Archiv für den Monat Mai 2016

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 85

Softwareexperimente

„Dann sehen wir mal, was das alles taugt hier.“
Mia murmelte in ihren nicht vorhandenen Bart und beugte sich über ihren Laptop. Sie hatte ihn extra für ihre Abschlussarbeit neu gekauft und war bislang einfach zu bequem gewesen, sich richtig mit ihm vertraut zu machen. Die Arbeit selbst erschien ihr gut genug, um einfach gleich damit anzufangen. Zusätzlich kam der Rechner mit einer neuen Software, die angeblich besonders gut geeignet war, um ihre Abschlussarbeit damit zu schreiben. In einem geradezu leichtsinnigen Anflug von Risikofreude hatte sie beschlossen, es einfach gleich damit zu versuchen.
Es wäre vermutlich schlauer gewesen, sich zunächst einmal mit einem Tutorial zu befassen und sich mit den Funktionen vertraut zu machen. Dann hätte sie allerdings damit warten müssen, ihre Abschlussarbeit zu beginnen und wenn sie auf eines brannte, dann darauf, endlich anzufangen.
„Das ist alles ganz leicht mit LaTeX. Du musst nur am Anfang mal deine Einstellungen rein machen, oder später halt, und dann brauchst du eigentlich nur noch deinen Text runter schreiben. Es ist super, wenn du Formeln einbauen willst und auch wenn du Bilder dazu tust zerschießt es dir nicht gleich die ganze Formatierung, sondern macht es so, wie es sein soll.“
Lobeshymnen gab es viele, nur was steckte dahinter? Ihr erster Eindruck überzeugte sie nicht einmal im Ansatz. Das Interface sah seltsam aus und so garnicht bekannt. Hatte sie etwas falsch gemacht? Nun, vielleicht brauchte es nur etwas Zeit, um sich einzuarbeiten. Sie legte sich ihre Bücher zurecht und begann, einfach loszuschreiben. Früher oder später musste sie sich schließlich damit zurechtfinden und so konnte sie schließlich endlich mit ihrer Abschlussarbeit beginnen. Auf diesen Moment hatte sie gewartet, seit sie sich eingeschrieben hatte.
Immerhin ging ihr das Schreiben leicht von der Hand. Sie hatte schon etliche Absätze und hatte für sich selbst längst beschlossen, die Formatierung und alles damit zusammenhängende später zu erledigen. Wenn alles nichts half, dann konnte die den Text später immer noch kopieren und in ihr vertrautes Programm übertragen. Es wäre nur wenig mehr Arbeit, das dort anzupassen. So hoffte sie jedenfalls, denn eigentlich hatte sie dieses Experiment ja nur gestartet, weil es hieß, sie müsse sich hier kaum um irgendetwas kümmern. Alles sollte wie von selbst gehen.

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Nur wenn dieses Programm wirklich so toll war, wieso benutzten es dann nicht alle? Wieso war es dann nicht der unangefochtene Standard im Bereich der Textprogramme, sondern nur ein nieschiges Randprodukt, welches nur von einigen wenigen Leuten benutzt wurde und nicht einmal etwas kostete? Sie wollte es trotzdem noch nicht aufgeben. Wäre das Programm schlecht, wäre es nicht vorinstalliert gewesen. Andererseits, es gab auch einen Wetterbericht, der es nicht schaffte, den aktuellen Wetterbericht abzurufen und anzuzeigen.
Sie schätzte, dass sie inzwischen gut drei bis vier Seiten hatte. Für den Anfang war das überhaupt nicht übel. Genau konnte sie es nicht sagen, da sie keine Seitenansicht, sondern nur den reinen Text vor sich hatte. Selbst die eine Grafik, welche sie eingefügt hatte, ließ sich ausblenden. Im Augenblick war es sogar angenehmer so, nur hatte sie absolut keine Kontrolle über den Umfang. Nicht einmal die Anzahl der Wörter im Dokument konnte sie finden. Dafür fand sie nach einigem Suchen etwas anderes.
„Ansehen“, die Option, das Dokument in der Seitenansicht zu betrachten, so also, wie es aus dem Drucker kommen würde. Sie schaltete um, ein neues Fenster öffnete sich und zeigte Mia ihre Arbeit. Es sah kein Stück weit so aus, wie sie es sich vorgestellt hatte. Jetzt begriff sie, wieso sie sich vorher mit der Formatierung hatte befassen sollen. Das war genau das, wofür sie gerade die wenigste Zeit übrig hatte. Entnervt speicherte sie ihre Arbeit, schloss das Programm und verkroch sich schmollend vor den Fernseher. Vielleicht würde sie sich später einige Tutorials im Internet ansehen, oder aber gleich aufgeben und zu ihrem Standard zurückkehren, den sie wenigstens kannte. Oder sie brachte Erik dazu, es ihr zu erklären. Er verstand zwar auch nichts davon, aber wenigstens hatte er die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Immerhin schrieb er frühestens nächstes Semester seinen Abschluss. Das erschien ihr aber auch wieder etwas gemein.

Die Rakete von Fremont

Seit der Mensch denken kann, will er hoch hinaus. Der Traum vom Fliegen ist älter als die Geschichtsschreibung, der Traum, zu den Sternen zu fliegen nur unwesentlich jünger. Inzwischen beherrschen wir beides mehr oder minder gut, doch an Reiz hat es deswegen nichts verloren. Als nun 1991 die Nachricht Fremont erreichte, dass in Bell Town eine überschüssige Rakete aus dem beginnenden Kalten Krieg 1950 verschrottet werden sollte, machten sich Vertreter der Künstlergemeinde sofort auf den Weg.

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Nach einer Grundsanierung und einem fehlgeschlagenen Versuch 1993, konnte die Rakete am dritten Juni 1994 „nach fünf Minuten Suborbitalflug“ auf ihrer aktuellen Position aufgesetzt werden. Ausgerüstet mit einer neuen Nase, neuen Flügeln und dem Wappen und Motto von Fremont, „De Libertas Quirkas“, hat sie sich zu einem kleinen Wahrzeichen entwickelt. Es besteht die Hoffnung, die 16 Meter hohe Rakete in Zukunft zur Sendeantenne von Fremonts eigenem Radiosender zu machen. Wenigstens vorerst wird sie ansonsten wohl nirgendwo sonst hinfliegen, obwohl der Rauch an ihrer Basis es immer wieder ankündigt.

Wer die Rakete sucht, der findet sie unweit der Lenin Statue an der Ecke Evantson Ave und 35th Street.

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Hörsaalgetuschel – Ausgabe 84

Einkaufen

Der Grund für Flos miese Laune war eindeutig. Ein leerer Kühlschrank, eine generell leere Küche, kein Reis, keine Nudeln, kein Brot, kein Gemüse oder sonst irgendetwas. Alles, was noch da war, war ein Glas Senf, etwas Quark, eine Banane und ein paar keimende Kartoffeln und Zwiebeln. Die Banane war Kristinas Schuld. Sie bestand darauf, dass er sich gesünder ernähren müsse, er sah das etwas anders. Es hätte noch einige Konservendosen gegeben, aber die enthielten nichts, was man sinnvoll mit einem der eben genannten Dinge hätte kombinieren können. Vielleicht wäre es ihm halbwegs egal gewesen, wenn er nicht ziemlich immensen Hunger gehabt hätte. Sein Frühstück war dürftig ausgefallen und seitdem hatte er nichts mehr gegessen. Er sah auf die Uhr.

Wenn er heute noch etwas einkaufen wollte, dann musste er sich beeilen. Frisches Brot würde er jetzt, nach sechs Uhr, schon nicht mehr bekommen. Aber das war auch halbwegs das Letzte, wonach ihm der Sinn stand. Vielleicht sollte er einfach losgehen und sich inspirieren lassen. In einem vollen Supermarkt würde er garantiert etwas Essbares finden. Viel größer waren seine Ansprüche nicht einmal. Essen, weil es halt notwendig war, um nicht zu verhungern. Das waren nun einmal die Regeln der Biologie und aktuell verabscheute er sich dafür, ihnen zu unterliegen.

Wenn es um andere ging, gab er sich auch mal Mühe, etwas Gutes zuzubereiten. Für Kristina kochte er regelmäßig, suchte sich vorher ein Rezept heraus und besorgte alles Notwendige. Für sich selbst reichten auch Nudeln mit Ketchup oder Tiefkühlpizza völlig aus. Nicht auf Dauer, aber schon für eine Weile und Flo konnte sehr ausdauernd sein, was das betraf. Vielleicht würde er sich heute aber eher für einen frischen Salat entscheiden oder für Kartoffeln mit Buttergemüse. Das war zwar mehr Arbeit aber schmeckte auch besser.

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Die nächste Einkaufsmöglichkeit war ein Discounter, und zwar einer von der extra billigen Sorte. Flo war das gerade recht. Wenn er schon keine Wahl hatte und unbedingt essen musste, dann sollte es nicht auch noch überteuert sein. Und wieso sollte er einen teureren Supermarkt oder Spezialitätenhändler aufsuchen? Die letzten Lebensmittelskandale hatten auch vor denen nicht haltgemacht. Das billige Zeug war genau so verseucht wie alles andere auch. Dioxin in den Eiern, Pflanzenschutzmittel im Bier, Pferd in der Lasagne und Gammelfleisch mit Analogkäse auf der Pizza. Wenn das wirklich alles so schrecklich giftig war, dann müssten die Menschen doch sterben wie die Fliegen.

Wenigstens seine Prognose mit dem Brot war richtig. Es gab keins mehr. Flo war darüber kein Bisschen traurig. Er hätte es selbst heute wohl nicht gekauft, und wenn es keines mehr gab, dann konnte es auch nicht mehr liegen bleiben und schlecht werden. Er streifte durch die Regale auf der Suche nach etwas, worauf er Hunger haben könnte. Schokolade lachte ihn an, er überlegte kurz, wurde sich dann seines Hungers bewusst, schob den Heißhunger darauf und ließ sie liegen. Er brauchte etwas Handfesteres. Nudeln waren immerhin haltbar. Wenn er sie heute nicht aß, dann würden sie auch noch in einem halben Jahr gut sein. Er packte eine Tüte ein und lies ein Glas Soße dazu im Regal stehen.

Bevor er losgegangen war, hatte er eine kurze Inventur in der Küche gemacht und seine Vorräte zusammengezählt. Jetzt ging er die kurze Einkaufsliste ab, die er in seinem Kopf hatte. Er brauchte etwas, was als Frühstück morgen taugen würde. Vermutlich Joghurt oder Müsli. Er entschied sich für Pizza, ohne dem Gedankengang dahinter selbst folgen zu können. Die billigere Doppelpackung musste es werden, wenn er seiner Budgetrechnung glauben wollte. Andererseits tanzten am Rand seines Blickfelds schon die Regenbögen. Ein zuverlässiges Indiz dafür, dass seinem Körper der Strom ausging.

Die Nudeln in der Hand stand er vor dem Kühlregal. Kartoffelsalat im Eimer oder Krautsalat erschienen ihm unpassend, er entschied sich für Käse, mit dem er zur Not auch einen Auflauf machen konnte. Der Hunger wurde immer nagender und er beeilte sich, durch die Kassen und wieder nach Hause zu kommen. Dabei sah er sich nicht gerade aufmerksam um. Alle Welt sagte immer, wie gefährlich es doch war, mit Hunger einkaufen zu gehen. Dem würde er nicht anheimfallen.

In seiner Küche bemerkte er, dass er damit teilweise recht hatte. Er hatte nicht Unmengen an Lebensmitteln gekauft, die er nicht brauchte. Er hatte nicht einmal die Sachen gekauft, die er eigentlich hatte holen wollen. Zum Beispiel die Nudelsoße oder neuen Ketchup. So konnte er sich Nudeln mit Senf und Käse machen. Ihm fiel ein Buch ein, welches er als Kind in der Schule gelesen hatte. Erich Kästners 35. Mai. War es der Onkel gewesen, mit seiner Apotheke, bei dem der Junge immer gegessen hatte? Die Mahlzeiten dort standen immer unter dem Motto „Iss, damit dein Magen Hornhaut bekommt.“ Flo hätte nicht erwartet, dass er es sich selbst so schwer machen wollte. Statt Senf öffnete er eine Dose Mais, aber das machte es nur wenig besser.

Seattles Lenin

Was gibt es Schöneres, als an einem sonnigen Nachmittag bei einem Getränk seiner Wahl mit Freunden gemeinsam auf der Terrasse eines Cafés zu sitzen, das Wetter zu genießen und den Menschen zuzusehen? Diese Frage mag jeder für sich individuell beantworten und zugegebenermaßen, wenn die Terrasse aus den Tischen und Stühlen eines Straßencafés an einer Kreuzung ist, dann erst recht. Aber diese Kreuzung ist nicht so ganz gewöhnlich.

Sie liegt mitten in Seattles Stadtteil Fremont, an der Kreuzung der Evanston Ave, Fremont Pl und N 36th Street. Angrenzend finden sich etliche schmucke Häuschen und Hecken, hinter denen sich Gärten und Terrassen verbergen. Es sieht gepflegt und modern aus, hat sich aber trotzdem noch etwas den Charme eines Künstlerviertels bewahrt. Eine fast normale Hauptstraße, mit Straßencafés, Bars und Bummelmöglichkeiten. Wenn nicht Wladimir Iljitsch Lenin mit fast 4 Metern Höhe und über 7 Tonnen Gewicht über eben diese Kreuzung wachen würde.

Leninstatue vorne

Da läuft man gerade durch die Straßen eines Landes, welches seit mehr als sechzig Jahren die Angst, eher sogar eine paranoide Panik, vor allem kommunistischen gelehrt bekommen hat. Einem Land, in dem alles kommunistische dermaßen Böse ist, dass selbst eine soziale, allgemeine Krankenversicherung, die gut und gerne 85 % der Bevölkerung bitter nötig hat, als das ultimative Böse bekämpft wird. Und plötzlich steht man vor dem Erzfeind, dem Gründervater jener sozialistischen Nemesis. Was ist passiert?

Zehn Jahre lang arbeitete der slawische Künstler Emil Venkov an der Bronzestatue, ehe sie 1988 in Poprad, in der Slowakei aufgestellt werden konnte. Auch wenn sie den Maßgaben der Regierung entsprach, ist sie dennoch einzigartig. Es wird angenommen, dass es die weltweit einzige Statue von Lenin ist, welche ihn nicht als Intellektuellen mit Buch zeigt, oder seinen Hut wedelnd, sondern umgeben von stilisierten Waffen und Flammen. Ein subtiler Protest, welcher die blutige Revolution hervorheben soll, ein Ausdruck der politischen Überzeugung des Künstlers.

Leninstatue hinten

Stilisierte Waffen und Flammen auf dem hinteren Sockel der Statue. Und eine rote Hand als weniger subtiler Protest.

Doch schon nach nur einem Jahr war die Karriere der Statue vorerst vorbei, die Sowjetunion zerbrach und der eiserne Vorhang fiel. In der Revolution von 1989 wurde die Statue gestürzt und von Lewis Carpenter entdeckt, welcher zu dieser Zeit in Poprad unterrichtete. Er erkannte Venkovs Fähigkeiten und die Qualität der Statue und setzte sich dafür ein, sie zu bewahren. Er importierte sie in die USA und starb 1994, ehe ein dauerhafter Standort für sie gefunden werden konnte. In Fremont hat sie einen temporären Standort gefunden, wo sie gesehen, von der Öffentlichkeit bewundert werden kann und an ein wichtiges Kapitel der Geschichte erinnern soll. So lange, bis sie einen Käufer findet und einen Platz im Museum, um ihren Erinnerungsauftrag fortzuführen.

Die Statue in Fremont aufzustellen löste eine ziemliche Debatte unter den Anwohnern aus. Die politische Symbolkraft des Kunstwerks stand dem handwerklichen und bildhauerischen Können des Künstlers entgegen. Unter den öffentlichen Kunstwerken Fremonts ist dieses vielleicht das, welches am stärksten polarisiert. Nicht zuletzt aufgrund der jahrzehntelangen politischen Bildung löst es bei vielen seiner Betrachter wohl die stärksten Gefühle aus, ob positiv oder negativ. Trotzdem, oder auch deswegen, ist es eine beliebte Station der Trollaween Parade, welche alljährlich zu Halloween vom Fremont Troll aus durch den Stadtteil zieht.

Leninstatue Gegenlicht

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 83

Blütenzauber

Dicke Regentropfen fielen am Fenster vorbei auf den schwarzen Asphalt der Straße. Flo saß in seinem Sessel zum Fenster gedreht, sein Telefon auf der Armlehne und hatte die Beine angezogen. Verträumt starrte er auf das Fenster, beobachtete die Tropfen, wie sie an der Scheibe entlang rannen. Das Wetter drückte ihm aufs Gemüt und er realisierte, dass er heute nicht im Ansatz schaffen würde, was er sich vorgenommen hatte.

Unbeachtet im Hintergrund plauderte die Erzählerstimme einer Doku aus dem Fernseher, auf dem Schreibtisch lagen einige Bücher aufgeschlagen, ebenfalls unbeachtet. Stattdessen wartete Flo auf einen Anruf von Kristina und kam sich schrecklich albern dabei vor. Sie war dieses Wochenende auf einer Fortbildung für ihre Arbeit, hatte deswegen keine Zeit, ihn zu besuchen, hatte aber versprochen sich zu melden, wenn sie heile angekommen war. Er hatte ihr noch versichert, sie müsse das nicht tun und solle sich einfach auf das Seminar konzentrieren. Jetzt saß er dennoch hier, das Telefon neben sich und Leere im Kopf.

Er wartete nicht einmal aktiv. Er träumte eher ziellos vor sich hin, döste und starrte auf den Joghurtbecher auf der Fensterbank. Es war ein kleines Hobbyprojekt, mit dem Kristina ihn angesteckt hatte, eine kleine Tomatenpflanze, die er selbst züchtete. Zu Kristinas Wohnung gehörte ein kleiner Garten, den sie nutzte um einige kleine Pflanzen wie Blumenkohl, Erbsen, Tomaten und einigen Gewürzen selber züchtete. Sie war der Ansicht, es war wichtig, ein Bewusstsein für gesundes Essen und seinen Wert zu entwickeln oder wenigstens zu behalten.

Strickmob im Ringpark

Immerhin hatte sie es geschafft, Flo neugierig zu machen. Aus reiner Neugier hatte er eine kleine Tomate genommen und in einigen Lagen Küchenpapier „gepflanzt“. Es hatte einige Tage gedauert und er war schon drauf und dran gewesen, den vor sich hinfaulenden Stapel einfach in den Müll zu werfen. Doch dann war eingetreten, womit er nicht im geringsten gerechnet hatte. Es hatte sich ein einzelnes grünes Köpfchen auf dem weißen Papier gezeigt. Vorsichtig hatte er es ausgeschnitten, einen alten Joghurtbecher mit Erde aus dem Park gefüllt und den Setzling dort gepflanzt.

Das war jetzt bereits einige Wochen her. Seitdem hatte sich das kleine grüne Köpfchen zu einer etwas wackeligen aber dennoch stolzen Tomatenpflanze entwickelt. Zierliche hellgelbe Blüten standen dem Regenwetter gegenüber, hielten dem trüben Grau mit bunten Farbklecksen entgegen, verbreiteten ein unschuldiges kleines Lächeln. Die Pflanze musste nicht einmal mehr Früchte tragen, sie bereitete ihm auch so schon Freude, einfach nur durch ihre Existenz und die harmlose Ausstrahlung, die von ihr ausging.

Irgendwie rückte der Regen einfach in den Hintergrund und nahm seine deprimierende Grundstimmung gleich mit. Flo kuschelte sich in seinen Sessel, der Fernseher plärrte unbeeindruckt vor sich hin, er konnte nie bemerken, dass statt seiner eine kleine Blume alle Aufmerksamkeit ab bekam, die es aus Flos verträumten Geist hinaus schaffte. Auch wenn das üblicherweise nicht besonders viel war. Manches änderte sich einfach doch nicht.

Der Fremont Troll

Der Legende nach lebte unter der viel befahrenen Aurora Bridge in Seattles Stadtteil Fremont einst ein Troll. Ein Ungetüm, groß wie ein Haus, welches angeblich im Reisegepäck skandinavischer Holzarbeiter seinen Weg hierher gefunden hat. Im Hinterland des Industriegebiets am Nordufer des Lake Union fand er reichlich Nahrung, in Form von unvorsichtigen Saufbolden, Kindern, die sich des Nachts aus dem Haus schlichen und gelegentlich einem Auto und dessen Insassen. So muss er einige Zeit gut gelebt haben, im Schutz der Brücke und der Nächte.

Doch das Stadtbild wandelte sich. Die Industrie zog weiter, als sich die Vororte von Seattle um den See herum ausbreiteten. Zurück blieben leere Hallen und Fabriken, in denen sich bald schon eine Bevölkerungsschicht ansiedelte, die klassischerweise arm, eher dünn und schlecht genährt ist: die Künstler. Für Fremont hieß das, die grauen Fabrikanlagen bekamen etwas bunte Farbe ab. Für den Troll hieß das, seine Suche nach Nahrung wurde erschwert. Immer wieder musste er seine Streifzüge bis in die frühen Morgenstunden ausdehnen.

Seattle Fremont Troll Ave

Dann, eines Nachts, im Herbst 1990, legte ein junges Pärchen einen Zwischenstopp unter der Aurora Bridge ein, auf ihrem Roadtrip entlang der Küste. Diese Reise war ihre Art, ihr einzig wahres Idol und den König, Elvis, hochleben zu lassen. Unter dem Brückenkopf schienen sie die perfekte Übernachtungsmöglichkeit für sich und ihren VW Käfer gefunden zu haben. Dem Troll kam dies nach einigen ausgehungerten Nächten sehr gelegen und so wagte er sich früher an diesem verregneten Abend aus seiner Höhle. Er rechnete nicht mit dem Undenkbaren. Nämlich, dass ein letzter Sonnenstrahl der Abendsonne durch eine Wolkenlücke über der Salmon Bay schoss. Er traf ihn in dem Moment, als er den Käfer griff, um ihn in seinen Bau zu ziehen, und versteinerte ihn sofort.

Diese Geschichte ist natürlich frei erfunden und grober Unfug (fast), aber der Troll sitzt trotzdem an genau dieser Stelle unter dem Brückenkopf am Nordufer der Aurora Bridge. Er genießt eine wundervolle Aussicht auf das Ständerwerk der Brücke und den Fremont Cut, den Kanal, welcher Lake Union mit der Salmon Bay verbindet, ist etwa fünfeinhalb Meter hoch und wiegt solide 6,35 Tonnen. Sein Oberkörper wenigstens, denn mehr existiert von ihm leider nicht. Es ist eine Statue aus Stahl und Beton, mit einem etwas mürrischen Gesichtsausdruck, welche pünktlich zu Halloween 1990 dort ihre Enthüllung erfuhr und seitdem eines der Wahrzeichen Fremonts und auch Seattles ist.

Seattle Fremont Troll II

Die Geschichte des Fremont Trolls beginnt im Jahre 1989, als dem Fremont Art Council vorgetragen wurde, dass man mit dem leeren Raum unter der Brücke etwas Schönes anfangen sollte. Der Ort hatte sich zur illegalen Müllkippe und einem bevorzugten Umschlagplatz für den lokalen Drogenhandel entwickelt. Der Council schrieb also einen Wettbewerb aus und stellte gleichzeitig die Jury, welche die eingegangenen Vorschläge auf fünf Finalisten zusammenfasste. Diese fünf Besten sollten dann als Modell auf dem Stadtfest den Bürgern zur Wahl gestellt werden. Der Troll des Teams „Jersey Devils“ unter Steve Badanes gewann die Abstimmung dermaßen überragend, dass die anderen Teilnehmer nicht einmal mehr Erwähnung finden.

Das Design des Trolls und seine Geschichte als Menschenfresser ist vor allem an den norwegischen, aber auch etwas den schwedischen Trollen orientiert. In beiden fällen können Trolle riesengroß werden, haben lange Haare und oft auch lange Bärte und einen außergewöhnlichen Hunger auf Menschenfleisch. Sie sind dabei nicht wirklich böse, oder werden nicht als böse Kreaturen wahrgenommen. Auch wenn sie gerne Streiche spielen und Menschen fressen, das ist einfach ihre Natur, für die sie nichts können. Die Inspiration zu diesem Kunstwerk und seine Geschichte entstand wohl in Anlehnung an eine alte (norwegische?) Volkssage um drei Ziegen, welche auf dem Weg zu ihren Bergweiden über eine Brücke müssen, unter welcher ein Troll lebt. „The Billy Goats Gruff“.

Seattle Fremont Troll

Für den Bau des Kunstwerks wurden Stahl, Draht, etwa zwei Tonnen Stahlfaserbeton und ein originaler Käfer mit Nummernschild aus Kalifornien und Erinnerungsstücken an Elvis Presley verbaut. Nummernschild und Elvis Memoria sind durch Vandalismus an der Statue inzwischen verschwunden. Der Käfer ist zur Hälfte unter der linken Pranke des Trolls begraben, mit der Rechten stützt er sich auf dem Boden ab. Es wirkt, als würde er sich vorbeugen, den Kopf mit den langen Haaren, dem Rauschebart und der riesigen Nase hervor strecken. Gerade so, als würde er sich über das rote Auto hinweg aus seiner Höhle ziehen.

Besucher werden dazu aufgefordert, mit dem Troll zu interagieren, auf ihn draufzuklettern (soweit das möglich ist) und ihm in das eine sichtbare Auge zu piksen. Als sein Auge dient übrigens eine Radkappe des Käfers. Die Interaktion umfasst offenbar nicht nur Gekletter, sondern auch bunte Kreide.

In seiner Funktion als Wahrzeichen des Stadtteils dient er als Startpunkt der jährlichen Halloween Parade. Diese ist eigentlich nur ein Randprodukt der „Trollaween Party“ und führt an diversen kuriosen Sehenswürdigkeiten des Ortsteils vorbei. Im Sommer ist der Troll Gastgeber des Theaterfestivals „Shakespeare at the Troll“, wo er als Bühne für ein heiteres Straßentheater herhalten darf. Gelegentlich bekommt er auch eine saisonale Verkleidung. Die Krönung als Wahrzeichen dürfte der Troll allerdings 2005 erfahren haben, als die Straße, über welche er wacht, zu seinen Ehren in „Troll Avenue“ umbenannt wurde.

Fußläufig vom Troll aus zu erreichen befindet sich der Firmensitz von Geocaching.com. So taucht der Troll auch immer wieder in diesem Zusammenhang auf und ist sogar Wächter über seinen ureigenen Cachepoint.

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 82

Die ausgefallene Episode

Mia saß wie jeden Dienstagabend auch heute gespannt vor dem Fernseher. Nicht einmal sie selbst wusste, weswegen sie überhaupt gespannt war. Ihre Soap war in letzter Zeit in einer kleinen Krise, hatte man den Eindruck. Die Handlung war flach, die Dialoge selbst für eine Serie dieser Art ungewöhnlich schlecht geschrieben und die Schauspieler so unmotiviert, als würden sie nicht einmal mehr schlecht bezahlt werden. Doch für einen eisernen Fan wie Mia spielte das keine Rolle.

Sie hatte eine Einladung zum Sport abgesagt und Erik unbeaufsichtigt an seinen Rechner geschickt. Ihr war sogar egal, dass er dort möglicherweise eine Mail der unsäglichen Tina lesen könnte, ohne dass sie ihn daran hindern würde. Von ihren Freundinnen verstand niemand ihre Begeisterung für die Serie. Die Auswahl an gutem Material war einfach zu groß, als dass man sich mit solchen Formaten zufriedengeben wollte. Und außerdem waren einige Hausarbeiten und Präsentationen in absehbarer Zeit fällig und entsprechend hatten sich die Lern- und Projektgruppen gebildet. Einige davon saßen jetzt gerade zusammen und untergruben damit Mias Autorität, die diesen Termin ausdrücklich für belegt erklärt hatte.

Aus dem kleinen Fernseher flimmerte die Werbung vor der Show. Ihre Vorfreude stieg, doch das Undenkbare trat ein. Der Vorspann der Soap lief nicht! Das war unmöglich. Der Sender stimmte, der Tag auch, die Zeit auch. Alles stimmte, doch statt „Alles nur aus Liebe“ gab es eine Sondersendung der Nachrichten. Sie war entsetzt.

Noch ehe sie laut schreien konnte, kam Erik ins Wohnzimmer. Auf seinem Laptop lief der Livestream eines anderen Senders, aber die Nachrichten waren die gleichen. Es zeigte den Ort von Mias Kindheit, der unter einer dicken, schwarzen Wolke verborgen lag. Ein Brand in der örtlichen Industrie drohte auf die Stadt überzuschlagen und die Feuerwehr war machtlos. Sie sah die Bilder, verstand nicht, was sie sah, verstand nicht, was Erik sie fragte, verstand nicht, wieso ihre Serie ausfiel. Es war ein Bruch in ihrer Routine, in ihrem gewohnten Ablauf.

Die Ausmaße der Katastrophe sickerten nur langsam zu ihr durch, aber sie fühlte sich eh schon hundeelend. Ihre Routine war ihr heilig. Das Einzige, was sie vom Chaos trennte und dieser Brand, der ihr Elternhaus gerade einschloss, brannte auch in ihrer Seele. Sie fühlte sich spröde, wie ein trockener Ast. Wie ein spröder, trockener Ast, der soeben übers Knie gebrochen worden war und nun einem unerbittlichen Feuer zum Fraß vorgeworfen wurde.

Diskussion – Die neue soziale Frage

Heute gibt es einmal ein kleines Diskussionsthema und ich bin wirklich gespannt, was Ihr für Ansichten zu diesem Thema habt. Habt Ihr Euch darüber schon einmal Gedanken gemacht oder war es schon mal Thema?

Ich bin vor einer Weile über ein Video gestoßen, was sich mit nicht weniger als der Zukunft der Menschheit befasst. Nun, Science Fictions gibt es viele, ganze Sektionen in Büchergeschäften und Videotheken, online und offline. Der Unterschied hier ist, es ist nicht Science Fiction, sondern alles die unmittelbare, vielleicht auch mittelbare Folge von Dingen, die jetzt bereits existieren. Roboter und künstliche Intelligenzen, ihre Möglichkeiten, ihre Vernetzung und eben ihre Koexistenz mit uns Menschen.

In seinem Video kommt der werte Mr. Grey zu dem Schluss, wir Menschen machen und selbst überflüssig und sind absolut nicht darauf vorbereitet. Ich muss ihm in beiden Punkten recht geben, auch wenn ich den ersten Punkt nicht unbedingt als etwas Schlechtes sehe. Ich glaube eher, dass es eine riesige Chance ist. Aber ich mag ja auch Maschinen und zweifel nicht daran, dass Roboter durchaus die besseren Menschen sein können. Immerhin halten sie sich an die Regeln, die eine größere Gesellschaft oder Interaktion im Allgemeinen zwingend benötigen, um funktionieren zu können. Vielleicht bin ich auch einfach nur ein Misanthrop.

Trotzdem, der Weg hin, zu einer großflächig robotisierten und automatisierten Welt, wird alles andere als glatt verlaufen. Wir Menschen sind einfach so, dass wir nicht gerne andere Götter neben uns akzeptieren, selbst wenn es zu unserem eigenen Nutzen ist. Unser europäischer Lebensstandard für alle, ohne große Einschränkungen? Oder besser noch, eine Steigerung unserer Standards, für alle? Für mich klingt das durchaus verlockend. Aber nicht in diesem kapitalistischen System, in dem sich so viele unterschiedliche Staaten drängen. Daran müsste sich also etwas ändern.

Wie müsste sich ein System verändern, welches einen hohen Automatisierungsgrad erreicht und stabil bleibt? Totale Freiheit für die Märkte oder doch lieber einzelne Ideen aus dem Kommunismus oder Sozialismus neu aufbereitet? Bedingungsloses Grundeinkommen? Jobs zuerst nur für Menschen und Roboter lediglich für zusätzlichen Bedarf? Maschinen sind billiger und präziser, Menschen beschweren sich schneller. Steuern wir auf Arbeitslosenzahlen zu, die jenseits allem Bekannten sind? Wie kann man damit umgehen? Wie beschäftigt man die Menschen, für die keine Arbeit mehr übrig bleibt? Müssen wir uns an das neue System anpassen oder das System an uns? Und können wir es überhaupt noch anpassen?

Viele Fragen, viel Raum für Meinungen und Ansichten und eventuell auch einige Antworten. Das Thema bietet sicher massig Sichtweisen, die ich noch nie in Betracht gezogen habe. Ich bin gespannt, was Ihr zu dem Thema zu sagen habt, freue mich auf Eure Kommentare und diskutiere gerne mit 🙂

Hörsaalgetuschel – Ausgabe 81

Jemand der aufpasst

„Ich brauche wirklich jemanden, der auf mich aufpasst.“

Das waren die ersten Worte, mit denen Eriks Verstand ihn an diesem Morgen empfing. Die Nacht war viel zu früh vorbei, dafür, dass er dermaßen viel zu spät erst schlafen gegangen war. Aber er lernte es auch einfach nicht. Inzwischen war sein ganzer Biorhythmus um mindestens drei volle Stunden verschoben und er war nur schwach motiviert, das zu korrigieren.

Besonders im Augenblick war er eigentlich nur motiviert, sich umzudrehen und weiter zu schlafen. Der Kopf dröhnte ihm, die Nase war verstopft, er fühlte sich wie gerädert und vollkommen erschöpft und ausgelaugt. Sollte man nach einer Nacht voll Schlaf nicht ausgeruht und erfrischt sein statt völlig zerstört? Er hatte eine Beschwerde an Mutter Natur zu richten, offenbar war bei seiner Produktion etwas durcheinandergeraten. Konnte er dafür eine Korrektur bekommen?

Jemand, der auf ihn aufpasste. Es dauerte einige Augenblicke länger, bis er realisierte, dass diese Forderung in seinem Kopf personenungebunden war. Erst im dritten Anlauf kam er auf seine Freundin, die heute auch nicht bei ihm war. Sie sollte also auf ihn aufpassen? War sie sich dessen bewusst und war sie dieser Aufgabe gewachsen? Falls nicht, dann war es jetzt auch zu spät. Übermorgen war der Umzug angesetzt, und auch wenn er sich mit dem Gedanken immer noch nicht angefreundet hatte, dann würden sie keine zwei Betten, sondern nur noch ein Gemeinsames haben. Wie gut er darin wohl würde schlafen können?

Jedenfalls konnte er sich dann nicht mehr so frei und selbstständig in der Wohnung bewegen, wie er es in seiner aktuellen konnte. Wenn er hier alleine war und erst um ein Uhr nachts ins Bett ging, dann interessierte das niemanden. Wenn er das in einer Woche versuchte, dann würde das garantiert nicht unkommentiert ablaufen. Wenn er überhaupt die Wahl hatte.

Mia hatte wohl auch bemerkt, dass ihre Beziehung in letzter Zeit ein klein wenig ins Taumeln geraten war, aber für sie war das kein Grund zur Sorge. Erik hatte das Gefühl, als vertraue sie darauf, dass sich mit der gemeinsamen Wohnung alle Sorgen in Luft auflösen. Sie hatte unter Garantie ein fixes Idealbild davon, wie das Zusammenleben auszusehen hatte. Stückchen für Stückchen würde sie es ihm offenbaren und absolut verblüfft sein, wenn er in diesem oder jenem Punkt einen anderen Standpunkt vertrat. Nicht, um ihm eine Szene zu machen, sondern weil sie wirklich nicht damit rechnete, dass jemand anderes auch andere Ideale hatte.

Ringpark an der Residenz

Und Erik gruselte es bereits vor dem Moment, wo sie erkennen musste, dass es nicht jeden Abend um Punkt Sieben warmes Abendessen geben würde, damit sie pünktlich um halb elf im Bett liegen würden und dienstags, mittwochs und samstags sorgsam geplanten aber völlig leidenschaftslosen Sex zu haben. Sie würde auch nach wie vor keinen uneingeschränkten Zugang zu seinem Computer und seinen Mails haben und er würde auch weiterhin seine Hausarbeiten lieber in der Uni schreiben, statt neben ihr am heimischen Schreibtisch. Das, und noch einige weitere Punkte, würden dafür sorgen, dass ihre schön schillernde Seifenblase irgendwann platzte.

Selbst Flo, der in letzter Zeit eine ganz erstaunliche Aufmerksamkeit an den Tag legte, hatte das bereits angemerkt. Sie hatten bei ein paar Bieren über den Umzug geredet und Flo hatte schonungslos all jene Fragen gestellt, die ihm vorher noch niemand gestellt hatte und die er sich selbst auch nicht hatte stellen wollen. Unter anderem, was passieren würde, wenn diese Seifenblase platzte. Flo hatte vorsorglich Asyl angeboten, für den Fall, dass Erik dann spontan ein anderes Dach über dem Kopf brauchte. Abwegig war der Gedanke jedenfalls nicht.

Es verwunderte Erik nicht, dass sein Gehirn bei „jemandem, der auf dich aufpasst“ nicht an Mia denken wollte. Es war vielleicht die naheliegende Lösung, vielleicht auch die bequeme, wenn er sich denn komplett unterordnen wollte, aber es war auf jeden fall nicht die gesunde Lösung. Bei Tina hatte sie nur etwas subtil gedroht, als sie ihre Übungswaffen mit in die Uni gebracht hatte. Aber er hatte auch mitbekommen, wie sie hintenrum dafür gesorgt hatte, dass Jenny sich nicht mehr mit Flo befasste. Sie war skrupellos und wollte ihren Willen durchsetzen. Wenn er so darüber nachdachte, vielleicht sollte er ihr eine Karriere in der Politik vorschlagen. Klar, er würde es anders formulieren müssen, aber ansonsten war sie Ideal für den Posten.

Und wenn er es schaffte, ihr wirklich diesen Job aufzuschwatzen, dann hatte er auch seine eigene Profession gefunden. Dann könnte er Pressesprecher oder Werbetexter oder Vergleichbares werden. Er könnte jedem alles verkaufen und die größten Katastrophen kleinreden. Der Gedanke allein ließ ihn frösteln und schwitzen zugleich.