freitag auf der Schiene zu verbringen und so war der Zug reichlich voll. Fast jeder Sitzplatz war besetzt, und das, obwohl der Zug schon zwei Wagen mehr als üblich hatte.

Mia und Erik konnten das Wetter auch nicht voll genießen. Sie hatten eine kleine Serie von Wohnungsbesichtigungen, in der Hoffnung, ihre Traumwohnung zu finden, um ihre Beziehung auf eine neue Ebene zu heben. Flo wusste, dass sie alle beide etwas Angst vor diesem Schritt hatten, aber es auf jeden Fall, wenigstens versuchen wollten. Und dass sie nie miteinander über ihre Sorgen geredet hatten, sondern sich immer nur gegenseitig Begeisterung vorspielten. Er selbst hatte keine wirkliche Motivation, mit Kristina zusammenzuziehen. Soweit fühlte er sich noch nicht. Natürlich, er liebte sie sehr, aber sie wohnten und arbeiteten nicht einmal in der gleichen Stadt. Er selbst studierte sogar noch und nichts und niemand konnte ihm sagen, wo er denn nach der Uni landen würde. Dort, wo er Arbeit bekommen konnte.

Aber für den Augenblick war alles gut, so wie es war. Er genoss die freitägliche Fahrt zu ihr und die ihn begleitende Vorfreude. Manches mal nutzte er die Zeit im Zug, um etwas für die Uni zu erledigen. Manches mal beobachtete er einfach die Leute. Meistens saßen sie mit ausdruckslosen Mienen, gelegentlich auch mürrisch oder gelangweilt dreinblickend, den Blick oft auf ein Smartphone oder Tablet gesenkt. Nur ein gelegentliches Lächeln, bei einer unterhaltsamen Nachricht. Die Jüngeren waren oft zusätzlich mit Kopfhörern von der Außenwelt abgeschirmt, die Älteren versteckten sich lieber hinter seriösen Zeitungen oder bunten Heften. Man blieb für sich, man blieb stumm, man blieb unauffällig. Die ungeschriebene Etikette des Bahnfahrens. Oder auch des Aufzugfahrens oder des Besuchens einer öffentlichen Toilette. Gelegentlich hob einer der Passagiere verstohlen den Kopf, sah sich schüchtern in dem vollen Wagen nach Gesellschaft um, resignierte dann aber doch wieder, und zog sich in seine Einsamkeit zurück.

Der Zug hielt, die Türen öffneten sich und brachten einen Moment der Unruhe mit sich, als einige Passagiere aufstanden und den Zug verließen, während andere hinzustiegen. Jeder suchte sich seinen Platz, stets bemüht, nicht zu aufdringlich Kontakt mit seiner Umgebung herzustellen. Aus dem Türbereich kam protestierendes Gebrabbel. Ein Kleinkind, im Kinderwagen sitzend, kaute ärgerlich auf seinem Schnuller, der einfach nichts Essbares abgeben wollte. Seine Mutter war voll und ganz von der Suche nach ihrer Fahrkarte und dem Smartphone in Beschlag genommen. Irritiert ließ das Kind seinen Blick durch den vollen, stillen Waggon wandern, und wirkte seinen Zauber.

2016-01-17 13.12.40.jpgJe jünger ein Kind ist, um so unwahrscheinlicher ist es, dass es bereits von gesellschaftlichen Normen verdorben ist. Es mag das Leben leichter machen, sich an bestimmte Regeln zu halten, aber oft genug auch schwerer. Es gibt immer wieder Exoten, die versuchen, mit den Normen der Gesellschaft zu brechen und wahllos fremden Leuten einen schönen Tag wünschen oder, die nicht so schöne Variante, sich konsequent nicht mehr wuschen. Dieses kleine Kind hatte für sich beschlossen, dass es völlig okay ist, andere Leute in der Bahn anzusehen und zu lachen. Unkompliziert und unvoreingenommen, einfach, weil es Lust dazu hatte.

Flo sah den abgestellten Kinderwagen und das leise Kichern steckte ihn unweigerlich mit noch mehr guter Laune an. Er folge dem Blick des Kindes in den Wagen und fand ein Mädchen, welches er aus der Uni vom Sehen her kannte, und welches die ganze Fahrt über noch kein einziges mal gelächelt haben mochte, oder von ihrem Telefon aufgesehen hatte. Nun saß sie da, das kleine Gerät unbeachtet im Schoß, und in den eben noch so traurig drein blickenden Augen spiegelte sich ein zaghaftes Lächeln. Kein höfliches oder künstliches, sondern ein pures, ehrliches Lächeln, hinter dem echtes Glück stand. Das kleine Kind zog sich die Mütze vom Kopf und zappelte fröhlich jauchzend in seinem Kinderwagen auf und ab.

Ein Erwachsener, der in der Bahn so viel Aufsehen erregt, kassiert hauptsächlich irritierte Blicke und offene Missbilligung. Ein kleines Kind aber wirkt auf die meisten Menschen ganz anders. Solange es nicht das Eigene ist, kann man seinen Lärm so einfach ertragen, wie sonst kaum ein Geräusch, und es bricht durch alle Zeitschriften, Tablets und Kopfhörer hindurch. Überall im Waggon hoben die Leute die Köpfe, um dem Kind an der Tür ein schüchternes Lächeln zuzuwerfen. Flo sah lieber in die andere Richtung. Es bereitete ihm Freude und eine merkwürdige Genugtuung, zu sehen, wie ein einfaches Kichern und unartikuliertes Gebrabbel die ernsten Gesichter veränderte. Es war ihm, als würde eine heiße Dusche dicke Krusten Schlamm von den Geistern spülen und darunter schimmerte ein kleiner Rest des Kindes, das jeder von ihnen einmal gewesen war.

„Was machst du denn für einen Lärm, Eva? Setz dich hin, du störst die anderen Leute nur.“

Die Mutter hielt sich nicht mit einem Blick in den Wagen auf. Man sah im Zug schließlich keine Mitreisenden an. Sie drückte ihrer Tochter nur die Nuckelflasche in die Hand und hoffte auf Ruhe. Eva nahm die Flasche entgegen und stopfte sie sich tollpatschig in den Mund. Ein kurzer Moment der Magie war es gewesen, der für die meisten Reisenden in diesem Wagen den Tag ein kleines bisschen schöner gemacht haben mochte. Das Mädchen aus der Uni lächelte noch immer in Richtung des Kinderwagens, eine stumme Sehnsucht in den Augen. Das zufriedene Brummen des Kindes mit der Flasche ließ auch sie selbst leise kichern, während im Rest des Wagens wieder das Rascheln von Stoff und Papier dominierte.

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 66

Zahnschmerzen

„Jedenfalls habe ich mit Erik darüber geredet und er fand die Idee gut. Es erspart uns das ewige Hin und Her und außerdem ist es von der Miete her etwas günstiger. Und jetzt suchen wir also eine Wohnung. Wenn du eine hast, immer her damit. Ist alles okay bei dir? Du verziehst so seltsam das Gesicht.“

Mia hatte Redebedarf, und zwar reichlich. Es war schon ein kleines Wunder, dass sie überhaupt genug von ihrer Umwelt mitbekam, um zu sehen, wie Flo mit mürrischem Gesichtsausdruck auf seiner Zunge kaute. Er hatte selbst nur mit einem Ohr zugehört und schämte sich ein wenig dafür, so abwesend zu sein. Gelegentlich fragte er sich, wieso es überhaupt jemand mit ihm aushielt. Er war ganz offensichtlich kein guter Freund. Seine Aufmerksamkeitsspanne war kurz und er war auch sicher nicht besonders eloquent, um das auszugleichen. Er versuchte es trotzdem jedes mal erneut.

„Ist schon okay. Hat Erik nicht im Wohnheim sowieso eine recht gute Miete? Aber gut, da könnt ihr ja nicht zusammen einziehen. In sein Bett dort passt ja nicht einmal eine Person vernünftig rein. Wie auch immer ihr das trotzdem schafft. Wie sieht es denn im Augenblick aus, so wohnungstechnisch?“

„Das Zimmer ist zwar preiswert aber echt kümmerlich. Das ist ja auf Dauer keine Lösung, und wenn wir beide hier in der Gegend bleiben wollen, dann wird das so nichts. Und wir haben wohl Glück, weil momentan nicht so sehr viele Leute eine Wohnung suchen. Trotzdem war bis jetzt nichts wirklich Überzeugendes dabei. Entweder ist die Wohnung schick oder die Lage, aber irgendwie nie beides. Irgendwo gibt es sicher die perfekte Wohnung für uns. Bist du sicher, dass alles gut ist? Du wirkst so angespannt. Gibt es Stress mit Kristina?“

„Nein, mit ihr ist alles super. Ich habe nur Zahnschmerzen. Frag mich nicht, wieso. Es ist noch nicht einmal ein halbes Jahr her, dass ich da quasi grundsaniert wurde. Eigentlich darf da nichts mehr sein. Trotzdem tut es irgendwo beim Aufbeißen weh. Ich kann nur nicht einmal genau sagen, welcher Zahn das ist.“

Er konnte nicht einmal genau sagen, wie viele Zähne denn überhaupt das Problem waren. Vielleicht waren es sogar überhaupt nicht die Zähne, sondern das Zahnfleisch oder der Knochen darunter. Wer konnte das schon sagen? Alles, was er an Anhaltspunkten hatte, war der dumpfe Schmerz, der jedes mal beim Zähneputzen oder drauf beißen durch seinen Kopf wanderte. Das war keine besonders gute Ortungsmethode. Flo fühlte sich von seinem Körper im Stich gelassen und das ärgerte ihn noch einmal extra. In Filmen gab es immer irgendeine Form der Wunderheilung. Wieso konnte nicht mal jemand so etwas für die reale Welt erfinden? Oder auch nur Körperteile zum Austauschen. Geklonte Zähne, extern gezüchtet und dann nur noch einzusetzen. Die Welt könnte so perfekt sein. Wieso versuchte eigentlich niemand einmal, so etwas zu erforschen? Stattdessen gab es Maiskolben, die unter UV-Licht leuchteten wie ein kleiner Sternenhimmel oder selbstverdichtenden Beton, der sich so effektiv selbst verdichten konnte, dass er zwangsläufig seine Schalung sprengte. Und das nannte man dann technischen Fortschritt. Welch meisterhafte Erfindungen.

KupferbergEr spielte mit der Zunge zwischen den Zähnen herum und war sich inzwischen relativ sicher, dass das Problem tatsächlich bei den Zähnen lag. Allerdings auch nicht sehr viel sicherer, als ein belgisches Atomkraftwerk. Im andauernden Zustand der Notabschaltung, wenn eine geringere Gefahr davon ausging, weil mal wieder ein Transformator brennt oder das sekundäre Kühlsystem leckgeschlagen ist. Immerhin war es wohl wenigstens einer, aber auch nicht mehr als drei Zähne.

„Das verrückte ist, ich war doch vor nicht einmal einem halben Jahr beim Zahnarzt. Der hat mir gefühlt den halben Kiefer in Trümmern gelegt und alles wieder neu zusammengesetzt. Wieso hab ich da jetzt schon wieder Ärger mit? Sollte das nicht für eine gewisse Weile vorhalten oder hat der da nur etwas übersehen? Und dafür habe ich es in kauf genommen, eine halbe Woche lang nur Joghurt und so zu essen. So was geht mir dann auf die Nerven.“

„Aber wenn du Schmerzen hast, dann solltest du wirklich einfach zum Zahnarzt gehen. Die können dich dann ja nicht einfach wegschicken.“ Mia runzelte die Stirn. „Es ist ja schon seltsam. Ein halbes Jahr, und du hast schon wieder Zahnschmerzen? Vielleicht ist eine der Füllungen undicht geworden oder er hat wirklich unsauber gearbeitet und etwas vergessen. Aber es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Geh zum Arzt!“

Das war genau die Möglichkeit, die ihm am allerwenigsten gefiel. Flo konnte Ärzte nicht ausstehen. Immer gut gelaunt, immer irgendwie gespielt makellos in ihren weißen Kitteln und hübsch hergerichteten Praxen, mit dem allgegenwärtigen Geruch von Desinfektionsmitteln. Sie wirkten einfach von vorne bis hinten falsch auf ihn und diesen Menschen sollte er sich ausliefern? Er konnte sich Besseres vorstellen.

Und dann machten sie offenbar nicht einmal gute Arbeit. Wieso hatte er denn jetzt schon wieder Probleme? Wäre es ein Toaster oder ein Fernseher gewesen, er würde ihn zurückbringen und reklamieren. Seine Zähne waren nur leider fest mit seinem Kiefer verwachsen und den konnte er nicht einfach herausnehmen. Wäre das nicht eigentlich eine praktische Lösung? Kiefer abnehmen, zum Zahnarzt bringen, in der Zwischenzeit etwas Sinnvolles tun und dann irgendwann das reparierte Produkt wieder abholen und neu einsetzen. Wieso forschte eigentlich niemand an solchen Ideen? Man konnte doch auch Organe transplantieren, auch wenn das sehr viel Aufwand war und mit teils hohen Risiken behaftet war. Aber irgendwann musste man doch auch einmal so etwas beherrschen. Nur für den Moment war noch niemand so weit. Es half nichts.

„Schätze wohl, das werde ich müssen. Zu schade nur, dass es nicht einfach Ersatzteile gibt, die man im Internet bestellen kann und dann nur noch einbauen muss. Bei Robotern würde das gehen.“

„Du bist verrückt! Ich bin mir ziemlich sicher, dass Kristina dich auch nicht mehr besonders lieben würde, wenn du plötzlich als Roboter vor ihr stehen würdest. Immerhin liebt sie dich ja so, wie du bist. Bei Erik ist es das Gleiche. Er ist gut, so wie er ist. Da muss nichts ausgetauscht oder verändert werden.“ Mia blühte in einem kurzen Anfall von ich-will-mich-jetzt-mal-aufregen auf. Sie genoss es regelrecht, etwas gefunden zu haben, womit sie ihn kritisieren konnte. Doch plötzlich geriet sie ins Stocken. Ihr Blick nahm etwas Verträumtes an, wanderte an einer imaginären Figur hinab und sie seufzte leise. „Jedenfalls, fast nichts…“

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 65

Heimkehr

Eigentlich wollte Mia stolz auf ihre Mitbewohnerin sein. Immerhin hatte sie es doch wenigstens versucht, einmal kein Schlachtfeld zu hinterlassen. Für eine Woche war sie in Urlaub gefahren und hatte die Wohnung alleine gelassen. Mia war nur für das Wochenende mit Erik weggefahren und hatte darauf verzichtet, sie beim Packen zu stören. Zwei Tage Ruhe, Erholung, Zweisamkeit und Beziehungspflege. Ob ihr das nun lieb war oder nicht, inzwischen harmonierten sie beide immer besser und was als eine vielleicht nur harmlose Liebelei begonnen hatte, war inzwischen zu einer ernsthaften Beziehung geworden. Das einzige Thema, bei dem sie sich immer geweigert hatte, vernünftig zu sein, und nun geschah das ganz von alleine.

Erik hatte in dieser Beziehung einen kräftigen Einfluss auf sie gehabt. Ob gut oder schlecht, darüber wollte sie noch nicht nachdenken. Aber so eifrig, wie sie sich in der Uni bemühte, arbeitete er an ihrer Beziehung. Das schien sein großes Ziel zu sein, die gemeinsame Zukunft mit ihr. Und es war der Grund für ihre zahllosen kleinen Streitigkeiten gewesen. Wobei, das war eigentlich gelogen. Wenn sie wirklich ehrlich mit sich selbst war, dann war das immer nur der Vorwand gewesen. Der eigentliche Grund war viel mehr, dass er ihr damit ziemlich Angst einjagte. Die Situation zwang sie, sich jemandem zu öffnen und zu vertrauen. Das war wohl vermutlich ihr größter Albtraum. Sie merkte, wie es ihm schwerfiel, das zu verstehen und zu akzeptieren aber er gab sich große Mühe und sie war immer mehr bereit, sich ihrem Horror zu stellen. Immerhin würde ihr das gut tun, im Gegensatz zu anderen Dingen in ihrem Leben.

Sie hatte versucht mit den Mädels zu reden, sie zu bitten, nicht einfach alles hinter sich liegen zu lassen oder einfach nur einmal Missstände anzusprechen. Der Effekt war, dass sie jetzt überhaupt nicht mehr mit ihr redeten. Es war ihr vielleicht sogar recht so, solange sie dann wenigstens die Wohnung in gutem Zustand hinterließen. Ihre Mitbewohnerin hatte es wohl immerhin versucht. Ihr Geschirr stand im Abtropf, das Leergut war in Tüten verstaut und der Müll war im Mülleimer. Selbst der Herd war gewischt, was konnte sie eigentlich noch verlangen?

DSC02850.JPGGut, das Geschirr war vielleicht kurz mit Wasser in Kontakt geraten, aber weit davon entfernt, sauber zu sein. Und es war ihr Lieblingsteller, der benutzt worden war und jetzt ganz rau vor eingetrockneten Essensresten war. Die Tüten mit Leergut belegten den halben Küchentisch und den Obstkorb. Hoffentlich befand sich dort kein Obst mehr drin, welches unbemerkt vor sich hin schimmelte. Die Kartoffeln und Zwiebeln jedenfalls würden nicht mehr zum Schimmeln kommen. Auch wenn sie noch in gutem Zustand waren, lagen sie im Müll. Den Restmüll hätte sie ja noch verstehen können, der übernahm so oder so den halben Biomüll, wenn dieser wiedereinmal voll war. Aber wie kam jemand auf den Gedanken, so etwas im gelben Sack zu entsorgen? Angesichts dieser Kuriosität war es schon langweilig, dass „Herd gewischt“ hieß, altes Mehl, Eier und Fett nur einmal gründlich zu verteilen.

Fast wäre es ein Fortschritt gewesen. Nur wie wollte sie sich denn das hier schön reden? Es war kein Versuch, sich selbst zu verbessern. Es war der Versuch, mit möglichst wenig Aufwand ihr die Argumente zu rauben. Sie hatte schließlich geputzt und aufgeräumt und gespült. Nur eben dermaßen schlampig, dass sie es genauso gut hätte bleiben lassen können. Für Mia war diese Erkenntnis vielleicht das Frustrierendste. Hier war nichts mehr zu retten. Diese Mädels würden nie fähig sein, einen halbwegs gesitteten Haushalt zu führen. Vielleicht, wenn ihnen auch einmal eine Beziehung wie Erik und ihr passieren würde. Nur fehlten ihnen dazu die Voraussetzungen. Jeder Mann, den sie in den letzten anderthalb Jahren mit nach Hause gebracht hatten, hatte angesichts des Zustands ihrer Zimmer seinen Besuch nicht mehr wiederholt. Mia redete sich gerne ein, dass sie daran nicht ganz unschuldig war oder besser gesagt der Umstand, dass sie ihren Fußabtreter nicht vor der Wohnungstür, sondern vor ihrer Zimmertüre liegen hatte. Es sollte ein gewisses Signal aussenden, wofür die zwei Mädels offenbar blinder waren als ihre Besucher.

Diese Mängel hatten sie offenbar versucht, mit einer makellosen Haut und schönen Haaren zu übertünchen. Das Waschbecken im Badezimmer war fleckig von Haarfarbe und die Armaturen verbargen sich unter einer soliden Schicht aus Peeling, Gesichtsmasken und Hautcremes. Wenigstens wollte Mia es für genau das halten und nicht wissen, was sich sonst noch dort verbarg. Es war schon schlimm genug, dass offenbar die Puderdose explodiert war, und ihr Make-up auf so ziemlich jeder Fläche im Bad klebte. Außer auf der Fußmatte, die in die Ecke geknüllt vor sich hin moderte.

Mia stellte ihre Schuhe neben der Zimmertüre ab, ging hinein, schloss sie gut hinter sich ab und setzte sich auf ihr Bett. In ihrem Kopf formte sich ein Entschluss, den sie für unmöglich gehalten hatte. Sie würde hier ausziehen. Bald! Und nicht nur das, sie würde bei dieser Gelegenheit einmal ihren Freund überraschen wollen. Kopfüber in einen Ozean aus eiskaltem Wasser, hinein in ihr großes Abenteuer. Er würde überrascht sein und es für einen Scherz halten, aber sie wollte es tun. Sie wollte ihn fragen, ob er mit ihr zusammen in eine gemeinsame Wohnung zog. Oh, wie sehr musste sie sich morgen für diesen Entschluss hassen.

2015 auf meiner Lesestunde

Statistischer Jahresrückblick

Die Statistik-Wichtel von WordPress haben mir einige Zahlen und Daten zum Jahreswechsel präsentiert. Da ich nur einen sehr kleinen Blog habe, ist dieser schöne Jahresbericht in weiten Teilen nur völlig unbedeutend oder weist die ein oder andere kleine Überraschung auf. Ich kann diese Seite leider nur als ganzes teilen oder überhaupt nicht. Ich habe keine Funktion gefunden, sie zu editieren oder kommentieren. Deswegen präsentiere ich sie Euch in dieser Form.

Den Auftakt macht eine Zusammenfassung der Besucher- und Bilderzahlen. Ich gebe zu, es sind weniger Bilder, als schön wäre. Ich bin um Besserung bemüht.

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Die Zahlen sehen zweifellos schön aus. Ich wäre nur neugierig, wie viele von diesen Aufrufen von mir selbst stammen 😉

Postingverhalten

Das Postingverhalten ist ein etwas langweiliger Punkt, zumal ich mich bemüht habe, die jeweils aktuelle Ausgabe immer am Sonntag zu veröffentlichen. Seit ich mich etwas mit dem System hier auseinandergesetzt habe, war das Ziel immer Sonntag um 9Uhr früh. Es gab nur sehr wenige Verspätungen und noch weniger Ausfälle.

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Ich denke, es ist deutlich ein bestimmtes Muster im Veröffentlichungsplan zu erkennen, oder?

Attraktionen in 2015

Eine Kategorie, in welcher die am meisten diskutierten und kommentierten Beiträge gegenübergestellt werden. Witzig… Es gibt bislang genau einen Kommentar und der ist von mir selbst, um die Funktion zu testen bzw. vorzustellen.

Wie haben sie mich gefunden?

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Es wird nicht aufgeführt, wie viele meiner Besucher über die Top 5 der Verlinkungen zu mir gefunden haben. Die meisten Treffer hat jedenfalls der hauseigene Reader. Das wird wohl Lesezeichen mit enthalten. Bin das wieder hauptsächlich ich, der seine Beiträge überprüfen will? 😉 Platz 2 belegt übrigens meine eigene Website, auf welcher sich ein Link hier hin findet. Platz 3 ist Facebook. Die Seite, über die ich immer wieder den Link verschickt habe, wenn mich jemand danach gefragt hat. Auf Platz 4 findet sich mein Tumblr Blog. Es scheint also tatsächlich einen Effekt zu haben, dass ich die Ausgaben auch dort verlinke. Eine freudige Überraschung für mich. Platz 5 schiebt die Aufrufzahlen in eine Skala und liefert gleichzeitig eine der größten Überraschungen des Berichts. Hier findet sich die Konstruktionsseite meiner Website (mit Link). Ich habe, als ich die Seite erstellt habe, diesen Link einmal angeklickt, um ihn zu testen. Dieser eine Klick reicht immerhin für Platz 5 der größten Aufrufquellen.

Woher kamen sie?

Die optisch für mich schönste Kategorie. Es gibt eine schöne Karte, auch wenn sie, verglichen mit großen Blogs, völlig unspektakulär ist.

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Leider sind die einzelnen Länder nicht so deutlich zu erkennen. Bei den sechs Stück, kann man sie ruhig einmal einzeln nennen: Deutschland, Spanien, USA, Marokko, Österreich und tja, WordPress sagt mir zwar, es wären sechs, aber selbst bei der Vergrößerung werden mir nur diese fünf angezeigt. Vielleicht zählt Alaska ja gesondert. Oder aber, und diese Idee gefällt mir persönlich am allerbesten, es handelt sich um einen Besucher von Außerhalb. Aliens auf meinem Blog, das wäre grandios!

Das war es dann auch schon mit den Zahlen zum ersten vollständigen Jahr meines Blogs hier. Vielen Dank an WordPress für die nette Zusammenstellung. Ich bin gespannt, was das kommende Jahr so bringen wird. Eines steht für mich jedenfalls relativ fest: Hörsaalgetuschel wird nicht ewig weiter laufen, eventuell nicht einmal mehr das ganze Jahr. Was wird danach kommen? Ich habe noch keine gute Idee.

Dir, liebem Leser / lieber Leserin, wünsche ich jedenfalls einen tollen Start in das neue Jahr und viel Glück und Erfolg. Alles Gute!

„Bleiben Sie uns Treu, empfehlen Sie uns weiter, und bis zum nächsten mal. Tschüss!“